Meinung

Wie die Süddeutsche Zeitung einem Mitarbeiter von RT DE den Schauprozess macht

RT DE-Reporter Florian Warweg, bekannt als unbequemer Fragesteller in der Bundespressekonferenz (BPK), beantwortete schriftlich mehrere Fragen der Süddeutschen Zeitung (SZ). Er hätte es besser gelassen – denn seine dunklen Vorahnungen wurden leider bestätigt.
Wie die Süddeutsche Zeitung einem Mitarbeiter von RT DE den Schauprozess machtQuelle: www.globallookpress.com © RT DE/www.imago-images.de

von der Redaktion

"Bitte unterschreiben Sie hier!" – das hätte eigentlich genügt. Warum sich die Süddeutsche Zeitung noch die Mühe gemacht hat, unserem RT DE-Kollegen Florian Warweg eine ganze Reihe von Fragen zu schicken, wird für immer ihr Geheimnis bleiben. Vielleicht wollte man in München zumindest den Schein wahren und nicht den Eindruck einer schon feststehenden Verurteilung erwecken. Dabei stand das Urteil schon lange fest, Warweg musste nur noch seine Unterschrift darunter setzen. So wie immer, wenn es um RT DE geht. Ein reiner Schauprozess.

Unser geschätzter Kollege mag sich nach der Lektüre des am Donnerstag-Abend auf süddeutsche.de (leider hinter einer Bezahlschranke) erschienenen Artikels vorgekommen sein wie Josef K. in Franz Kafkas "Der Prozess": "Jemand musste Florian W. verleumdet haben, denn ohne dass er etwas Böses getan hätte, wurde er eines Morgens verhaftet." Die Überschrift des Artikels in der SZ gibt den Takt des ganzen Artikels vor: "Störsender". Das ist nur einen halben Seitausfallschritt von "Feindsender" entfernt, mit dem die BILD-Zeitung 2019 RT DE betitelte.

Anschließend wird in dem Artikel der SZ die Arbeit des Journalisten Boris Reitschuster und unseres Kollegen Florian Warweg im Rahmen der Bundespressekonferenz "beurteilt". Nach dem Motto: "Die Bundespressekonferenz ist einzigartig: Journalisten befragen und kontrollieren dort die Regierung. Doch manche missbrauchen die Veranstaltung für Propaganda und Verschwörungsmythen", wie uns der Teaser wissen lässt. Um zu verstehen, wie perfide die SZ dann in ihrem Artikel vorgeht, muss man aber zunächst das schriftliche Interview kennen, das Florian Warweg mit der SZ geführt hat. Deswegen bringen wir der Transparenz halber hier die ungekürzten Fragen und Antworten dieses Interviews. Das ist leider sehr lang, aber das Lesen lohnt sich – versprochen:

Was halten Sie von der Bundespressekonferenz als Institution?

Die Institution selbst der BPK ist weltweit in ihrem Format einmalig. Darauf kann der Verein BPK auch tatsächlich stolz sein, insbesondere was die Regierungspressekonferenzen betrifft. Die Sprecher aller Ministerien und der Kanzlerin dreimal die Woche zu wirklich allen Themen befragen zu können, moderiert von Journalisten ohne institutionelle Abhängigkeit zu den Sprechern, ist zweifelsfrei eine erhaltens- und verteidigungswerte Errungenschaft in der bundesdeutschen Medienlandschaft. Dass die BPK zudem mittlerweile auch freien Journalisten und Bloggern offensteht (wie z.B. Tilo Jung oder Boris Reitschuster) und nicht nur Journalisten großer Medienhäuser, ist ebenfalls positiv zu vermerken und belebt die BPK merklich.

Welche Relevanz hat sie für Ihre journalistische Arbeit?

