Grüne hui, Rest pfui? – Medienlieblinge im Wahlkampf
von Arthur Buchholz
Wer sich im deutschen Fernsehen, besonders im Öffentlich-Rechtlichen Rundfunk, über aktuelle politische Positionen informieren will, kommt an die sogenannten "Big 4" der Polittalkshows kaum vorbei: "Anne Will", "Maischberger", "hart aber fair" und "Maybrit Illner". Zunehmend drängt auch Markus Lanz in die Reihe der Erlauchten. Jede Woche treten diese Sendungen, mal bei ARD, mal bei ZDF, mit dem Anspruch auf, die Zuschauer über aktuelle Themen umfassend zu informieren.
Doch es gehört schon seit einer Weile zur Realität der deutschen Medienlandschaft, dass sich der öffentlich-rechtliche Rundfunk nicht annähernd an die gesetzlichen Vorgaben des Medienstaatsvertrags hält. Dort heißt es in Paragraf 11:
„(1) Auftrag der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten ist es, durch die Herstellung und Verbreitung ihrer Angebote als Medium und Faktor des Prozesses freier individueller und öffentlicher Meinungsbildung zu wirken und dadurch die demokratischen, sozialen und kulturellen Bedürfnisse der Gesellschaft zu erfüllen. Die öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten haben in ihren Angeboten einen umfassenden Überblick über das internationale, europäische, nationale und regionale Geschehen in allen wesentlichen Lebensbereichen zu geben.“
Doch seit geraumer Zeit lässt sich das Phänomen der "Medienentfremdung" bei den Zuschauern feststellen. Wer regelmäßig bei Talkshows einschaltet, kennt das Problem: immer wieder die gleichen Köpfe mit der immer gleichen Botschaft diskutieren miteinander.
Die Mainzer Langzeitstudie zum Medienvertrauen stellte im Jahr 2018 fest: "Der Eindruck fehlender Repräsentation in der Berichterstattung und mangelnder Responsivität des Journalismus mit Blick auf möglicherweise kulturell und sozial anders eingebettete Menschen, die nicht zu den Kommunikationseliten in diesem Land zählen, führt zu steigender Entfremdung."
Aber auch die Themensetzung bestimmt die Zusammensetzung der Diskussionsrunde.
Besonders in "Krisenzeiten" konzentrieren sich Formate auf einige wenige Themen. An 66 von 108 Abenden sahen die Zuschauer Diskussionen zu Corona. Danach kam die US-Wahl mit acht Sendungen, der Klimaschutz mit vier Sendungen kommt an Platz Drei noch vor den Themenkomplexen Wahl in Thüringen, Nawalny und Migration. Auch die Bundestagswahl rückte stärker in den Vordergrund.
Altmaier und Lauterbach sind Dauergäste
Damit wurden einige Kandidaten und "Experten" zu Dauergästen gemacht, andere verloren an Präsenz.
Im Coronajahr 2020 waren mit je 14 Besuchen Peter Altmaier und Karl Lauterbach am häufigsten vertreten. Im Jahr davor hatte Lauterbach nur drei Auftritte. Auch Olaf Scholz, Markus Söder und Armin Laschet haben ihre Präsenz im Jahr 2020 mehr als verdoppelt und kamen auf die Plätze Drei, Vier und Sechs. Annalena Baerbock war im Jahr 2019 noch Spitzenreiterin mit zehn Auftritten. Obwohl sie 2020 genauso oft im Fernsehen zu sehen war, rutscht sie damit auf Platz Fünf.
Wichtiger als die Häufigkeit einzelner Gäste könnte aber noch die Zugehörigkeit zu Parteien sein. Eine Analyse des Redaktionsnetzwerks Deutschland zeigte für das Jahr 2019: Die CDU kommt auf einen Besuchsanteil von 34 Prozent, danach kommt die SPD mit 23 Prozent. Dies entspricht ziemlich genau der Verteilung der Parteien im Bundestag mit jeweils 34,7 und 21,4 Prozent. Auch FDP, Linke werden gemäß ihrer Stärke im Bundestag repräsentiert. Ausnahmen gibt es für zwei Parteien: Die Grünen und die AfD.
Obwohl die selbsternannte Umweltpartei im Bundestag auf derzeit 9,5 Prozent kommt, war sie mit 17,2 Prozent fast doppelt so häufig im Talkshows vertreten. Bei der AfD ist es entgegengesetzt: Sie hat 12,8 Prozent der Sitze im Bundestag inne, konnte aber nur 5,2 Prozent Anteil im Fernsehen ergattern.
