von Maria Müller
Überraschende Untersuchungsergebnisse von Antikörperreaktionen nach der ersten und der zweiten Impfung erlaubten es, die bisherige Strategie zu ändern.
In einer offiziellen Erklärung heißt es, dass man mit der Entscheidung versuche, "so viele Menschen wie möglich mit der ersten Dosis zu impfen, um den Nutzen der Impfung zu maximieren und die Krankenhausaufenthalte und die Sterblichkeit zu verringern".
Russland lieferte bis zum 28. März über fünf Millionen Dosen des Impfstoffs nach Argentinien mit seinen knapp 45 Millionen Einwohnern.
Neue Forschungsergebnisse
Der Beschluss stützt sich auf eigene Forschungsergebnisse über die von Sputnik V verursachte Antigenreaktionen. Eine wissenschaftliche Studie mit Krankenhauspersonal in sieben Hospitälern des Großraumes Buenos Aires zeigte ermutigende Ergebnisse.
"Die Ergebnisse der Studie zeigen, dass Personen, die zuvor dem Virus ausgesetzt waren und vor Beginn der Impfung Antikörper besaßen, nach einer Dosis des Sputnik V-Impfstoffs eine schnelle Immunreaktion zeigen. Sie produzierten sogar nach Erhalt von zwei Dosen des Impfstoffs weit höhere Antikörperwerte als die nicht infizierten Personen",
sagte Andrea Gamarnik vor der Presse. Sie ist Leiterin des Labors für molekulare Virologie der Leloir Institute Foundation(FIL) und leitende Forscherin beim Nationalrat für Wissenschaftliche und Technische Studien (CONICET).
Jorge Geffner, ein anderer Mitarbeiter des Teams und Wissenschaftler am Institut für biomedizinische Forschung(INBIRS), führte weiter aus:
"Diese Ergebnisse legen nahe, dass eine frühere Infektion ein immunologisches Gedächtnis erzeugt. Es wird durch die erste Dosis von Sputnik V aktiviert. Dadurch entsteht ein im Vergleich zu nicht infizierten Personen erhöhtes Antikörperniveau."
Außerdem ergab die Untersuchung, dass 21 Tage nach der zweiten Dosis von Sputnik V bei sämtlichen Testprobanden eine Antikörperproduktion gegen das Spike-Protein vorhanden war.
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Die noch andauernde Testreihe soll Klarheit darüber verschaffen, mit welchem Anteil von Antikörpern das Virus praktisch neutralisiert wird. Außerdem will man herausfinden, wie lange die Immunität anhält. Dafür prüft man im Verlauf eines Jahres weitere Blutproben der geimpften Testpersonen.
Das Gesundheitsministerium des Großraumes Buenos Aires, das Institut für Biomedizinische Forschung (INBRIS), das Institut für Immunologische und Physiopathologische Studien der Universität von La Plata (UNLP) sowie das Ministerium für Wissenschaft und Technologie (Minzyt) nehmen an dem Projekt teil.
Veränderte Strategie: Erstimpfung vorrangig
Aufgrund dieser Resultate hat man in Argentinien beschlossen, die gegenwärtig im Land verfügbaren Medikamente vor allem für die Erstimpfung einzusetzen. Erst nach rund drei Monaten soll die Zweitimpfung beginnen. Gerade auch die mehr als zwei Millionen bereits wieder genesenen Personen seien aufgrund ihrer früheren Virusinfektion nach der Erstimpfung bis zu sechs Monate lang bestens geschützt.
Die zuvor noch nicht infizierten Erstgeimpften weisen danach eine graduelle Immunität auf und können bei einer leichten Infektion sogar zusätzliche Antikörper entwickeln. Man hofft, dadurch eine breiter wirkende Immunisierung in der Gesamtbevölkerung zu erreichen. Allerdings will man beim Personal im Gesundheitswesen wiederum eine Ausnahme machen, da es höheren Ansteckungsgefahren ausgesetzt ist. Hier soll der bisherige Impfabstand von drei Wochen bis zur zweiten Dosisverabreichung eingehalten bleiben.
Argentinien verfügt neben den gut fünf Millionen Dosen dieses russischen Vakzins nun auch über eine Million Impfstoffdosen des chinesischen Vakzins von Sinopharm. Ebenfalls am 28. März kamen 218.400 Dosen von AstraZeneca mit Hilfe der internationalen COVAX-Verteilung an.
Laut einer Meldung der Agentur TELAM vom 27. März erhielten 2.908.932 argentinische Bürger eine erste Impfdosis und 661.528 beide Impfungen.
Die Virologin Dr. Gamarnik wies darauf hin, dass es inzwischen auch neue Arbeiten dieser Art über die Impfstoffe von Pfizer/BioNTech und Moderna gibt. Sie hätten gezeigt, dass die Antikörperreaktion nach der Erstimpfung bei zuvor mit COVID-19-Infizierten so stark sei, dass eine zweite Dosis womöglich überflüssig werde.
