Meinung

Die tragende Rolle grüner Transatlantiker im Kampf gegen Peking: China wird zum neuen Feindbild

Chinas politischer und wirtschaftlicher Einfluss in der Welt wächst weiter an. Das treibt insbesondere denjenigen Kräften in Politik und Medien die Sorgenfalten auf die Stirn, die den globalen Führungsanspruch der USA anerkennen – und daher bestrebt sind, China als neues Feindbild zu etablieren. Vorneweg einstige Maoisten von Bündnis 90/Die Grünen.
Die tragende Rolle grüner Transatlantiker im Kampf gegen Peking: China wird zum neuen FeindbildQuelle: www.globallookpress.com © imago stock&people

von Arkadi Shtaev

"China versucht, Deutschland mit der Einheitsfront aufzurollen", titelte die Neue Zürcher Zeitung kürzlich. Die Schweizer Tageszeitung übernahm damit unkritisch eine Stoßrichtung der westlichen Politik, die in diesem Jahr einen neuen Höhepunkt erreichen dürfte – nämlich die Etablierung des Feindbildes China in der westlichen Politik, flankiert von einer dem entsprechenden Medienkampagne.

Weiter heißt es in dem Artikel:

"Ein von der Kommunistischen Partei und dem Ministerium für Staatssicherheit in Peking gesteuertes Netzwerk nimmt in Deutschland im Verborgenen Einfluss. Die chinesische Diaspora, Austauschstudenten und Wirtschaftsverbände spielen dabei genauso eine Rolle wie die chinesischen Geheimdienste." 

Interessant, chinesische Studenten sind also genauso gefährlich, agieren ähnlich im Verborgenen wie der chinesische Geheimdienst. Da kommt der geneigte Leser schon ins Grübeln. Allerdings bleibt diesbezüglich festzustellen, wenn in der Öffentlichkeit andere Kräfte angeblich im Verborgenen agieren, zum Beispiel US-Geheimdienste, Lobbygruppen oder NGOs, ist man im Westen schnell mit dem Vorwurf der Verschwörungstheorie konfrontiert. Immerhin wird noch nicht vor dem Kontakt mit chinesischen Staatsbürgern gewarnt oder der Aufruf "Kauft nicht beim Chinesen" formuliert. 

Die Stoßrichtung kommt aus Washington, D. C., weshalb transatlantische Medien und "im Verborgenen" agierende Netzwerke in der Bundesrepublik emsig das Feindbild China aufpolieren.

Sicherlich ist auch die Volksrepublik China daran interessiert, ihre geopolitischen Interessen zu konzipieren, zu verfolgen und durchzusetzen. Als bevölkerungsreichste Nation der Welt nutzt Peking natürlich auch seine Geheimdienste wie andere mächtige Nationen auch. Was aber hier in den westlichen Planstellen und Redaktionsstuben für ein Gruselmärchen erzählt wird, ist eher eine hilflose Reaktion auf den phänomenalen Aufstieg der Volksrepublik in den letzten Jahrzehnten. Ein Aufstieg, der sich im Zuge der COVID-19-Pandemie noch beschleunigt hat.

Der Westen hat viel zu lange gebraucht, um die Veränderungen im weltpolitischen Machtgefüge nach 1990 zu begreifen, und fürchtet daher – nicht ohne Grund – den Aufstieg Chinas und den eigenen Rückfall in die Mittelmäßigkeit. 30 Jahre nach dem Ende des Kalten Krieges und der Überwindung des Ost-West-Konfliktes hat sich die NATO darauf geeinigt, die Volksrepublik China und ihre politische und wirtschaftliche Potenz als "Herausforderung" einzustufen.

