von Dagmar Henn
Die Impfstoffe sind sicher, so lautet seit Monaten das Mantra. "Die Wissenschaft" sei sich da einig. Und jede andere Sicht sei daher notwendigerweise unwissenschaftlich und schädlich. Dennoch hat die kontinuierliche Verbreitung dieser Aussagen nicht die gewünschte Wirkung; Viele sind nach wie vor skeptisch.
Jetzt hat sich das ZDF mit derselben Herangehensweise die Sorgen über Langzeit-Nebenwirkungen vorgenommen und mit Bezug auf "Experten" erklärt: "Diese Angst ist unbegründet."
Einer der Experten, die sie anführen, ist der Chef des Paul-Ehrlich-Instituts Klaus Cichutek. Er sagt: "Langzeit-Nebenwirkungen, die erst nach Jahren auftreten, sind bei Impfstoffen generell nicht bekannt." Zwei weitere angeführte Zeugen sind eine österreichische Gutachterin bei der Zulassung von Impfstoffen, Petra Falb, sowie eine Virologin des Helmholtz-Zentrums für Infektionsforschung.
Leider sind die getätigten Aussagen nur begrenzt haltbar. Es gibt mindestens ein Beispiel für eine Langzeit-Nebenwirkung eines Impfstoffs: der Impfstoff gegen Hämophilus influenzae vom Typ b, ein Erreger, der Hirnhautentzündungen auslösen kann, hat nachweislich die Langzeit-Nebenwirkung einer Diabetes Typ 1. Die Aussage, Langzeit-Nebenwirkungen seien bei den bisher bekannten Impfstoffen selten, wäre korrekt gewesen. Die Aussage, es gebe sie nicht, ist falsch. Der Zeitabstand zwischen der Impfung und dem Auftreten der Nebenwirkung liegt in diesem Fall bei mehreren Jahren.
Die zweite angeführte Expertin erklärt ebenfalls, Nebenwirkungen träten üblicherweise kurz nach der Impfung auf, selbst wenn der angerichtete Schaden länger währt. Damit hat sie, bezogen auf die als Nebenwirkung bestätigten Herzmuskelentzündungen beispielsweise, durchaus recht; allerdings eben nicht so absolut, wie sie das äußert, wegen des oben bereits angeführten Gegenbeispiels.
Sie erklärt, durchaus zutreffend, dass viele früher gebräuchliche Impfstoffe, wie etwa das Pockenvakzin, heute keine Zulassung mehr erhalten würden. Allerdings sind die momentan genutzten COVID-Impfstoffe allesamt nicht ordnungsgemäß zugelassen, entsprechen also ebenfalls nicht den Kriterien, die "an sich" heutzutage an Impfstoffe angelegt werden. Das bedeutet, dass selbst die Informationen über die gewöhnlichen Nebenwirkungen nicht vorliegen, und das würde erfordern, dass man diese zumindest sorgfältigst protokolliert und mit einer Kontrollgruppe abgleicht; was aber bekanntlich nicht geschieht.
Um bei einem nach wie vor relativ unbekannten Impfstoff mit einer völlig neuen Funktionsweise eine Aussage zu treffen wie "gibt es nicht," bräuchte man eine perfekt funktionierende Glaskugel oder müsste stolzer Besitzer einer Zeitmaschine sein. Ein Beweis dafür, dass es keine späten Schäden gibt, kann nämlich nur durch Verstreichen von Zeit erfolgen. Aber ohne Beweis handelt es sich lediglich um eine Behauptung, die nicht nur nicht verifiziert ist, sondern zum jetzigen Zeitpunkt gar nicht verifiziert sein kann.
Die dritte Zeugin, die Virologin Melanie Brinkmann, trifft ebenfalls Aussagen, die in dieser hundertprozentigen Form nicht zutreffen. Zum einen trennt sie die beiden "Schreibweisen" genetischer Information, RNA und DNA, vollständig voneinander, was nicht korrekt ist, da RNA durchaus, in Gegenwart bestimmter Enzyme, in DNA übersetzt und auch in diese eingebaut werden kann; genau über diesen Mechanismus funktionieren Retroviren; und auch innerhalb der Zellen selbst gibt es die Reverse Transkriptase, die RNA wieder in DNA verwandelt.
