Meinung

Strom für die Levante: Arabische Gaspipeline wird wieder in Betrieb genommen

Die "Arabische Gaspipeline" hatte bis 2012 ägyptisches Gas an Jordanien und durch Syrien in den Libanon geliefert, wurde aber danach zunehmend Ziel von Anschlägen von Dschihadisten. Das ägyptisch-jordanisch-syrisch-libanesische Energieversorgungsprojekt wurde nun durch plötzliche Kursänderung der USA in der Weltbank Anfang September 2021 möglich.
Strom für die Levante: Arabische Gaspipeline wird wieder in Betrieb genommenQuelle: AFP © Khalil Mazraawi

Eine Analyse von Karin Leukefeld, Damaskus

Syrien, Libanon und Jordanien haben sich am Donnerstag auf den Beginn von Stromlieferungen in den Libanon geeinigt. Nach einem Treffen in Amman teilten die Energieminister der drei Länder – Walid Fayyad (Libanon), Ghassan al-Zamel (Syrien) und Saleh Al-Kharabsheh (Jordanien) – vor Journalisten mit, dass die Stromlieferungen Endes Jahres 2021 beginnen werden.

Die tägliche Energieleistung soll demnach 400 MW betragen. Aufgeteilt wird das in eine Lieferung von 150 MW in der Zeit zwischen 12:00 Uhr mittags und 18:00 Uhr sowie 250 MW in Tageszeiten zwischen 18:00 Uhr bis 12:00 Uhr Mittag. Die Weltbank habe an dem Treffen teilgenommen und werde die Stromlieferung finanzieren, erklärte der libanesische Energieminister Fayyad. Möglich geworden sei das, weil "die Amerikaner grünes Licht für das Projekt gegeben haben, um Libanon mit Strom zu versorgen", fügte er hinzu.

Der Strom wird mit Erdgas erzeugt, das Ägypten von der Sinai-Halbinsel nach Jordanien liefert. In welchem Umfang Jordanien und Syrien konkret von dem Projekt profitieren, ist noch unklar. Den Ländern stehen Transitgebühren für die Nutzung des jeweiligen Pipelineabschnitts zu. Da aber sowohl die jordanische als auch die syrische Energieversorgung durch den zehnjährigen Krieg in Syrien, die illegale US-Besetzung von Öl- und Gasfeldern im Nordosten Syriens und durch die von der EU und den USA verhängten Wirtschaftssanktionen – wie etwa dem Caesar-Gesetz der USA – massiv belastet sind, dürften beide Länder darüber verhandelt haben, Gas für die eigene Energieproduktion zu nutzen.

Das ägyptisch-jordanisch-syrisch-libanesische Energieversorgungsprojekt, das offiziell zugunsten Libanons mit der Weltbank vereinbart wurde, war Anfang September 2021 auf den Weg gebracht worden, als die US-Botschafterin im Libanon, Dorothy C. Shea, in einem Gespräch mit dem libanesischen Präsidenten Michel Aoun erklärt hatte, die US-Administration werde – bei Verhandlungen innerhalb der Weltbank – der Stromversorgung für den Libanon auf diesem Wege zustimmen. Die USA halten als größter Beitragszahler die Stimmen-Mehrheit in der Weltbank. EU- und US-Sanktionen gegen Syrien und Libanon werden zumindest damit ausgesetzt.

Auslöser der plötzlichen US-Kursänderung, die schon lange zuvor möglich gewesen wäre, war die Ankündigung des Vorsitzenden der libanesischen Hisbollah Hassan Nasrallah Ende August 2021, dass direkte Öllieferungen aus Iran vorgesehen seien, um die zusammenbrechende öffentliche Energieversorgung Libanons u.a. für Krankenhäuser, Schulen, Ministerien und den öffentlichen Verbrauch aufrechterhalten zu können. Der angekündigte Bruch der US-Sanktionen hinsichtlich von Öllieferungen, die sich gegen Syrien, Iran und Libanon sowie andere Staaten richten, wurde Mitte September mit der ersten Lieferung von iranischem Öl über den syrischen Hafen Baniyas in den Libanon vollzogen. Anfang Oktober erreichte der dritte Öltanker aus Iran den Hafen Baniyas, von wo das Öl mit Tanklastern nach Libanon transportiert wurde.

