Meinung

ZDF-Kindernachrichten zur Ukraine: NATO-Propaganda mit Dreingabe

Nachrichten für Kinder sind sicher keine einfache Aufgabe. Aber das, was das ZDF in seiner Sendung Logo bietet, hat mit Nachrichten wenig zu tun. Die Sendungen folgen streng der NATO-Erzählung und überbieten sie sogar.
ZDF-Kindernachrichten zur Ukraine: NATO-Propaganda mit Dreingabe

von Dagmar Henn

In den letzten Tagen wurde von Logo, der Kindernachrichtensendung des ZDF, gleich in mehreren Beiträgen wieder einmal das Thema Ukraine abgehandelt, und das Ergebnis ist wirklich schmerzhaft. Es sind insgesamt vier.

Einer davon besteht schlicht aus einer Schilderung, dass Krieg in der Ostukraine Häuser zerstört und Menschen sich in Kellern verstecken müssen, ohne jede Aussage, wer auf wen schießt. Selbst die OSZE hat bestätigt, dass 80 Prozent der zivilen Opfer auf Seiten der Donbass-Republiken sind; dass es also vor allem die ukrainische Armee ist, die Häuser, Schulen, Infrastruktur zerstört. Aber das passt nicht in die vorgegebene Erzählung, also wird das nicht erwähnt.

Der zweite Beitrag ist eine "historische" Darstellung unter der Überschrift "Wer gegen wen kämpft". Da wird die Technik des Auslassens von Informationen deutlich stärker angewandt. "Seit 2014 streiten zwei Gruppen darum, wozu das Gebiet im Osten der Ukraine gehören soll: entweder zum benachbarten Russland, oder so wie bisher, zur Ukraine." Dass dieses "bisher" ausgesprochen kurz ist, weil bis 1992 alles Teil eines einzigen Landes war, nämlich der Sowjetunion, ist die erste Information, die unterschlagen wird. Wäre das  genau, müsste es außerdem hinzufügen, dass nicht nur der Osten der Ukraine jahrhundertelang Teil Russlands war. Und indem man nicht erwähnt, dass die Ukraine sich von der Sowjetunion abgetrennt hat, erspart man sich gleich das Problem, zu erklären, warum sich zwar die Ukraine von der Sowjetunion, aber nicht die Krim von der Ukraine trennen darf.

Eine der Gruppen "nennt man Separatisten", schreibt Logo, und diese hätten "einige Gebiete im Osten der Ukraine besetzt." Das ist schon in sich ein bisschen unlogisch. Separatisten sind Bewohner eines Gebiets, die dieses Gebiet von einem größeren Staat abtrennen wollen, wie Katalanen in Spanien oder Franken in Bayern. Separatisten können dieses Gebiet also gar nicht besetzen, weil sie dort zu Hause sind. Besetzen können nur fremde Truppen; der Begriff würde also, wenn überhaupt, nur für die westukrainischen Truppen passen, die im Donbass stehen, aber nicht für die Donbassmilizen.

Klar, dass man die Vorgeschichte des Maidan auch zurechtschummelt und behauptet, Janukowitsch habe "eine große Vereinbarung mit der EU platzen lassen." Auch das stimmt nicht; er wollte die vorgelegten Verträge nur noch einmal genauer auf ihre wirtschaftlichen Folgen für die Ukraine prüfen. Die EU erwiderte darauf mit einem Ultimatum. Es war nicht Janukowitsch, der die Proteste auf dem Maidan auslöste, sondern die EU. Und dass es genauso Proteste in der anderen Richtung gab, den Anti-Maidan, muss man natürlich auch nicht erwähnen.