Wir sind erstaunlicherweise das einzige große Medienunternehmen, welches die BPK wöchentlich begleitet und aus den Aussagen Videos und Artikel erstellt. Das ist seit 2017 ein Alleinstellungsmerkmal von RT. Das liegt aber vor allem daran, dass alle anderen großen deutschen Medien der BPK, abgesehen von einzelnen O-Tönen, nicht die redaktionelle Aufmerksamkeit schenken, die ihr meiner Meinung nach, siehe auch meine obigen Ausführungen, gebührt. Selbst der seit 2020 bestehende Phönix-Livestream ist kein Standard, sondern nur Resultat der Corona-Krise. Die BPK ermöglicht mir, Themen, die sonst kaum in der deutschen Medienlandschaft thematisiert werden, relativ prominent zu platzieren und journalistisch zu verarbeiten. Verwiesen sei beispielsweise auf die Tatsache, dass ich lange Zeit der einzige Journalist auf der Bundespressekonferenz war, der die Bundesregierung zum Schicksal des australischen Journalisten Julian Assange und den diesbezüglichen Aussagen des UN-Sonderberichterstatters für Folter Nils Melzer befragte. Ähnliches gilt für Entwicklungen in Lateinamerika, wo ich de facto der einzige Journalist bin, (von ganz seltenen Fragen der Deutschen Wellen abgesehen), der die Bundesregierung bzgl. dieser Weltregion kritisch befragt. Verwiesen sei etwa auf die völkerrechtlich hoch umstrittene Anerkennung von Juan Guaidó als Interimspräsident von Venezuela oder die Unterstützung der Bundesregierung für den Putsch gegen den demokratisch gewählten ersten indigenen Präsidenten Boliviens Evo Morales im November 2019.

Welche Bedeutung hat sie für die Reichweite der Produkte von RT DE?

Wie schon dargelegt, haben wir mit der BPK ein Alleinstellungsmerkmal in der deutschen Medienlandschaft, welches wir ironischerweise zumindest zum Teil dem eher bescheidenen Interesse der etablierten deutschen Medienhäuser an der BPK verdanken. Die BPK à la RT hat daher ein festes Stammpublikum und die Clips von der BPK auf Youtube und der Webseite erreichen Hunderttausende.

Sehen Sie in Russland vergleichbare Möglichkeiten für in- und ausländische Korrespondenten, die Regierung in journalistischer Regie zu befragen? Welche?

Wie ich bereits zuvor ausgeführt habe, ist die BPK und insbesondere das Format der Regierungspressekonferenz tatsächlich weltweit einmalig. Weder in Washington noch in Paris, Rom oder Moskau gibt es diesbezüglich etwas Vergleichbares. (Diese Besonderheit hat allerdings auch ihren Ursprung und Erklärung im Zustand der deutschen Presse von 1933 bis 1945). Ich spreche hier aber explizit nur vom institutionellen Rahmen, der einmalig ist, nicht dem Gehalt der Antworten der Regierungssprecher. Und ganz ehrlich, wenn Sie die wöchentliche Pressekonferenz etwa des Auswärtigen Dienstes der Russischen Föderation verfolgen, dann bekommen Sie dort als Journalist auf Fragen zumeist umfassendere und klarere Aussagen, als dies von den Sprechern des Auswärtigen Amtes auf der BPK des Öfteren der Fall ist. Und in Russland traut sich die Sprecherin (z.B. Maria Sacharowa) auch meistens frei zu sprechen und ist nicht abhängig von vorbereiteten Sprechzetteln, wie dies bei vielen Ministeriumssprechern in der BPK üblich ist, die sich, von einigen wenigen Ausnahmen abgesehen, kaum trauen, außerhalb des Rahmens ihrer vorbereiteten Sprechzettel Stellung zu den Fragen der Journalisten zu nehmen.

Wie kommt es zur Auswahl der Themen, die Sie in der Bundespressekonferenz ansprechen? Erhalten Sie Anregungen oder Vorgaben Ihrer Zentrale?

