Chinesischer Experte: "Ukraine-Krieg ist Moskaus Reaktion auf die endlose strategische US-Expansion"
von Wang Weng
Der bewaffnete Konflikt zwischen Russland und der Ukraine hat sich in die Länge gezogen und macht die Welt zu einem gefährlicheren Ort. Oberflächlich betrachtet handelt es sich um einen militärischen Kampf zwischen Kiew und den Streitkräften Moskaus im Westen und Süden des Landes. Im Grunde genommen handelt es sich jedoch um den totalen Ausbruch einer dem Kalten Krieg ähnlichen Konfrontation in Osteuropa und um einen umfassenden Gegenangriff Russlands auf die endlose strategische Expansion der USA und ihres NATO-Militärblocks.
Obwohl sie offiziell keine Truppen entsandt haben, setzen die USA und die NATO fast alle Mittel der hybriden Kriegsführung wie Finanzsanktionen, Informationsblockade, geheimdienstliche Unterstützung, Satellitennavigation sowie Luft- und Raumfahrttechnik ein, um Russland von allen Seiten zu strangulieren.
In den fast zwei Monaten seit Beginn des Konflikts hat der Westen mehr als 5.000 Sanktionen gegen Russland verhängt. Das sind 50 Prozent mehr als die USA in den letzten 40 Jahren gegen den Iran verhängt haben. Weitere Militärhilfe und finanzielle Sanktionen seitens der NATO-Staaten sind noch zu erwarten. Dies gießt zweifellos Öl ins Feuer und spornt Russland an, sich stärker zu wehren. Insbesondere die Äußerungen von US-Präsident Joe Biden über das Ausscheiden seines russischen Amtskollegen Wladimir Putin aus dem Amt führten dazu, dass Moskau dies als Bedrohung für sein Überleben ansieht.
Immer mehr Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Wahrscheinlichkeit des Ausbruchs eines Dritten Weltkriegs zunimmt und sind sogar zu dem Schluss gekommen, dass dies zu einem Atomkrieg führen könnte. Die Situation bewegt sich in Richtung einer globalen Katastrophe. Putin kann kein Scheitern verkraften und Biden ist nicht bereit, aufzugeben, was Russland zum Einsatz von Atomwaffen zwingen könnte.
Neben dem Krieg ereignen sich weitere Katastrophen. Der Krieg vertreibt Millionen ukrainischer Bauern aus ihrer Heimat und führt dazu, dass sie die Frühjahrsaussaat verpassen, was zu einem Rückgang der ukrainischen Agrarexporte führt. Zuvor war die Ukraine einer der wichtigsten Agrarexporteure der Welt. Ihr Weizen und ihr Mais machten 10 beziehungsweise 15 Prozent der weltweiten Ausfuhren dieser Grundnahrungsmittel aus. Vierzehn Länder sind zu mehr als 25 Prozent von ukrainischen Weizeneinfuhren abhängig, darunter sind Libyen mit 43 Prozent und Bangladesch mit 28 Prozent. Ohne erschwinglichen Ersatz für die Importprodukte aus der Ukraine droht den Städten in einigen Entwicklungsländern eine schwere Hungersnot.
Die Nahrungsmittelknappheit und der durch die Kämpfe verursachte Anstieg der Energiepreise schränken die Produktion von immer mehr Ländern ein. In den USA, der EU, Argentinien und der Türkei sind die Preise stark angezogen und die Inflationsrate in Europa und den USA hat den höchsten Stand seit 40 Jahren erreicht. Wenn wir so weitermachen, wird dann Elon Musks Vorhersage einer Wirtschaftskrise, die "vielleicht im Frühjahr oder Sommer 2022, spätestens aber 2023" eintreten wird, vielleicht zu einer erfüllten Prophezeiung?
In den letzten zwei Jahren sind mehr als sechs Millionen Menschen an COVID 19 gestorben. Viele westliche Länder haben sich geöffnet und angekündigt, dass sie Patienten mit dem Coronavirus nicht mehr isolieren werden. Doch wie ein Experte der Weltgesundheitsorganisation warnte, ist dieses Verhalten zu optimistisch. Die COVID 19-Pandemie ist noch nicht ausgestanden, und es gibt immer noch Todesfälle. Seit letztem Monat ist die Zahl der Infektionen sprunghaft angestiegen, und täglich sterben etwa 1.000 Menschen an der Infektion. Die Menschen glauben an den Impfstoff und an die Idee, mit dem Virus zu koexistieren. Aber kann die Impfung weitere Todesfälle verhindern? Können Medizin und Impfstoffe mit der Geschwindigkeit der Virusmutationen Schritt halten? All das ist noch unbekannt.
Niemand hatte erwartet, dass der heißeste globale Konsens des Jahres 2021, der Klimawandel, im Jahr 2022 fast vergessen sein würde. Die militärische Intervention Russlands setzte die Zusammenarbeit außer Kraft und spaltete die Welt, vielleicht mit dem Verlust der letzten Chance, sich zu einigen, um die Klimakatastrophe zu verhindern. Eisberge schmelzen, der Meeresspiegel steigt, kleine Inseln verschwinden, Naturkatastrophen häufen sich, die Welt kämpft weiter und die Menschheit scheint dem Untergang immer näherzukommen.
Es gibt ein düsteres mathematisches Phänomen, das im Internet beliebt ist: In US-amerikanischer Schreibweise ist die Summe aus jeweils zwei Ziffern der Anfangsdaten des Ersten Weltkriegs (07/28/1914), des Zweiten Weltkriegs (09/01/1939) und des Russland-Ukraine-Konflikts (02/24/2022) identisch, und zwar immer 68. Das ist zwar nur ein großer Zufall, aber er erinnert uns daran, die gefährliche Entwicklung des Russland-Ukraine-Konflikts mit den beiden schlimmsten Kriegen der Menschheitsgeschichte zu vergleichen.
Rückblickend betrachtet, haben Tragödien oft fünf Ursachen: Krieg, Hungersnot, Wirtschaftskrise, Pandemie und Klimakatastrophe. Im Frühjahr 2022 hätten die Menschen nicht erwartet, dass diese fünf Aspekte eine noch nie dagewesene Resonanz erfahren würden. Die Welt steht vielleicht am Vorabend ihres gefährlichsten Moments.
Was sollten wir tun? Vielleicht ist es an der Zeit, die Worte von Präsident Franklin Roosevelt wieder aufzugreifen:
"Wir wollen mehr als ein Ende des Krieges, wir wollen ein Ende der Anfänge aller Kriege."
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Wang Weng ist der geschäftsführende Leiter des Changyang Instituts für Finanzstudien und stellvertretender Leiter des Seidenstraßeninstituts der Renmin-Universität in China. Dieser Beitrag wurde zuerst auf der Webseite des Valdai-Klubs veröffentlicht.
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Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
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Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.