Immerhin, bei dem Abschnitt zur Krim gibt es einen kleinen Anfall von Ehrlichkeit. "Viele Menschen, die dort leben, sind russischer Abstammung und zum Beispiel auch deshalb Anhänger Russlands." Nachdem oben schon zu sehen war, dass der historische Horizont der Logo-Redaktion nicht bis zur Existenz der Sowjetunion zurückreicht, ist logisch, dass auch hier die Tatsache, dass die Krim bis Chruschtschow Teil der russischen Sowjetrepublik war und die Menschen dort nie Teil der Ukraine sein wollten, nicht erwähnt werden kann. Aber zumindest kommen die Bewohner der Krim vor. Doch natürlich muss danach erst einmal unterstellt werden, Russland wolle der armen Ukraine mit der Krim Öl- und Gasreserven abnehmen, und dann, die russische Regierung habe Soldaten auf die Krim geschickt und habe damit "die ukrainische Halbinsel unter russische Kontrolle" gebracht.

Wie sehr unterscheidet sich das von der wirklichen Entwicklung. Es mussten ja nicht nur keine russischen Soldaten auf die Krim gebracht werden, weil sie durch den Stationierungsvertrag ohnehin dort waren – sie haben sich auch wundersamerweise vermehrt, weil von den 20.000 ukrainischen Soldaten, die damals auf der Krim waren, 18.000 beschlossen, in die russische Armee einzutreten, und nur 2.000 die Krim verließen, um bei der ukrainischen zu bleiben. Allein diese Zahl zeigt deutlich, wie die Menschen auf der Krim die ganze Sache sahen, darum wird dieser Teil der Geschichte im Westen äußerst ungern erzählt, und auch Logo bleibt hier ganz auf Linie.

In der Ostukraine kämpfen, so Logo, die Separatisten, die ihre eigene Heimat besetzt haben, gegen die ukrainische Armee. "Unterstützt wird die ukrainische Regierung von der EU und auch von den USA. Die Separatisten erhalten Hilfe aus Russland." Aha. Nun kann man sich selbst in der Logo-Variante der Geschichte einigermaßen erklären, warum die Donbass-Bewohner aus Russland unterstützt werden, aber was haben die USA dort verloren? Liegen die nicht tausende Kilometer entfernt, auf der anderen Seite eines großen Ozeans? Dafür liefert Logo keine Erklärung; es scheint an dieser Stelle nicht einmal eine Frage zu sehen. So gewöhnt man die lieben Kleinen daran, dass die USA ihre Nase überall hineinstecken dürfen.

Wie auch immer, während am Ende dieses Beitrags zumindest noch erwähnt wird, dass es "Tote und Verletzte auf beiden Seiten" gebe, auch wenn die tatsächlich eindeutig geklärte Frage, wer vor allem auf wen schießt, wieder unterschlagen wird, verschwindet diese Kriegspartei in den weiteren Beiträgen zum Thema völlig.

In dem Clip von etwas über einer Minute, der unter der Überschrift "Das ist gerade im Ukraine-Konflikt los" steht, gibt es nämlich nur noch die berühmten 100.000 russischen Soldaten, die angeblich an der ukrainischen Grenze stehen. Die 120.000 ukrainischen Soldaten an der Donbassfront gibt es, wie in westlichen Medien üblich, überhaupt nicht. Und dann wird es richtig heiter: "Dass dort jetzt so viele russische Soldaten sind, besorgt viele Menschen. Viele befürchten jetzt, dass die russischen Soldaten die Ukraine angreifen könnten. Auch die USA sehen das als Bedrohung und schicken deshalb etwa 3.000 Soldaten nach Osteuropa, um dort für Sicherheit zu sorgen." Als kleine Illustration werden zwei schützende Hände über das Wort Osteuropa gehalten.

Da sind sie wieder, die USA. Tausende Kilometer von ihren eigenen Grenzen entfernt. "Das wiederum sorgt für Ärger in Russland. Russische Politiker sagen, dass die USA und andere Länder Russland bedrohen und provozieren. Sie sind der Meinung, dass sie sich nicht einmischen sollen."