Es gibt keine Vorgaben. Die Auswahl der Themen ist, entgegen der Implikation in Ihrer Frage, komplett mir überlassen. Wäre dies nicht der Fall, würde ich die Arbeit in der BPK auch nicht machen. Die Auswahl der Themen orientiert sich an meinen eigenen thematischen Interessen (z.B. Lateinamerika), an aktuell anliegenden redaktionellen Themen (z.B. Corona-Thematik, Causa Nawalny) und vor allem auch den Hinweisen auf Twitter. Ich befrage regelmäßig vor den BPKs die Twitter-Community. Deren Hinweise und Anregungen sind mittlerweile die größte Inspirationsquelle für BPK-Fragen geworden. PS: Der von Ihnen genutzte Begriff "Vorgaben ihrer Zentrale" ist vielleicht ein gern gehegtes Klischee in den Redaktionsräumen der Süddeutschen, hat aber so rein gar nichts mit den Redaktionsabläufen und dem Alltag bei RT DE zu tun. Sorry.

Ihre Videos auf Youtube sind mit Titeln wie „Blamage bei der BPK“ und „BPK in Erklärungsnot“ überschrieben. In den Videos entsteht der Eindruck, dass Sie sich in der BPK auf feindlichem Terrain bewegen, in dem es darum geht, Vertreter einer gegnerischen Regierung vorzuführen? Ist dieser Eindruck beabsichtigt?

Zunächst erweckt Ihre Frage den Eindruck, als seien solche Überschriften Standard. Tatsächlich gibt es bei den Hunderten von BPK-Videos auf dem Youtube-Kanal von RT genau ein Video mit diesem Titel "Blamage bei der BPK" – dieses stammt vom 18. Juni 2019. Und in diesem konkreten Fall hatte Regierungssprecher Steffen Seibert zum wiederholten Male erklärt, Russland würde gegen das Abkommen Minsk II verstoßen, allerdings konnte er dann aber auf meine Nachfrage keinen einzigen konkreten Punkt nennen, in dem Russland angeblich gegen Minsk II verstoßen hätte. Das ist definitiv eine blamable Situation für einen Regierungssprecher, die man auch so betiteln kann. Machen Sie einmal den Versuch und geben Sie "Blamage" auf der Webseite der Süddeutschen ein, Sie kommen auf fast 3.000 Treffer.

Ähnlich liegt der Fall bei "BPK in Erklärungsnot". Dazu gibt es über die vier Jahre die wir die BPK abdecken, drei Videos mit dem Begriff "Erklärungsnot". Bei der Süddeutschen komme ich auf über 1.000 Ergebnisse. Alle drei Fälle waren Situationen, wo die Sprecher tatsächlich sehr große Schwierigkeiten hatten, ihre Aussagen zu begründen. So behauptete Regierungssprecher Steffen Seibert beispielsweise im November 2019, die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) hätte bei den Wahlen in Bolivien im Oktober "schwerwiegende Unregelmäßigkeiten in beinahe jedem untersuchten Wahlbezirk" festgestellt. Doch das war nachweislich falsch. Für diese Falschdarstellung hatte er sich auch einige Tage später bei mir persönlich entschuldigt (U3). Bei der Verteidigung dieser nachweislich falschen Darlegung geriet eine Woche später, Vize-Regierungssprecherin Ulrike Demmer argumentativ schwer in Bedrängnis. Auch hier sehe ich die Nutzung des Begriffs "Erklärungsnot" journalistisch als absolut vertretbar an, ohne dass dahinter eine wie von Ihnen implizierte Absicht stände, die Bundesregierung "vorzuführen". Aber ja, es gehört zu meinen journalistischen Grundüberzeugungen, dass man Regierungssprecher darauf hinweist und auch kritisch nachfragt, wenn diese, wie im konkret dargestellten Fall, nachweislich falsche Behauptungen aufstellen.

Die BPK wird von Journalist(inn)en geleitet. Sehen Sie in diesen Journalist(inn)en Kolleg(inn)en?