Zum anderen behandelt sie die DNA so, wie sie vor Jahrzehnten einmal gesehen wurde, ehe man die Epigenetik entdeckte – nämlich als eine angeblich ewig unveränderliche Blaupause. Genau das, soviel weiß man mittlerweile, ist nicht richtig. Es gibt verschiedenste Prozesse – und das geht bis hin zu psychischen Zuständen – die Teile der DNA aktivieren oder deaktivieren können. Inzwischen sagt man, dass eineiige Zwillinge, die notwendigerweise eine identische DNA haben, im Alter von 50 Jahren sich durch epigenetische Prozesse so weit verändert haben, dass das, was aus der DNA beider Personen abgelesen und umgesetzt wird, nur noch zur Hälfte miteinander übereinstimmt.
Die DNA ist also eher so wie ein Buch, aus dem unterschiedliche Seiten gelesen werden können, aber nicht müssen. Die Epigenetik ist aber noch zu neu, als dass sämtliche Wirkungsweisen schon geklärt sein könnten. Und noch weniger klar ist, wie epigenetische Informationen die Generationenschranke durchbrechen; nur, dass sie es tun, ist relativ gesichert.
Das ZDF verteidigt natürlich mRNA-Impfstoffe; das ist die Linie der herrschenden deutschen Politik, nicht ganz unbeeinflusst von machtpolitischen Erwägungen. Immerhin habe es schon 2017 klinische Prüfungen für einen mRNA-Impfstoff gegen Tollwut gegeben, sagt das ZDF. Vor ganzen vier Jahren also. Eine Prüfung: ja, aber keine Zulassung.
Wäre man ehrlich und würde offen sagen, dass es sich um eine experimentelle Substanz handelt, deren Eigenschaften und Folgen noch nicht wirklich geklärt sind, so hätte sich immer noch ein Teil der Bevölkerung impfen lassen. Aber man wollte die Tür für diese Substanzen nicht nur öffnen, man wollte sie eintreten.
Um dies tun zu können, musste man zu Aussagen greifen, die absolut sind. Dabei sind absolute Aussagen im Sinne von "gibt es" oder "gibt es nicht" zwar bei einfachen Prozessen möglich, bei komplexeren wird es damit aber schwierig.
So hat man beispielsweise lange den genetischen Austausch zwischen unterschiedlichen Viren unterschätzt. Die vielen Varianten der Grippe beispielsweise entstehen dadurch, dass sich zwei oder mehr unterschiedliche Viren aus dieser Gruppe im Körper eines Wirtstiers begegnen und Teile ihrer genetischen Information tauschen. Auch Erbinformation aus gentechnisch veränderten Pflanzen wurde schon an ganz anderen Orten wiedergefunden. Zellen sind nun einmal biologische Reaktoren, in denen viele vorhersehbare Reaktionen stattfinden, aber immer wieder auch unvorhergesehene. Eine wissenschaftliche Aussage kann daher in diesem Bereich nie absolut erfolgen. Die übliche Formulierung lautet dann, "nach bisherigen Erkenntnissen", oder "nach dem gegenwärtigen Stand der Wissenschaft".
Zweifel zu verbannen, wäre das Ende der Wissenschaft. Die Entdeckung der Radioaktivität und der Isotope brachte das so geordnete Weltbild der Chemie Ende des 19. Jahrhunderts ordentlich durcheinander. Was, wenn damals die gleiche Atmosphäre geherrscht hätte, die einen vorläufigen Erkenntnisstand absolut setzt und jeden Zweifel als "unwissenschaftlich" verurteilt?
Das, was das ZDF mit wortreicher Hilfe seiner Experten erzeugt, ist weitaus weniger wissenschaftlich als die Zweifel, die durch jenen Artikel ins Lächerliche gezogen werden. Und es bleibt das große Rätsel, warum im Zusammenhang mit COVID-19 (wie auch in der Klimafrage) eine Vorstellung von "Wissenschaftlichkeit" erzeugt wird, die das genaue Gegenteil dessen ist und die Befolgung von Glaubenssätzen auf höchst ungenauer Grundlage einfordert, wo doch Genauigkeit, Zweifel und die Bereitschaft, jede Erkenntnis jederzeit auf den Prüfstand zu stellen, die Voraussetzungen wissenschaftlicher Entwicklung sind.
Im günstigsten Fall ist diese Verabsolutierung nützlicher Experten ein vorübergehender Anfall des Wahns. Im ungünstigsten Fall trägt sie dazu bei, die Fähigkeit zu wissenschaftlichem Denken in der Breite massiv zu verringern. Würde sich diese Vorstellung von "Wissenschaft" dauerhaft etablieren, so wäre der Langzeitschaden schlimmer als jener, den COVID-19 jemals anrichten könnte, vor allem in einem Land, dessen ökonomische Basis schon seit Langem von seinen wissenschaftlichen Ergebnissen abhängt.
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