Wie Israel versucht, die neue Runde der Atomverhandlungen mit Iran zu torpedieren
Ein Kommentar von Seyed Alireza Mousavi
Nach ein paar Monaten der ins Stocken geratenen Atomgespräche tauchten wieder schwarze Limousinen mit maskentragenden Diplomaten hinter verdunkelten Scheiben vor dem Nobelhotel Palais Coburg in Wien auf. Vor dem Hintergrund des zunehmenden israelischen Säbelrasselns gegen Iran begann am Montagnachmittag in Wien die siebte Gesprächsrunde der Atomverhandlungen zwischen fünf internationalen Mächten und Iran.
Am Tisch im Sitzungsraum, in dem vor sechs Jahren der Atomdeal ausgehandelt worden war, saßen im Laufe dieser Woche unter Gesprächsführung des EU-Spitzendiplomaten Enrique Mora Russland, China, Deutschland, Frankreich und Großbritannien den Unterhändlern der neuen iranischen Regierung unter Leitung von Ali Bagheri Kani gegenüber. Die aus dem Atomabkommen ausgestiegenen US-Amerikaner saßen nicht mit am Verhandlungstisch, sondern wurden von den übrigen Parteien über den Verlauf der Verhandlungen unterrichtet.
Israelische Beamte legten sich in letzten Tagen ins Zeug, um die Gefahr des Atomprogramms Irans wieder hochzuspielen und damit die mögliche Lockerung der Sanktionen gegen Teheran abzuwenden. Die israelische Regierung versuchte in erster Linie, einen Keil zwischen Großbritannien und die anderen westlichen Mächte zu treiben. "Großbritannien und Israel werden Tag und Nacht daran arbeiten", Iran daran zu hindern, eine "Atommacht" zu werden, schrieben die Außenminister der beiden Länder, Jair Lapid und Liz Truss, in einem gemeinsamen Artikel im Vorfeld des Treffens in Wien im Daily Telegraph.
In einem Treffen in London am Montagnachmittag hielt Israels Außenminister Lapid in Begleitung des britischen Premierministers Boris Johnson eine sehr merkwürdige Rede über den sogenannten "moralischen Relativismus" und behauptete, dass Israel und Großbritannien "Kräfte des Guten" seien, die sich gegen "böse Bewegungen wie Nazi-Deutschland, Iran, die Hisbollah und die Hamas" einsetzten. Im Hinblick auf die westliche Strategie gegenüber Iran kritisierte Lapid, dass einige Funktionäre im Westen Gewaltanwendung als "ungerechtfertigt" betrachteten und nicht an einen "gerechten Krieg" glaubten.
Die Meldungen aus London sorgten bei anderen europäischen Atomunterhändler für Irritation, während Iran an der Glaubwürdigkeit der westlichen Versuche zur Wiederbelebung des Atomabkommens zweifelte. Insbesondere waren davon die Franzosen betroffen, die durch die USA und Großbritannien vor Kurzem in der AUKUS-Affäre im Stich gelassen wurden.
Der iranische Delegationsleiter Bagheri Kani sagte in einem Interview mit dem Spiegel, dass Europa dann bei Atomverhandlungen "eine entscheidende Rolle" spielen könne, wenn es sich von der US-amerikanischen Politik distanziere. Dabei forderte Bagheri Kani die Europäer auf, einfach nur an ihre "nationalen Interessen" zu denken und sich nicht von den US-Amerikanern und Israelis beeinflussen lassen.
Tel Aviv versuchte zudem, das mittlerweile abgedroschene Narrativ "Iran steht kurz vor der Bombe" wieder hochzuspielen, und dabei sprangen den Israelis Medienkonzerne zur Seite, um den israelischen Vorwurf gegen Iran mit angeblichen "Beweisen" zu untermauern. Die New York Times behauptete unter Berufung auf nicht namentlich genannte hochrangige europäische Beamte, dass Iran sein Atomprogramm weiter ausbauen wolle, falls die Großmächte die iranischen Forderungen nicht erfüllen. Axios behauptete zugleich, Israel habe in den letzten zwei Wochen Geheimdienstinformationen mit den USA und mehreren europäischen Verbündeten geteilt. Diese deuteten darauf hin, dass Iran technische Schritte unternehme, um sich darauf vorzubereiten, Uran auf 90 Prozent anzureichern – das Niveau, das für die Herstellung einer Atomwaffe erforderlich ist.
Der Chef der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA) wies jedoch am 1. Dezember die Behauptungen Israels zurück, dass Iran eine Urananreicherung auf 90 Prozent plane. "In der Islamischen Republik Iran gibt es derzeit keine 90-prozentige Anreicherung", sagte IAEA-Chef Rafael Grossi im Fernsehinterview mit France 24.
Iran forderte bereits mehrfach eine Aufhebung aller von den USA verhängten Sanktionen zur Wiederbelebung des Atomabkommen. Die USA aber signalisierten, dass sie nur bereit seien, die im Zusammenhang mit dem Atomstreit verhängten Strafmaßnahmen einzustellen, nicht aber solche, die etwa wegen angeblicher "Terrorunterstützung" oder wegen "Menschenrechtsverletzungen" erlassen worden waren. Es ist den Iranern insofern bewusst, dass die USA unter dem Vorwand der "Menschenrechtsverletzung" ständig neue Sanktionen verhängen könnten, um ihr Sanktionsregime gegen Iran trotz der möglichen Wiederbelebung des Atomabkommen 2015 aufrechtzuerhalten.
Die von Teheran geforderte rechtlich bindende Garantie der USA, nicht noch einmal aus dem Abkommen auszusteigen, gehört zum zweiten wichtigen Aspekt der neun iranischen Gesprächsbasis. Das lehnt die neue US-Regierung ab, unter anderem, da das Abkommen keine Chance auf eine Ratifizierung im US-Senat hat.
Die Delegationen kehrten am Freitag von den Beratungen in ihre Hauptstädte zurück. Im Laufe der kommenden Woche werden sie erneut in Wien zusammenkommen.
Unabhängig davon, ob Iran und die internationalen Mächte eine neue Einigung erzielen könnten, bleibt abzuwarten, inwieweit Israel in der Lage wäre, den westlichen Unterhändler Steine im Weg zu legen. Auch ist nicht klar, wie weit Israel – nach seiner Darstellung der Lage – zu gehen bereit wäre, um Teheran trotz aller drohender Rhetorik mit eigenen Mitteln davon abzuhalten, eine "Atommacht" zu werden. Bei den israelischen Behörden schrillen schon längst die Alarmglocken, da Tel Aviv die Verschiebung des Machtgefüges im Nahen Osten und den Abzug des Westens aus der Region in Sorge beobachtet.
Mehr zum Thema - Schattenkrieg zwischen Iran und Israel: Spektakulärer Luftangriff auf US-Basis At-Tanf in Syrien
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.