Natürlich sehe ich die Journalisten, die die BPK leiten, als Kollegen an, mit denen man auch mal gemeinsam in der BPK lacht oder sich nach der BPK kurz bespricht. Allerdings bin ich mir nicht sicher, angesichts der Äußerungen einiger BPK-Moderatoren, verwiesen sei konkret auf den ehemaligen BPK-Vorsitzenden Dr. Gregor Mayntz, ob diese auch uns RT-Journalisten uneingeschränkt als Kollegen betrachten. Zumindest bei Herrn Mayntz selbst habe ich da so meine Zweifel, angesichts der Tatsache, dass er RT DE-Journalisten, noch in seiner Funktion als BPK-Vorsitzender, unter anderem als angebliche "Propagandisten … hybrider Medien" bezeichnete. Und im persönlichen Miteinander eine grundsätzlich feindliche Haltung einnahm. Es ist auffallend, dass seit seinem Ausscheiden aus der BPK der Umgang der Moderatoren mit mir in der BPK sich merklich freundlicher und entspannter gestaltet.

In der Formulierung Ihrer Fragen orientieren Sie sich am Wording staatlicher russischer Medien, etwa wenn Sie von einem „angeblichen Enthüllungsvideo“ Nawalnys sprechen. Warum?

Ihre Frage überrascht mich in ihrer Implikation. Dieses "Enthüllungsvideo" wurde bereits in seiner Kernaussage, der Palast gehöre Putin, widerlegt, und ein signifikanter Teil der im Video gezeigten Aufnahmen sind reine im Studio erstellte Video-Animationen (wie etwa die berühmte goldene Klobrille, die antiken Möbel oder der montenegrinische Adler am Eingangstor), die nichts mit der Realität einer teilweise noch im Rohbau befindlichen Baustelle zu tun haben. Ich sehe es als eine journalistische Grundregel an, dass man als Journalist angesichts dieser fragilen Faktenlage Distanz wahrt und die "Doku" daher mit dem Attribut "angeblich" belegt. Das hat, um es nochmals zu betonen, nichts mit einem ebenso angeblichen "staatlichen Wording" zu tun, sondern mit meinem Verständnis von journalistischer Sprache, wie sie auch bei "mutmaßlicher Täter", "angebliche Drohungen" etc. zum Einsatz kommt. Auch die Kollegen beim Spiegel schreiben über "Putins angeblichen Palast". Oder wie die Süddeutsche kürzlich schrieb: "Das russische Außenministerium hatte am Freitag die Ausweisung von drei Diplomaten verkündet und dies mit deren angeblicher Teilnahme an Demonstrationen begründet." Wenn eine Verständnisfrage erlaubt sei: Was für ein Wording steht denn hier hinter der Nutzung des Adjektivs "angeblich" durch die Süddeutsche?

Wie beurteilen Sie den RT unter anderem von der EU gemachten Vorwurf der Desinformation?

Dieser Vorwurf ist an den Haaren herbeigezogen. Ein anderer und mit Fakten untermauerter journalistischer Blick außerhalb der westlichen Scheuklappen ist ein Perspektivwechsel, aber keine Desinformation. Wie forciert dieser Vorwurf ist erschließt sich Ihnen, wenn Sie sich beispielsweise näher anschauen, in welcher Form etwa das EU-finanzierte Portal https://euvsdisinfo.eu/disinformation-cases/?offset=90 versucht, Artikel von RT als "Desinformationen" zu betiteln, nur weil diese nicht einem gewissen westlichen Narrativ entsprechen.

Beabsichtigt RT DE die Beantragung einer Sendelizenz? Bis wann?

Unser aktuelles Geschäft und unsere Produktion setzen nicht die Notwendigkeit einer Sendelizenz voraus. Die geplante Umsetzung eines TV-Programms wird selbstverständlich in Übereinstimmung mit allen deutschen und europäischen Vorschriften erfolgen.

Aus welchem Grund ist es Ihnen verboten, uns für ein direktes Interview zur Verfügung zu stehen?