An diesem Punkt ist Logo tatsächlich noch dreister als die ohnehin schon dreiste Darstellung in der westlichen Medienlandschaft. Denn nie hat Russland behauptet, sich von lächerlichen 3.000 US-Soldaten bedroht zu fühlen. Genau diesen Eindruck will Logo erzeugen, nachdem zuvor die ukrainischen Truppen unterschlagen, aber die berüchtigten hunderttausend Russen betont wurden. Dabei geht es um eine Bedrohung, die von der möglichen Stationierung von Atomwaffen ausgeht, ein Problem ganz anderer Größenordnung als die 3.000 US-Soldaten. Auch die Waffenlieferungen an die ukrainische Armee, die diese gelieferten Waffen natürlich sofort an die Donbass-Front karrt und damit ganz konkret und körperlich die Bewohner der Donbass-Republiken bedroht, finden keine Erwähnung. Übrig bleibt beim Zuschauer, bei den Kindern: die spinnen, die Russen. Wovon sollten sie sich bedroht fühlen?

"Und so ist der Streit um den Osten der Ukraine nicht nur ein Streit zwischen der Ukraine und Russland, sondern auch ein Streit zwischen Russland und anderen Ländern, wie den USA." Wegen 3.000 US-Soldaten? Man sollte auch Kindern gegenüber so ehrlich sein, zu erwähnen, dass die USA Machtinteressen folgen, und man müsste, wäre man ehrlich, sogar erwähnen, dass die USA in der ganzen Maidan-Geschichte die Finger hatten. Immerhin hatte sich die jetzt wieder zurückgekehrte Staatsekretärin Victoria Nuland damals der vielen Milliarden gerühmt, die die USA investiert hätten, um die Ukraine von Russland zu lösen. Nur, vermutlich sind eigentlich auch acht Jahre schon jenseits des Zeithorizonts der Logo-Redaktion.

Aber es geht noch eine Ekelstufe tiefer. Denn der letzte Beitrag auf der Seite befasst sich mit dem Stichwort Sanktionen, und klar, das Objekt für Sanktionen ist Russland. Eingeführt wird dabei das Thema mit folgenden Sätzen: "Stellt euch vor: Eure Eltern wollen, dass ihr euer Zimmer aufräumt. Wenn ihr das nicht macht, dann drohen sie euch mit Hausarrest. So etwas ähnliches sind Sanktionen – nur eben zum Beispiel zwischen Ländern. Mit Sanktionen sind also Strafen gemeint. Mit so einer Strafe soll ein Land dazu gebracht werden, sein Verhalten zu ändern."

Aha. Wer ist dann bitte in internationalen Beziehungen in der Position eines Elternteils oder eines Lehrers und wer in der Position des Kindes bzw. Schülers? Nach dem Völkerrecht sind alle Länder gleich; es gibt keine Rangordnung, und keinerlei Recht von Land A, Land B irgendwelche Vorschriften zu machen. Mit dem gewählten Beispiel unterstellt Logo, es gäbe Länder erster und Länder zweiter Kategorie, und die einen hätten das Recht, die anderen zu maßregeln.

Sanktionen sind aber, das übergeht Logo, Handlungen, die Kriegshandlungen ähneln; in vielen konkreten Fällen, wie bei den Sanktionen gegen den Jemen oder früher bei den Sanktionen gegen den Irak, kosten sie mindestens so viele Menschenleben wie militärische Handlungen. Wenn man sie mit einem Verhältnis zwischen Eltern und Kindern vergleichen will, wären das eher Eltern, die ihre Kinder brutal misshandeln. Aus diesem Grund sind eigentlich, völkerrechtlich, nur Sanktionen rechtmäßig, die vom UN-Sicherheitsrat verhängt werden, genauso, wie eigentlich nur im Auftrag des UN-Sicherheitsrats Militär in anderen Ländern eingesetzt werden darf.