Details der Sputnik-V-Studie
In der ersten Phase der Studie wurde die Immunreaktion von 142 Testpersonen im Alter von 18 bis 59 Jahren mit Tätigkeiten im medizinischen Bereich analysiert. Sie arbeiten in sieben öffentlichen Krankenhäusern in der Provinz Buenos Aires. Davon haben 22 zuvor eine Coronavirus-Infektion durchgemacht.
Laut Testprotokoll wurden Blutproben vor der Erstimpfung, dann 21 Tage nach der ersten Dosis und 21 Tage nach der zweiten Dosis genommen. Nach 120 und 180 Tagen sichert man weiteres neues Material. Für die Bestimmung der Antikörper dient der Test COVIDAR IgG.
Im Verlauf des Projekts analysierte man 600 Blutproben und nutzte über 3.000 Daten zur Quantifizierung von Antikörpern vom Typ IgG gegen das Spike-Protein des Virus. Ausserdem ging es um die Quantifizierung von Antikörpern im Blut der Probanden gegen eine Infektion.
Nach der ersten Dosis von Sputnik V steigerte sich die Immunantwort gegen das Virus in der Gruppe mit vorherigen Infektionen bis zu einem Wert von 12.800. In der anderen Gruppe ohne vorherige Infektion war der Mittelwert 200, er erhöhte sich nach der zweiten Dosis auf den Wert 1.600. Bei der Gruppe mit vorheriger Infektion gab es keine signifikante Steigerung mehr nach der zweiten Impfung.
Der neunte Beobachtungsbericht über die Impfungen
Am 15.März veröffentlichten die Gesundheitsbehörden Argentiniens ihren neunten Sicherheitsbericht.
Die Daten stammen aus dem Beobachtungs- und Meldesystem EVASI, womit Daten über das Impfgeschehen online in eine Plattform eingegeben werden können. Seit Beginn der Impfungen bis zum 3. März 2021 wurden hier 23.642 Meldungen übermittelt und aggregiert.
Bis dahin zählte man insgesamt 1.181.292 verabreichte Dosen, davon 951.722 mit Sputnik V, 228.665 mit Covishield von AstraZeneca und 905 Dosen von Sinopharm. Von den 23.642 gemeldeten Nebenwirkungen (ohne Differenzierung zwischen den einzelnen Impfstoffen) waren 99,4% Fälle leicht oder moderat. In 143 Fällen (0,62%) kam es zu schweren Reaktionen, die eine Krankenhausbehandlung erforderten.
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Darunter waren fünf Fälle von Anaphylaxie, einer allergischen Extremreaktion. Weitere Erkrankungen, deren jeweilige Häufigkeit innerhalb der Gesamtzahl nicht angegeben ist, werden genannt. Zumindest ein Todesfall durch plötzliches Herzversagen, eine Lungenthrombose und ein akutes Herzsyndrom. In der Statistik sind sie als "nicht von der Impfung verursacht" gekennzeichnet. Weitere 99 Fälle sind noch nicht abschließend geklärt.
Im gleichen Dokument befindet sich eine Tabelle mit Vergleichsdaten von Impfnebenwirkungen mehrerer Länder.
USA bis zum 27.1.2021:
Pfizer/BioNTech: 12.153.536 Impfungen; 8,1% schwere Fälle, 91,9% leichte und moderate Fälle.
Moderna: 9.689.437 Impfungen; 21,8% schwere Fälle,78,2% leichte und moderate Fälle.
Kanada bis zum 12.2.2021:
Pfizer/BioNTech: 1.331.850 Impfungen, 22,2% schwere Fälle, 77,8% leichte und moderate Fälle.
Moderna: 520.000 Impfungen, 6% schwere Fälle, 94% leichte und moderate Fälle.
Großbritannien bis zum 11.02.2021:
Pfizer/BioNTech: 8.000.000 Impfungen, keine Angaben über Nebenwirkungen
AstraZeneca: 5.000.000 Impfungen, keine Angaben über Nebenwirkungen
Spanien bis zum25.01.2021:
Pfizer/BioNTech: 494.799 Impfungen, keine Angaben über Nebenwirkungen
Chile bis zum 31.12.2020:
Pfizer/BioNTech 8.648 Impfungen; 3,5% schwere Fälle; 96,5% leichte und moderate Fälle.
Nirgendwo werden darin Todesfälle aufgelistet.
Zum Vergleich Argentinien bis zum 03.03.21
Sputnik V, AstraZeneca, Sinovac: 1.181.292 Impfungen; schwere Fälle 0,62 %; leichte und moderate Fälle 99,4%; Mindestens ein Todesfall.
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