von Seyed Alireza Mousavi
Trotz der Drohungen der US-Verbündeten und Israels ist am Donnerstag der erste Konvoi von Öllastwagen mit einer Eskorte der syrischen Armee im Libanon eingetroffen. Der erste Öltanker, der den iranischen Treibstoff in den Libanon transportieren sollte, legte am 14. September im Hafen der syrischen Stadt Baniyas an. Die syrische Regierung stellte anschließend Lkw für den Transport des Öls in den Libanon zur Verfügung. Die Ankunft des iranischen Tankers erfolgte fast einen Monat, nachdem Hisbollah-Generalsekretär Hassan Nasrallah mitgeteilt hatte, seine Organisation werde anfangen, Erdöl aus Iran zu importieren, um die Treibstoffkrise im Libanon zu mildern.
Infolge des Treibstoffmangels kommt es im Libanon seit Monaten zu Stromausfällen, in vielen Fällen ist die Stromversorgung für 22 Stunden am Tag unterbrochen. Angesichts der Treibstoffknappheit droht das Gesundheitswesen im Libanon zusammenzubrechen. Westliche Sanktionen verhindern bislang eine akute Lösung der Katastrophe. Wieder einmal haben die westlichen Maßnahmen nur Elend, Leid und Zerstörung in die Region gebracht.
Angesichts einiger Vorbehalte libanesischer Funktionäre gegen den Import von Treibstoff aus Iran hatte Nasrallah seinerzeit gesagt, dass einige libanesische Politiker die USA mehr fürchten als Gott. Der erste iranische Öltanker legte daher in einem syrischen Hafen an, um den libanesischen Staat nicht in Verlegenheit zu bringen und womöglich Sanktionen gegen den Libanon zu provozieren.
Seit Ende 2019 hat Israel laut dem Wall Street Journal iranische Öltanker in der Region ins Visier genommen, um diese durch den Einsatz von Waffen wie Seeminen auf ihrem Weg nach Syrien im Roten Meer und in anderen Gebieten der Region zu treffen. In letzter Zeit reagierte Iran jedoch auf jeden Angriff auf seine Tanker und Interessen in der Region entsprechend. Insofern war der israelischen Regierung durchaus bewusst, dass auf jegliche Aggression der US-Verbündeten gegen den iranischen Öltanker in Richtung Libanon eine Reihe von Vergeltungsangriffe Irans und seiner Verbündeter folgen können.
Der mutmaßliche Drohnenangriff auf den israelischen Öltanker MT Mercer Street im Indischen Ozean heizte Ende Juli den Konflikt zwischen Israel und Iran an. Dieser Angriff soll eine Antwort auf einen vorher erfolgten israelischen Luftangriff auf einen syrischen Flughafen gewesen sein, bei dem ein Mitglied der Iranischen Revolutionsgarde und möglicherweise auch ein Hisbollah-Funktionär getötet wurde.
Nach der Treibstofflieferung durch Iran prahlen inzwischen proiranische Medien wie Al-Mayadeen und Press TV damit, dass Iran die USA und deren Partner durch seine "Achse des Widerstands" schrittweise aus der Region vertreibt. Zu dieser Achse gehören die Hisbollah im Libanon, die Syrisch-Arabische Armee (SAA), die Ansarollah im Jemen und proiranische Milizen im Irak.
Unabhängig davon, ob es Iran gelingt, die USA und deren Verbündete aus dem Libanon zu vertreiben, um seinen Einfluss im Zedernstaat weiter auszubauen, ist dabei bemerkenswert, dass diese Treibstofflieferung aus Iran – trotz der US-Drohungen – Washington dazu bewegte, indirekt mit seinem alten Feind, dem syrischen Präsidenten Baschar al-Assad, zusammenzuarbeiten. Nach Nasrallahs Ankündigung des Imports von iranischem Treibstoff hatte die US-Botschaft in Beirut prompt mitgeteilt, dass die Biden-Regierung dem Libanon beim Erwerb von Gas aus Ägypten helfen wolle. Diesem neuen westlichen Vorhaben zufolge soll Gas aus Ägypten per Pipeline über Jordanien und Syrien zu einem Kraftwerk im Nordlibanon gepumpt werden. Der Schritt erfordert jedoch ein gewisses Maß an Zusammenarbeit zwischen den regionalen Verbündeten der USA und der Regierung Assad in Syrien. Da die US-Partner Ägypten und Jordanien bei dem Vorhaben mit der syrischen Regierung kooperieren, befreite Washington die beiden Länder bereits vom Verbot, Geschäfte mit Damaskus zu machen, und ebnete damit den Weg für das Treffen der Energieminister des Libanon, Jordaniens, Ägyptens und Syriens in der jordanischen Hauptstadt Amman am 8. September.
Die Angst vor dem wachsenden Einfluss Irans im Libanon brachte die USA faktisch von der vollständigen Einhaltung der harten Sanktionen gegen Syrien ab. Nach der gescheiterten Militäroperation der Dschihadisten in Syrien unterzeichnete der ehemalige US-Präsident Donald Trump im Dezember 2019 das sogenannte "Caesar-Gesetz zum Schutz der syrischen Zivilisten". Mit der harten Sanktionierung syrischer Institutionen und Einzelpersonen wollen die USA die Zusammenarbeit zwischen Syrien und seinen Verbündeten beim Wiederaufbau des Landes verhindern und die Regierung Assad in die Knie zwingen. Das sogenannte "Caesar-Gesetz" betrifft insbesondere Drittstaaten, die mit Syrien Handel treiben, insbesondere den Libanon, der ohnehin unter der Wirtschaftskrise leidet. Die US-Regierung hat die Sanktionen, die sie gegen Syrien verhängt hat, so konzipiert, dass sie einen Wiederaufbau unmöglich machen. Die Sanktionen zielen auf den Bau-, Strom- und Ölsektor ab, die unerlässlich sind, um Syrien wieder auf die Beine zu bringen.
Dass die USA sich nun auf Syrien verlassen, um Einfluss Irans im Libanon einzudämmen, stellt zum einen eine Erfolgsgeschichte für die Hisbollah dar, die es geschafft hat, die Blockade gegen Beziehungen zwischen Syrien und dem Libanon zu brechen. Zum anderen zeigt sich dadurch das wahre Gesicht des Westens, dem es unter dem Deckmantel des "Demokratie"-Exports in erster Linie um eigene Interessen geht.
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