Zensur zum Tragen: Was nicht einmal auf T-Shirts gesagt werden darf
von Dagmar Henn
Jeder kennt den Ärger mit Facebook. Da wird groß von "Community", Gemeinschaft, gefaselt und von Moral und gegen Hass, und dann wird rigide für die NATO zensiert, was ganz nebenbei auch bedeutet, dass der schlimmste Nazi noch posten darf, wenn er nur Ukrainer oder Balte ist.
Im Grunde ist das ein privatisierter öffentlicher Raum, eine Agora mit Grundbesitzer, der sich das Recht vorbehält, zu entscheiden, wer seinen Boden betreten darf und wer nicht, ohne aber die Behauptung, es handele sich um öffentlichen Raum, zu unterlassen. Die Auseinandersetzung um die Öffentlichkeit des Internets in all seinen Ausprägungen ist global und noch lange nicht beendet.
Das Beispiel, das Facebook gesetzt hat, macht aber auch in ganz anderen Bereichen Schule, in denen man das nicht erwarten würde. Inzwischen werden nämlich selbst T-Shirts zensiert, zumindest bei der Leipziger Firma Spreadshirt.
Die übrigens die gleiche Täuschung vollzieht wie Facebook. Auf dem Portal, auf dem man bedruckte Kleidung bestellen kann, ist die Rede von "Community", und es gibt wie bei Facebook "Community Standards", als sei das irgendein Club, dem man beitritt, wenn man ein Hemd bedruckt haben will. Daneben aber ist dieser Laden längst Teil eines globalen Konzerns mit 130 Millionen Euro Umsatz, der sich "das führende globale Unternehmen im Druck on-Demand" nennt. Wir reden hier also nicht von einer kleinen Klitsche in einem Hinterhaus, sondern von einem Konzern mit Sitz in mehreren Ländern, der seine Vorstandsmitglieder standesgemäß "Chief Officer" nennt und der längst überwiegend in Polen und Tschechien produziert.
Ja, Unternehmen dürfen das, die Ausführung bestimmter Aufträge verweigern. Die Firma Spreadshirt könnte auch schlicht sagen, diesen oder jenen Text wollen wir nicht drucken. Wenn dann die Auswahl dessen, was erlaubt und was verweigert wird, verrückt ist, ist das auch noch in Ordnung; ob das eine vernünftige Geschäftsentscheidung ist, erweist dann schlicht die Zukunft.
Aber Spreadshirt ist ein Konzernteil, der so tun will, als sei er keiner, so wie Facebook. Also wird statt dem schlichten "das drucken wir nicht" eine Moralarie angestimmt und der Kunde mit dem Kunstgriff der "Community", der Volksgemeinschaft der bedruckten Textilie, gleich zum Komplizen gemacht.
Und wie bei Facebook bleiben die Entscheidungen darüber, was zulässig ist und was nicht, undurchschaubar. "Wir sind Verfechter der freien Meinungsäußerung und ihrer Möglichkeit, Menschen weltweit zu beflügeln, zu bereichern und in ihren Anliegen zu bestärken." Das ist ziemlich aufgeblasen für einen Stoffdruckdienstleister, und, wie sich an den Gemeinschaftsstandards zeigt, weit ab von der Wirklichkeit.
Zugestandenermaßen, dieses Geschwalle hat eine Vorgeschichte. Weil Wikipedia in solchen Zusammenhängen meist Mittäter ist, kann man deren Darstellung getrost zitieren: "In einem Artikel in der taz wurde offengelegt, dass 'Reconquista' (rcqt) rechtsextremistische Devotionalien in einem Spreadshirt-Shop angeboten hatte. Der Shop wurde von Spread Group 2008, nachdem dies bekannt wurde, geschlossen. Darüber hinaus hat PI-News bis 2011 auch einen 'PI-Shop' bei Spread Group betrieben und darin T-Shirts mit antimuslimischen Motiven angeboten. Spread Group hatte eine Schließung des Shops mehrfach erwogen, aber mit dem Hinweis auf 'Meinungsfreiheit' abgelehnt. Im Oktober 2011 wurde der Shop allerdings ebenfalls geschlossen. (...) Im Mai 2020 geriet Spread Group in die Kritik, da auf der Plattform mehrere Produkte angeboten wurden, welche ein Design trugen, das an einen Judenstern erinnert. Die Sterne waren mit der Aufschrift 'Nicht geimpft' versehen. Nach einem Shitstorm in den Sozialen Medien entfernte das Unternehmen die Produkte aus seinem Angebot."
Hier muss man jetzt mehrere Aspekte voneinander trennen. Der erste: Es macht einen Unterschied, ob eine Firma etwas druckt oder ob sie eine Plattform betreibt, auf der andere ihre eigenen Designs anbieten. Die Verweigerung, die Plattform anzubieten, hat eine andere Qualität als die Weigerung, die bedruckten Textilien herzustellen. Je dominanter die Marktstellung des Herstellers ist, desto gravierender ist die Ablehnung der Herstellung.