Kritiker könnten zu der Erkenntnis gelangen, dass das westliche Militärbündnis nach dem Verlust seiner einstigen Gegner gar nicht anders kann, als regelmäßig neue Feindbilder zu konstruieren, schon allein deshalb, um seine eigene Existenz zu rechtfertigen. Allerdings offenbart sich am Umgang mit der Volksrepublik China eindrucksvoll, in welchem Ausmaß dem Westen das geschichtliche Bewusstsein verloren gegangen ist.

Die Angst des Westens

Die Fehldiagnose des US-amerikanischen Politologen Francis Fukuyama vom "Ende der Geschichte" war viel zu lange das Mantra der westlichen Politik. Sie begegnet dem phänomenalen Aufstieg Chinas in den Rang der zweiten Weltmacht mit einem Gemisch aus Arroganz und Missgunst. Die kaum zu bändigende Dynamik der Volksrepublik erzeugt wachsende Furcht, ja die Ahnung des eigenen Rückfalls in unerträgliche Mittelmäßigkeit.

Die mittlerweile schon fast krankhafte Abneigung gegenüber China, die immer wieder in der westlichen Berichterstattung sichtbar wird, hängt wohl auch damit zusammen. Viele westliche Wortführer fordern heute mit der "Menschenrechtskeule" äußerst selektiv "Reformen" im Reich der Mitte ein. Doch gleichzeitig schränken sie im Westen demokratische Grundrechte ein. Auffällig ist hierbei, wie auch bei der Frontstellung gegen Russland, dass in der Bundesrepublik führende Grünen-Politiker die Wortführer bilden.

Beispiel Bütikofer

Am Beispiel Reinhard Bütikofers, der als einer der Scharfmacher in Berlin im Kampf gegen Peking agiert, lässt sich die beklemmende Metamorphose erkennen, die stellvertretend für die grüne Partei gilt. Auf Bütikofers Homepage heißt es: "Reinhard Bütikofer wurde 1953 in Mannheim geboren und wuchs zunächst in Ludwigshafen, später in Speyer auf. 1969/70 verbrachte er ein Jahr in Kenosha, Wisconsin, USA. Nach dem Abitur am Staatlichen Altsprachlichen Gymnasium Speyer studierte er ab 1971 in Heidelberg Philosophie, Geschichte, Alte Geschichte und zeitweise Sinologie. Einen Studienabschluss machte er nicht."

Nun ja, Studienabbrecher sind unter grünen Spitzenpolitikern keine Seltenheit. Claudia Roth und Katrin Göring-Eckardt stehen exemplarisch dafür, dass man auch ohne akademische Weihen bis in die höchsten Ämter gelangen kann. Das Beispiel Joschka Fischers sogar dafür, dass man ohne jede berufliche Ausbildung Bundesaußenminister werden kann. Aber daraus soll hier kein Vorwurf formuliert werden.

Wenden wir uns noch einmal der Vita von Reinhard Bütikofer zu. Auf der erwähnten Homepage ist weiter zu lesen: "Zum ersten Mal wurde Bütikofer 1973 als Studierendenvertreter gewählt. Er leistete Zivildienst am Heidelberger Klinikum. Er schloss sich der Kommunistischen Hochschulgruppe (KHG), später dem Kommunistischen Bund Westdeutschland (KBW) an. Er war studentischer Vertreter in Fachschaft, AStA, Fakultätskonferenz, Kleinem und Großem Senat und Verwaltungsrat der Universität Heidelberg. Er war in den 70er Jahren aktiv in der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft (GDCF)."

In den 1970er-Jahren war Bütikofer also Mitglied der sogenannten K-Gruppen. Diese K-Gruppen waren maoistisch geprägt, vertraten also die Ideologie der Volksrepublik China in den 1970er-Jahren vehement. Daher wohl auch die Mitgliedschaft Bütikofers in der Gesellschaft für Deutsch-Chinesische Freundschaft, die damals ideologisch auf dem Kurs von Mao war. 

