von Susan Bonath
Die Wirtschaftskrise und die Corona-Maßnahmen in den vergangenen beiden Jahren sorgen auch im reichen Deutschland für immer mehr Armut. Die wachsende Inflation verschlechtert die Situation Betroffener zusätzlich. Vor allem Güter der Grundversorgung – Energie, Heizung und Nahrungsmittel, darunter vor allem Gemüse, Getreide- und Milchprodukte – werden immer teurer. Deshalb verspricht die Bundesregierung einigen Betroffenen nun einen mickrigen Heizkostenzuschuss von etwas mehr als 100 Euro. Allerdings soll es diesen nur für eine kleine Minderheit der Armen geben, der größte Teil bleibt davon ausgeklammert.
Millionen Arme vom geplanten Zuschuss ausgeschlossen
In Deutschland leben laut Bundesagentur für Arbeit (BA) etwa 5,3 Millionen Menschen in einem Hartz-IV-Haushalt, darunter etwa 1,7 Millionen Kinder. Etwa 1,1 Millionen Menschen sind darüber hinaus auf ergänzende Sozialhilfe im Alter oder bei Erwerbsminderung angewiesen. All diese Betroffenen sind von den Ampelplänen aber nicht erfasst. Sie müssen weiterhin zusehen, wie sie mit ihrem kläglichen Einkommen die steigenden Heizkosten stemmen können – oder alternativ im Kalten sitzen.
Denn nach dem Willen der Regierungsparteien SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen sollen lediglich die gut 700.000 Bezieher von Wohngeld in der Bundesrepublik und weitere 500.000 Studenten und Auszubildende, die Bafög oder Berufsausbildungsbeihilfe (BAB) erhalten, einen Anspruch auf den geplanten Heizkostenzuschuss haben. Laut Bundesregierung ist für alleinstehende Wohngeld-Berechtigte eine Einmalzahlung von 135 Euro geplant. Zwei-Personen-Haushalte bekämen danach 175 Euro, für jede weitere Person 35 Euro mehr. Für außerhalb des Elternhauses lebende Studenten und Azubis plant die Regierung einen einmaligen Pauschalbetrag von 115 Euro pro Person.
Vom Bezug von Wohngeld sind jedoch alle ausgeschlossen, die einen Anspruch auf aufstockende oder vollständige Grundsicherung wie Hartz IV oder Sozialhilfe im Alter oder bei Erwerbsminderung haben. Denn eine Mietkostenbeihilfe ist in diesen Leistungen bereits enthalten. So müssen sich Geringverdiener oder Niedrigrentner zwischen aufstockender Grundsicherung und staatlichem Wohngeld entscheiden. Hier kommt es auf die Höhe des Lohns oder der Rente an. Ist das Einkommen zu niedrig, reicht das Wohngeld nicht aus. Sie müssen dann darauf verzichten und ihre Beihilfe beim Sozialamt oder Jobcenter beantragen. Hier gilt: Entweder, oder.
Geringere Mietobergrenzen bei Hartz IV und Sozialhilfe
Welchen Stellenwert Bezieher von Grundsicherungsleistungen in Deutschland haben, zeigt sich nicht nur in der kläglichen Anhebung der Regelsätze um drei Euro auf 449 Euro für Alleinstehende. Auch die ungleiche Behandlung bei der sogenannten Angemessenheitsgrenze, also der Obergrenze für die Miete, die sie im Gegensatz zu Wohngeldbeziehern zahlen dürfen, spricht für sich. So sind die im Wohngeldgesetz zugrunde gelegten Mietstufen, welche die Maximalwerte der anzuerkennenden Miete beziffern, in der Regel weitaus höher, als die Höchstgrenzen für Hartz-IV- und Sozialhilfebezieher.
Für Wohngeld-Bezieher in Leipzig gilt beispielsweise die Mietstufe 2. Bei Alleinstehenden wird damit eine maximale Warmmiete von 406 Euro für die Berechnung des Wohngeldanspruchs anerkannt, übersteigende Beträge spielen dafür keine Rolle. Im Hartz-IV- oder Sozialhilfebezug billigt ihnen das Sozialrecht aber nur knapp 365 Euro zu.
Seit der Zusammenlegung von Sozial- und Arbeitslosenhilfe zum sogenannten Hartz IV im Jahr 2005 müssen Betroffene zudem mit harten Sanktionen rechnen. Dafür reicht es bereits aus, wenn Bezieher zu wenige Bewerbungsschreiben nachweisen können oder schlicht unabgemeldet den wohnortnahen Bereich verlassen. Auch eine vom Amt angebotene Arbeit dürfen sie selbst bei schlechtesten Arbeitsbedingungen nicht ablehnen. Trotz Plädoyers der Grünen für ein vorläufiges Absetzen der Kürzungen im vergangenen Jahr sanktionieren die Jobcenter aktuell weiter.
Wird Ungeimpften bald das Arbeitslosengeld verweigert?
Falls die allgemeine Impfpflicht kommt, werden auch ungeimpfte Hartz-IV-Bezieher unter Sanktionen leiden. BA-Chef Detlef Scheele (SPD) kündigte bereits mögliche Kürzungen und Sperren an. Dafür müsste der Bundestag nicht einmal das Gesetz ändern. Denn darin ist von Mitwirkungspflichten die Rede. Betroffene haben danach alles zu unternehmen, um ihre Hilfsbedürftigkeit zu beenden. Das eigenständige Kündigen eines Minijobs oder auch nur schlechtes Benehmen in einem Vorstellungsgespräch verstoßen bereits gegen diese Pflicht.
Bezieher der Versicherungsleistung Arbeitslosengeld I bekommen schon heute aus solchen Gründen eine Sperrzeit von bis zu drei Monaten auferlegt. Hartz-IV-Beziehern wird das Geld um 30 Prozent gekürzt, in manchen Fällen der Anspruch sogar ganz versagt. Wird die Impfpflicht für alle Erwachsenen gesetzlich verankert, kann die BA eine Impfung einfach in den Katalog der Mitwirkungspflichten aufnehmen, weil Jobsuchende ohne Spritze kaum Chancen auf eine Arbeitsstelle hätten.
Die Linke-Abgeordnete im Bundestag, Sahra Wagenknecht, bezeichnete Scheeles Vorhaben gegenüber der Bild als "Willkür und soziale Erpressung".
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