Der nächste Punkt ist die Frage der Strafbarkeit. Wenn eine Aussage strafbar ist, ist eine Ablehnung logisch, weil in diesem Fall auch der Hersteller sich strafbar machen würde. Beim ersten beschriebenen Fall dürfte das zutreffen, schon beim zweiten nicht. Schlechter Geschmack, auch politisch schlechter Geschmack wie beim letzten von Wikipedia zitierten Fall, ist nicht strafbar.
Der zweite Fall bezog sich auf ein T-Shirt mit der Aufschrift "Sarrazin statt Muezzin". Das ist keine strafbare Aussage, so unangenehm Thilo Sarrazin als Person auch ist. Als das Thema 2010 aufkam, äußerte sich die Firma noch tatsächlich so, wie es dem Grundrecht auf Meinungsfreiheit (nicht Wahrheitsfreiheit!) entspricht: "Ein Motiv wie 'Sarrazin statt Muezzin', ist, wie Fefe schreibt, für manche wider-lich, aber wäre für uns wahrscheinlich keine Grundlage, einen Shop zu sperren. Ganz einfach, weil es innerhalb der Meinungsfreiheit tolerierbar sein muss." Ein Jahr später wurde der Shop auf der Plattform geschlossen.
Wie gesagt, in all diesen Fällen ging es um virtuelle Läden, die im Rahmen der von Spreadshirt zur Verfügung gestellten Plattform die entsprechenden Hemden verkauften. Und handelsrechtlich ist eine solche Verweigerung einer Dienstleistung absolut zulässig.
Inzwischen, über zehn Jahre nach der ersten Auseinandersetzung, macht sich allerdings die Firma selbst zum Entscheider über zulässige und unzulässige Meinungen. Ein Shirt mit der Aufschrift "Ungeimpft" kann nicht bestellt werden; die Antwort, die das System auswirft, lautet: "'Ungeimpft' dürfen wir nicht drucken."
"Impfverweigerer" geht übrigens. Und auch sonst ist die Auswahl seltsam. Man kann keine Shirts mit den Namen Goebbels und Göring bestellen (sorry, Frau Göring-Eckardt), aber Hitler, Himmler, Eichmann und Heydrich gehen sehr wohl.
"Querdenker" geht nicht, "Reichsbürger" geht, und welche monströsen Untaten Xavier Naidoo vollbracht haben soll, dass er auf der schwarzen Liste steht, aber Himmler nicht, bleibt ein ewiges Rätsel.
Die Bezeichnungen für das männliche Geschlechtsteil sind sämtlich unproblematisch, beim weiblichen reagiert die Plattform selektiv.
Wohlgemerkt, wir reden hier vom Bedrucken von Hemden, nicht davon, sie auf der Plattform anzubieten. Letztlich ist es immer der Besteller bzw. der Träger, der die Aussage macht, und zwar in dem Moment, wo das Hemd in der Öffentlichkeit getragen wird.
Wie sich an diesen wenigen Beispielen sehen lässt, folgt die Auswahl keiner Logik. Es gibt auch keine einsehbare Liste, auf der man erkennen kann, was als akzeptabel gilt und was nicht, geschweige denn, dass transparent wird, wer für diese Liste verantwortlich ist. Auf entsprechende Nachfrage von RT DE hat die Firma nicht reagiert.
Vielleicht ist Spreadshirt so konformitätssüchtig, weil es sich die Stadt des Unternehmenssitzes mit der größten Szene zensurfreudiger Antideutscher teilen muss. Die Konkurrenten jedenfalls bedrucken nach wie vor einfach Hemden und erheben sich nicht zu Richtern über die Zulässigkeit einer auf einem Hemd getroffenen Aussage.
Die Moralität eines Unternehmens bemisst sich an ganz anderen Fragen, wenn man sich unbedingt auf eine solche Debatte einlassen will. Ob die Mitarbeiter ordentlich bezahlt und ihre Vertretungsrechte respektiert werden beispielsweise. Ob Arbeitsschutz- und Umweltvorschriften eingehalten werden (in diesem konkreten Fall beträfe das den Umgang mit Lösungsmitteln). Und weder Hersteller und Kunde noch Firmenbesitzer und Mitarbeiter bilden irgendeine Form von Gemeinschaft, sie haben nämlich gegensätzliche Interessen.
Spreadshirt wirkt wie ein Blick in die Zukunft – eine kleine, geradezu pietistisch moralische Volksgemeinschaft, in der das Sagbare von unbekannten und unkontrollierbaren Regeln begrenzt wird und alle realen Widersprüche mit einer Tunke von Wohlanständigkeit übertüncht werden. Bleibt nur zu hoffen, dass wenigstens die polnischen und tschechischen Mitarbeiter davon verschont bleiben.
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