Sie implizieren hier wieder etwas, was so nicht der Fall ist. Es ist eine übliche Praxis, auch anderer westlicher Medienhäuser, dass Mitarbeiter nur schriftlich auf Interviews zu ihrer journalistischen Tätigkeit antworten. Bei RT DE spielt zudem mit hinein, dass es eine lange Pfadabhängigkeit mutwilliger Verzerrungen und Dekontextualisierungen der Interviewaussagen von RT Mitarbeitern durch westliche Medienunternehmen gibt. Dieses tendenziöse Vorgehen will man mit der Begrenzung auf schriftliche Antworten zumindest etwas begrenzen.

So weit, so gut – oder eher: so berechenbar. Der aufmerksame Leser erkennt schon in den Fragestellungen den Versuch, mit vorgefertigten Schablonen das gängige Bild von RT DE als dem fremdgesteuerten russischen Propagandasender zu bestätigen. Das erinnert ein wenig an den Witz mit dem Betrunkenen, der seine verlorenen Schlüssel mitten in der Nacht unter der Straßenlaterne sucht – weil er da Licht hat. Man kann auch von einer kognitiven Dissonanz bei der SZ sprechen, die es einfach nicht erträgt, wenn Informationen nicht mit ihren Überzeugungen bezüglich RT DE übereinstimmen. Sind schon die Fragen an sich eine Zumutung, so wird das Ganze durch den Artikel, den die SZ daraus macht, noch einmal "getoppt".

Zunächst wird in dem Artikel eine Hymne auf die Bundespressekonferenz gesungen, wie sie sich die Bundesregierung nicht besser bestellen könnte. Man müsse sich die BPK wie eine "Sprachfabrik" vorstellen, so die SZ. Unzählige machten sich in den Morgenstunden in den Ministerien sowie in dem für die Kanzlerin zuständigen Bundespresseamt daran, zu allen denkbaren Fragen eine Sprache zu entwickeln, also Antworten (vor) zu schreiben. Wer bei dem Begriff "Sprachfabrik" nicht kurz zusammenzuckt und an den Besteller "Manufacturing Consent: The Political Economy of the Mass Media" von Edward S. Herman und Noam Chomsky denken muss, sollte vielleicht noch einmal zu seinem Bücherregal gehen. Und wer sich bei "eine Sprache entwickeln" nicht an "Neusprech" erinnert fühlt, dem ist sowieso nicht mehr zu helfen. Aber das nur nebenbei.

Nachdem die SZ nun also beschrieben hat, wie aufopferungsvoll und gewissenhaft sich "Unzählige" auf die BPK vorbereiten, ist es Zeit, den Feind auftreten zu lassen. Denn dieser Artikel handle, so schreibt die SZ, "von der Verwundbarkeit der offenen Gesellschaft. Am Beispiel der Bundespressekonferenz zeigt sich gerade, wie schwierig der Umgang demokratischer Institutionen mit manchem Gegner ist." Damit ist das Feld bestellt. Auf der einen Seite die "offene Gesellschaft" und die "demokratischen Institutionen", auf der anderen Seite die "Gegner" – in diesem Fall Boris Reitschuster und Florian Warweg. Karl Poppers "Die offene Gesellschaft und ihre Feinde" lässt grüßen.

Die BPK sei gekapert worden, so weiß die SZ. Weiter heißt es in dem Artikel: "Einige Journalisten und Blogger – vor allem die Namen Boris Reitschuster und Florian Warweg fallen da immer wieder – würden die Veranstaltung sehr erfolgreich als Bühne für Verschwörungsmythen und Fake News nutzen." Um welche "Verschwörungsmythen und Fake News" es sich bei Florian Warweg handeln soll, wird natürlich nicht aufgelöst. Woher auch?