Doch was ist mit anderen Gästen? Politiker machen mit 42 Prozent den Großteil der Gäste, so die Studie "Die Talkshow-Gesellschaft" des Think Tanks "Das Progressive Zentrum", welche die Sendungen der "Big 4" vom Jahr 2017 an untersucht hat.
Bei Gästen aus der Wirtschaft dominierten die Unternehmen und Branchenverbände mit 74 Prozent Anteil. Der Rest verteilt sich auf Arbeitgeberverbände, Gewerkschaften und Verbraucherorganisationen.
Bei Gästen aus der Zivilgesellschaft überwiegen seit 2018 Vertreter aus dem Aktivismus. NGOs und lokale Initiativen kommen selten zu Wort. Besonders das Thema "Klimaschutz" förderte Einladungen von Aktivisten, hauptsächlich aus der Bewegung "Fridays for Future". Andere Plattformen bürgerlichen Engagements kommen jedoch so gut wie gar nicht ins Rampenlicht. Die Auswahl der Redaktionen folgt schließlich auch einem medienökonomischen Prinzip: bekannt und eloquent verspricht gute Einschaltquoten. Jeder neue Gast stellt für den reibungslosen Ablauf und für die "Qualität" der Sendung erstmal ein Risiko dar.
"Hauptstadtjournalismus trifft auf Hauptstadtpolitik"
Was zu einem anderen Thema führt: dem politischen Bias von öffentlich-rechtlichen Redaktionen.
Eine mittlerweile zehn Jahre alte Studie der FU Berlin zeigt, dass Medienvertreter in Deutschland deutlich links der Mitte einzuordnen sind. Gut 26,9 Prozent fühlten sich den Grünen, 15,5 Prozent der SPD und 4,2 Prozent den Linken verbunden, während sich der CDU/CSU und der FDP nur 9 Prozent und 7,4 Prozent nahe sahen. Mehr als jeder Dritte fühlte sich aber keiner Partei zugehörig.
Obwohl auch ältere Studien aus den Jahren 2005 und 1993 zu ähnlichen Ergebnissen kommen, wird der Linksdrall in Redaktionen gerne bestritten. Entlarvend war eine Untersuchung aus dem Jahr 2020, die die politische Einstellung von ARD-Volontären, also dem journalistischen Nachwuchs untersuchte: Würden nur sie wählen, käme Rot-Rot-Grün auf einen Stimmenanteil von 92 Prozent. Mehr als 57 Prozent votieren für die Grünen, 23,4 Prozent für die Linkspartei, 11,7 Prozent für die SPD, die Union landet bei drei, die FDP bei 1,3 Prozent.
Wie neutral kann der Journalismus sein, wenn in den Redaktionen ein politischer Geist dominiert? In den sozialen Medien zeigt sich immer öfter die allzu menschliche Begeisterung für bestimmte Parteien. Etwa die Freude von Tina Hassel, Chefin des ARD-Hauptstadtstudios, für Robert Habeck und die Grünen.
#Baerbock wird mit viel Applaus zur Wahl getragen, beim Rennen um #Parteivorsitz. Erfrischend lebendig, angesichts der lahmen #Groko Protagonisten #bdk18pic.twitter.com/gmWIUktvuj
— Tina Hassel (@TinaHassel) January 27, 2018
Auch die vehemente Verteidigung von Annalena Baerbocks Bildungsstand durch einen Redakteur der ARD. Ein Twitternutzer schrieb als Reaktion auf die Sendung Maischberger: „Dass Politiker traditionell keine Fachkenntnisse besitzen, ist hinlänglich bekannt. Die Grünen haben es allerdings salonfähig gemacht, politische Ämter auch ohne Allgemeinbildung zu besetzen.“
Das Erste antwortete darauf: „Wie kommen Sie dazu, dass Frau Baerbock nicht gebildet ist? Schauen Sie sich die Ausbildung der Frau an. Wenn das keine Bildung ist...“
Die ARD hat nach heftiger Kritik den Tweet gelöscht und entschuldigte sich: "Wir haben unsere Antwort vom 1. Mai auf den Tweet zur Bildung von Politikern gelöscht, weil sie nichts mit dem Programm des Ersten zu tun hat. Wir bitten um Entschuldigung."
Angesichts dieser Bedingungen sind die Hoffnungen auf eine ausgewogene politische Darstellung in den öffentlich-rechtlichen Medien vergeblich. Es wird auch weiterhin bei der griffigen Formel "Hauptstadtjournalismus trifft Hauptstadtpolitik" bleiben.
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