Vom Mao-Anhänger zum China-Basher

Aber das ist lange her, wobei Reinhard Bütikofer das Thema China bis heute nicht loslässt. Seit rund vier Jahrzehnten ist Bütikofer bei den Grünen und vertrat diese Partei bisher in Kommunalparlamenten, als Landtags- und Bundestagsabgeordneter sowie als Mitglied des Europäischen Parlaments, der er aktuell immer noch angehört.

China bleibt aber das Lebensthema dieses Politikers. Während er zu Maos Zeiten, dessen Herrschaft Millionen Chinesen das Leben kostete, ein glühender Anhänger der Volksrepublik war, ist Bütikofer heute zu einem scharfen China-Kritiker mutiert, der den phänomenalen Aufstieg dieses Landes zusammen mit US-Politikern bekämpft.

Auf dem Informationsportal German Foreign Policy ist dazu zu lesen: "Politiker von Bündnis 90/Die Grünen spielen eine führende Rolle in einem neuen, gegen China gerichteten Zusammenschluss transatlantischer Parlamentarier. In der am Freitag gegründeten Inter-Parliamentary Alliance on China (IPAC), der bislang Abgeordnete aus zwölf Parlamenten angehören, gelten antichinesische US-Hardliner – Marco Rubio, Bob Menendez – als treibende Kräfte. Offizielles Vorhaben der Organisation ist es, die Herausbildung einer gemeinsamen westlichen Chinapolitik zu forcieren.

Als konkretes Ziel zeichnet sich eine Durchsetzung der US-Sanktionspolitik gegen Beijing auch in Europa ab. Dazu mobilisiert die IPAC dort, wo die nationalen Regierungen sich Sanktionen noch verweigern, Parlamentsabgeordnete. Die Gründung einer derartigen Parlamentarier-Pressure Group hatte der Grünen-Europaabgeordnete Reinhard Bütikofer schon im Februar am Rande der Münchner Sicherheitskonferenz vorgeschlagen; nun amtiert er als IPAC-Ko-Vorsitzender. Die Organisation, die auch die Entwicklung von 'Sicherheitsstrategien' gegen China fordert, hat einen Ex-CIA-Spezialisten in ihrem Beirat."

Im historischen Bewusstsein Chinas sind die Demütigungen durch die westlichen Kolonialherren ebenso unvergessen wie die Hunnenrede Kaiser Wilhelms II. aus dem Jahr 1900, in der es heißt: "Kommt ihr vor den Feind, so wird derselbe geschlagen! Pardon wird nicht gegeben! Gefangene werden nicht gemacht! Wer euch in die Hände fällt, sei euch verfallen! Wie vor tausend Jahren die Hunnen unter ihrem König Etzel sich einen Namen gemacht, der sie noch jetzt in Überlieferung und Märchen gewaltig erscheinen läßt, so möge der Name Deutscher in China auf 1.000 Jahre durch euch in einer Weise bestätigt werden, daß es niemals wieder ein Chinese wagt, einen Deutschen scheel anzusehen."

Die Politiker in der Bundesrepublik wären gut beraten, bezüglich des unaufhaltsamen Aufstiegs der Volksrepublik eine eigene Strategien zu entwickeln, die Chancen und Risiken abwägt, und sich nicht von Washington in einen neuen Kalten Krieg einspannen zu lassen.

In diesem Zusammenhang sei an die Worte von Altkanzler Helmut Schmidt erinnert, der 2005 in dem Buch "Nachbar China" äußerte:

"Die veröffentlichte Meinung in Deutschland, also im Wesentlichen der deutsche Journalismus, die Massenmedien, aber auch deutsche Politiker neigen dazu, sich aus Amerika suggerieren zu lassen, dass China (...) eine Gefahr für uns darstellt. In Wirklichkeit hängen die ökonomischen Probleme, die wir (...) Europäer insgesamt in unseren eigenen Ländern haben, weniger mit China zusammen als vielmehr mit Fehlentwicklungen, die wir selbst verschuldet haben."  

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