Stattdessen wird beispielhaft geschildert, wie unser Kollege bei der BPK auftritt. Originalton SZ:

"Warweg, der in Tübingen Politikwissenschaften studiert hat und seit 2014 für RT arbeitet, legt ruhig und freundlich los. Allerdings nicht mit einer Frage, sondern mit einer Behauptung. Seines Wissens sei 'die übergroße Mehrheit' nur wegen einer Ordnungswidrigkeit festgenommen und dann sofort wieder freigelassen worden, behauptet Warweg. Da die Bundesregierung die Freilassung von Verhafteten fordere, würde ihn von Vizeregierungssprecherin Martina Fietz interessieren: 'Welche konkreten Zahlen liegen der Bundesregierung über am Samstag verhaftete und immer noch in Haft befindliche russische Staatsbürger vor?'"

Eine journalistisch legitime Frage. Doch für die SZ natürlich nur eine hinterhältige Strategie. Denn sie schreibt weiter:

"Fietz wird die Zahl auf keinem der Zettel finden, die sie mitgebracht hat. Die Regierung hat keine Sprache für Warwegs Anliegen, bei dem es offensichtlich nicht darum geht, eine Information zu bekommen, sondern darum, die Sprecherin vorzuführen. Fietz schaut in ihre Unterlagen, aber sie findet darin keinen Halt. Sie kann nur 'grundsätzlich sagen, dass die Bundesregierung die Entwicklung in Russland und den dortigen Umgang mit Oppositionspolitikern, Journalisten und der Zivilgesellschaft sehr genau und mit Sorge beobachtet'. Damit hat Warweg schon alles, was er braucht. Wenig später wird bei Youtube ein kurzer Clip online gehen mit der Überschrift 'BPK: Regierungssprecherin verurteilt Polizeigewalt - aber nur in Russland'."

Hat Florian Warweg bis hierhin irgendetwas Falsches behauptet? Nein. Hat sich im Gegenzug erwiesen, dass die Vizeregierungssprecherin Martina Fietz keine genauen Kenntnisse bezüglich der Vorfälle in Russland hatte? Ja. Doch das ist natürlich kein Versagen der Bundesregierung, sondern "nur ein Trick" von Kollege Warweg, wie die SZ weiter ausführt:

"Der Trick wurde schon während des Kalten Krieges in Witzen verarbeitet: Eine Delegation amerikanischer Senatoren besichtigt die für ihre Pünktlichkeit gerühmte Moskauer Metro. Etwas geht schief, die Einfahrt der U-Bahn lässt auf sich warten. "Doch nicht so pünktlich", sagt einer der Senatoren. "Und was", blafft daraufhin ein sowjetischer Gastgeber, "habt ihr mit den Indianern gemacht?" Als Fachbegriff für diese Technik hat sich das Wort Whataboutism eingebürgert."

Das sich bei dem so genannten "Whataboutism" tatsächlich um eine Technik handeln kann, um unbequemen Wahrheiten aus dem Weg zu gehen, ist unbestritten. Doch es kommt eben immer darauf an. Es würde den Rahmen sprengen, das Thema "Whataboutism" hier eingehend behandeln zu wollen, doch es gibt in dem schwedischen Professor für Journalismus Christian Christensen und der Medienwissenschaftlerin Gina Schaad (in ihrem Buch "Digitale Verrohung?: Was die Kommunikation im Netz mit unserem Mitgefühl macht"), um nur zwei zu nennen, auch kluge Menschen, die den pauschalen Vorwurf "Whataboutism" durchaus kritisch sehen. Doch weiter im Text der SZ:

"Was ist also mit Polizeigewalt im Westen? Am selben Wochenende sei es auch zu nicht genehmigten Demonstrationen in Amsterdam, Brüssel und Wien gekommen, die von der Polizei aufgelöst wurden. 'Dort gab es ungefähr die gleichen Bilder vom Einsatz staatlicher Gewalt', sagt Warweg in der BPK. Er möchte jetzt wissen: 'Wieso erfolgt eine Verurteilung von auch mit Verweis auf das Corona-Regime untersagten Demonstrationen nur im Fall von Russland und nicht im Fall von Belgien, Österreich und den Niederlanden?'