Bei einem ersten Treffen auf Ministerebene Anfang Oktober hatten die Energieminister der beteiligten Länder einen Arbeitsplan beschlossen, wonach vor allem die Pipeline-Verbindung zwischen Jordanien und Syrien technisch wieder hergestellt werden solle. Diese Verbindung war – wie große Teile der zivilen Infrastruktur Syriens – während des Krieges immer wieder Ziel von Anschlägen der aus dem Ausland unterstützten bewaffneten Gruppen geworden.

US-Geostrategie

Der Sinneswandel in Washington dürfte verschiedene Gründe haben. US-Außenminister Blinken hatte zwar wiederholt betont, man habe nicht vor, die Sanktionen gegen Syrien zu lockern oder aufzuheben, solange es keine belastbaren politischen Veränderungen im Land gebe.

Klar ist aber auch, dass die US-Interessen aktuell hauptsächlich in der Konfrontation mit China liegen, wofür man Entlastung im Mittleren Osten braucht. Ägypten setzt sich seit Jahren für die Reintegration Syriens in die Arabische Liga ein, auch die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) haben den Kontakt zu Syrien wiederhergestellt und die Botschaft in Damaskus geöffnet. Der jordanische König Abdullah II. wiederum sprach persönlich in Washington, D.C. vor, um auf die desolate Wirtschaftslage in Jordanien hinzuweisen und die US-Zustimmung für die Öffnung der Grenze zu Syrien einzufordern. Die EU will ihrerseits verhindern, dass aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage noch mehr Flüchtlinge aus dem Libanon und Syrien Richtung Europa kommen. Die Berücksichtigung der wirtschaftlichen Interessen der arabischen und der EU-Partner der USA in der Levante kommt der geopolitischen US-Strategie entgegen, weil so der zunehmende Einfluss Russlands, Chinas und Irans in der Region ausgebremst werden könnte. Gleichzeitig soll der Einfluss Israels durch das "Abraham-Abkommen" mit den VAE und einigen weiteren arabischen Staaten gestärkt werden.

Die Arabische Gaspipeline

Die "Arabische Gaspipeline" hatte bis 2012 ägyptisches Gas an Jordanien und durch Syrien in den Libanon geliefert. 2012 wurde die Verbindung zunehmend Ziel von Anschlägen, für die Gruppierungen von Dschihadisten wie der "Islamische Staat" verantwortlich gemacht wurden.

Die Gaspipeline geht zurück auf das Jahr 1995, als Ägypten nationalen und internationalen Ölgesellschaften die Genehmigung erteilte, Erdgasbohrungen vorzunehmen, die zunächst die ägyptische Nachfrage sicherstellen sollten. Gleichzeitig entwickelte Ägypten mit seinen internationalen Partnern in dem Projekt Exportpläne im Rahmen einer "integrierten Gasstrategie", die die arabischen Länder der Levante und auch Nordafrikas verbinden sollte. Langfristig sollte durch die "Arabische Pipeline" Gas auch nach Europa gelangen.

2008 war das ägyptisch-jordanisch-syrisch-libanesische Teilstück der Pipeline mit einer Länge von 1.200 km fertiggestellt. Die Kosten wurden mit rund 1,2 Milliarden US-Dollar angegeben. Betreiber der Pipeline sind verschiedene ägyptische staatliche Unternehmen (Egyptian Natural Gas Holding Company EGAS; Engineering for the Petroleum and Process Industries ENPPI; The Petroleum Projects and Technical Consultations Company PETROJET; Egyptian Natural Gas Company GASCO) sowie die staatliche Syrische Ölgesellschaft (Syrian Petroleum Company SPC).  Weitere Anteilseigner sind Unternehmen in den USA, Großbritannien, Deutschland, Kanada und Russland.

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