Aber was schert noch das Völkerrecht. Schließlich ist auch die Außenministerin zwar vom Völkerrecht gekommen, aber zur westlichen Hegemonie (vulgo "regelbasierte Weltordnung") gegangen. Also wird schlicht erklärt: "Mit möglichen Sanktionen wollen andere Länder Russland abschrecken und verhindern, dass es die Ukraine angreift."

Das geht sogar noch weiter als der reale Irrsinn. Denn hier spricht Logo von Präventivsanktionen, also Sanktionen, die auf einem angenommenen Verhalten beruhen. In etwa so – damit die Logo-Redaktion das auch versteht – wie wenn die misshandelnden Eltern ihr Kind schon vorab "strafen" würden, weil es aller Wahrscheinlichkeit nach sein Zimmer nicht aufräumen wird.

Wie soll man das beschreiben? Doppelt illegale Sanktionen? Ich bin mir sicher, dafür bräuchte man einen völlig neuen Begriff. Zugegeben, es gibt unter den illegalen, also nicht vom UN-Sicherheitsrat verhängten, massenhaft solche, die auf Grundlage falscher oder gar gefälschter Informationen zustande gekommen sind. Der Magnitzky-Act beispielsweise, der auf den nachweislich falschen Angaben des Finanzbetrügers Bill Browder beruht. Oder die EU-Sanktionen, weil "Russland die Minsker Vereinbarungen nicht umsetzt", die schlicht Inhalt und Unterzeichner der Minsker Vereinbarungen ignorieren. Oder all die anderen, die an so wilden Erzählungen wie mit Skripal hängen. Aber zumindest ist da noch erst die Fiktion, dann die Sanktion. Die Variante "ich sanktioniere dich, weil ich mir morgen eine Geschichte ausdenke, warum" haben bisher noch nicht einmal die USA gebracht.

Zuguterletzt ist Logo auch noch richtig gemein zu seinen kleinen Zuschauern. "Eine Sanktion gegen Russland könnte zum Beispiel sein, dass viele Länder weniger Gas aus Russland kaufen. Russland verdient damit eigentlich sehr viel Geld und würde das dann verlieren." Das ist zum einen Teil schlicht unwahr, weil Russland nur dann dadurch sehr viel Geld verlieren würde, wenn es keine anderen Länder gäbe, die das Erdgas kaufen würden. Dem ist aber nicht so; ein Punkt, den der Westen entweder nicht wahrhaben will oder den Bevölkerungen bösartig verschweigt. Aber schlimmer ist, dass für Deutschland die Dinge noch viel simpler liegen. Wir müssen frieren ohne dieses Gas, das dann eben nach China geht. Auch die kleinen Zuschauer von Logo. Die Welt ist nämlich nicht wirklich so, dass es Lehrerländer und Schülerländer oder Elternländer und Kinderländer gibt, und zwischen Gleichen passiert das schon einmal, dass Übergriffe ihren Preis haben.

Das Schlimme an diesem Paket scheinbaren Journalismus ist nicht, dass der ganze Konflikt um die Ukraine falsch dargestellt wird. Diese Geschichte fliegt uns entweder ganz unmittelbar um die Ohren, oder sie regelt sich im Zuge der globalen Machtverschiebung anders, als das ZDF es darstellt. Wirklich schlimm, weil einen dauerhaften Schaden hinterlassend, ist, dass ein Weltbild vermittelt wird, das man im Grunde nur kolonial nennen kann. Dass wirkliche Wege zu einem friedlichen Zusammenleben der Völker nicht einmal erwähnt werden (was man anhand der Minsker Vereinbarungen tatsächlich auch für schwierige Lagen erklären könnte) und das, was die UN-Charta eigentlich festschreibt, die Gleichheit der Länder, nirgends vorkommt, sondern stattdessen getan wird, als sei es selbstverständlich, dass die einen strafen dürfen und die anderen gestraft werden. Kinder, die mit diesen Nachrichten aufwachsen, wissen nicht einmal mehr, wie Frieden geht.

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