Auch dies ist eine legitime Frage, die dem Verdacht der "doppelten Standards" nachgeht. Doch offenbar ist das schon zu viel des Guten. Und da sich die "hilflose Bundesregierung" scheinbar nicht alleine gegen die "Übermacht Florian Warweg" verteidigen kann, übernimmt die SZ diesen Job:

"Dazu ließe sich einiges sagen. Etwa, dass es die Polizei in den Niederlanden mit heftigen Gewaltausbrüchen zu tun hatte. Oder dass Corona-Leugner in Wien versucht hatten, nach Washingtoner Vorbild das Parlamentsgebäude zu stürmen. Aber die Regierungssprecherin Fietz hat das offenbar nicht auf dem Zettel. 'Wir sprechen jetzt aber über die Lage in Russland', sagt sie und, 'dass es sich in Russland überwiegend um friedliche Demonstrationen gehandelt hat.' Im Video auf Youtube wirkt das defensiv und irgendwie hilflos. Für Warwegs Zwecke also genau richtig. Die Methode lässt sich in vier Worte fassen: Ich frag doch nur. Fragen ist legitim. Entscheidend ist, was er daraus macht."

Unser Kollege Warweg reiße Zitate aus dem Zusammenhang und zelebriere sich als der "letzte aufrechte Reporter". Doch die SZ klärt auf:

"Die BPK dient dem Informationsinteresse der demokratischen Öffentlichkeit. Der Pressefreiheit. Der Kontrolle der Bundesregierung. Sie wurde aber nicht gegründet, um Propagandainteressen zu dienen, weder denen von Wladimir Putin, um die sich Florian Warweg kümmert, noch denen der rechtspopulistischen 'Querdenker'-Szene."

Haben Sie, verehrter Leser, der diesen viel zu langen Artikel tapfer durchsteht, in dem Artikel der SZ bis jetzt auch nur eine einzige Aussage aus dem schriftlichen Interview von Florian Warweg gelesen? Nein. Aber so ganz mag die SZ dann doch nicht darauf verzichten. Nachdem nun klar ist, wer die Guten und wer die Bösen sind, schreibt die SZ weiter:

"RT-Mann Warweg mag sich über die Chancen, die ihm die BPK bietet, nicht beschweren. 'Weltweit einmalig' findet er die Gelegenheit, so viele Fragen zu stellen. Die gebe es so weder in Washington, Paris, Rom noch in Moskau. Nur die Antworten seien in Russland besser, findet Warweg. Seine Antworten auf Fragen der SZ übermittelt er per Mail. Für ein Gespräch steht er nicht zur Verfügung. Es sei übliche Praxis 'auch anderer westlicher Medienhäuser', auf Fragen zu ihrer journalistischen Tätigkeit nur schriftlich zu antworten, teilt er mit. Bei RT DE spiele 'zudem mit hinein, dass es eine lange Pfadabhängigkeit mutwilliger Verzerrungen und Dekontextualisierungen der Interviewaussagen von RT-Mitarbeitern durch westliche Medienunternehmen gibt'. Der Vorwurf, RT DE betreibe Desinformation, sei 'an den Haaren herbeigezogen', schreibt er."

Wie Recht Warweg doch mit seiner dunklen Vorahnung hatte, dass es auch diesmal wieder "mutwillige Verzerrungen und Dekontextualisierungen der Interviewaussagen von RT-Mitarbeitern durch westliche Medienunternehmen" geben könne. Der Artikel der SZ beweist weder, dass RT DE "Verschwörungsmythen und Fake News" verbreitet, noch, dass es sich um ein Propagandaorgan handelt. Das geschilderte Beispiel aus der BPK zu den Protesten in Russland belegt einfach nur die Arbeit eines Journalisten, der andere Fragen stellt, eine andere Sicht auf die Ereignisse hat und seiner Arbeit nachgeht. Mehr nicht.

Wer daraus eine derartige Horrorgeschichte konstruiert, verstößt nicht nur gegen die Gesetze der Fairness – er führt sich auch ganz allein selbst vor und gibt sich der Lächerlichkeit preis. Ganz ohne Zutun von RT DE oder Florian Warweg.

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