Am Mittwoch haben sich erstmalig der russische Präsident Wladimir Putin und US-Präsident Joe Biden am Genfersee getroffen. Moskau wertete die Gesprächsbereitschaft Bidens als ein positives Signal. Den beiden Staatschefs blieben nur drei Stunden, um die lange Liste an Konfliktthemen und Differenzen anzusprechen. Zuvor waren fünf Stunden angesetzt worden.
Bei den Treffen fehlte die gemeinsame Pressekonferenz der beiden Staatschefs. Dies war bereits im Vorfeld angekündigt worden. Kritische Stimmen werteten dies so, dass Biden hiervon abgeraten worden sei. Zu groß die Sorge, dass Biden eine schlechte Figur abgeben könnte. Hatte doch der vorausgegangene G-7-Gipfel die Probleme des US-Präsidenten gezeigt, auf Fragen von Journalisten antworten, auf die er sich nicht vorbereiten konnte.
Der ehemalige deutsche Botschafter und einstiger Bürochef von Hans-Dietrich Genscher, Frank Elbe, äußerte sich gegenüber RT zu dem Treffen. Er beginnt das Gespräch mit dem positiven Eindruck, dass beide Staatsmänner freundlich aufeinander zugegangen sind.
Dies habe er in seiner diplomatischen Karriere gelernt.
"Es ist ungeheuer wichtig, eine persönliche Zuneigung allmählich aufzubauen."
"Wir brauchen solche kleinen Schritte nach den Verritzungen, die sich beide Seiten zweifelsfrei zugefügt haben."
Seit Mitte der 90er-Jahre habe sich das Verhältnis zwischen den USA und Russland verschlechtert. Beide Parteien müssten Anstrengungen unternehmen, damit eine Eskalation ausbleibt und keine nuklearen Waffen eingesetzt werden. Ein ausführlicher Dialog sei notwendig. Elbe stellt das konkrete Ergebnis der Einsetzung der Botschafter als positiv dar. Aber die Interessen Europas unterschieden sich von denen der US-Amerikaner. Dies sei einfach auf die geografische Lage zurückzuführen:
"Europa ist Teil der eurasischen Landmasse. Wir sind angewiesen auf eine gute Zusammenarbeit mit Russland und den früheren Staaten der Sowjetunion. Unsere Zukunft hängt von einem guten Verhältnis ab. Wenn unsere amerikanischen Freunde dies nicht verstehen, werden wir in der Zukunft große Probleme haben."
Europa müsse hier den Mut aufbringen, seinen eigenen Weg zu gehen. Die Zusammenarbeit der USA vom russischen Vladivostok bis hin zum kanadischen Vancouver kann von "ganz großen wirtschaftlichen und politischen Nutzen für die USA sein". Das Verhalten der USA kann er hier nicht nachvollziehen. Die Sanktionen, soweit sie mit der Ukraine zusammenhängen, müssen nach seinem empfinden gelockert werden. Sie machten nur dann Sinn, wenn sie angemessen und adäquat sind. Dies könne man bei den westlichen Sanktionen wirklich nicht mehr behaupten.
Die Sanktionen würden in einem "apathischen Rhythmus" alles sechs Monate erneuert, ohne dass man sich um eine politische Lösung bemüht. Das Problem aber sei, dass das Sicherheitsdenken, was die Bedrohungen angeht, sehr diffus geworden ist. Dabei nannte er die wechselseitigen Vorwürfe von Cyberangriffen, Giftgasanschlägen und die Einmischung in inneren Angelegenheiten eines anderen Staates.
Weniger diplomatisch fiel die Bewertung des Transatlantik-Koordinators Peter Beyer (CDU) aus:
"Der Westen muss eine gute Balance finden zwischen Druck und Dialog im Umgang mit Russland. Biden ist hier auf einem guten Weg. Er wird Putin nichts durchgehen lassen, er spricht Missstände wie die Ukraine oder den Fall Nawalny offen an. Putin nimmt Biden ernst, das hat man gemerkt."
Der russische Präsident Wladimir Putin resümierte, es habe keine Feindseligkeiten bei dem Treffen gegeben.
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