Meinung

Die Linke duldet keine "Abweichler"

Es klingt wie eine Posse, gäbe es nicht auch die tiefere Ebene. Nach Parteiausschluss des Fraktionsvorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung von Forst/Lausitz will Die Linke jetzt zwei weitere Fraktionsmitglieder ausschließen, weil diese mit der AfD gestimmt haben. Es ging um den Neubau eines Jugendzentrums.
Die Linke duldet keine "Abweichler"© Oliver Berg / dpa

von Falko Looff

Der Vorgang sagt viel aus über den Zustand der Partei Die Linke. Worum geht es? In der Sache "nur" um ein Jugendzentrum, doch tatsächlich um sehr viel mehr. Lange hat die PDS und später Die Linke darum kämpfen müssen, von den (west-)deutschen Eliten in Politik und Medien anerkannt zu werden. Mühselig war das, schwer und nicht selten ungerecht. Und manchmal auch persönlich verletzend, was so respektable Persönlichkeiten wie beispielsweise Lothar Bisky aushalten mussten. Und dabei diese ewige Leier von der "SED-Nachfolgepartei", die von den sogenannten Qualitätsmedien seinerzeit bis zum Erbrechen vorgetragen wurde.

Und heute? Schon seltsam, wie sich Dinge manchmal entwickeln. Denn mittlerweile singt die Linke ebendasselbe Lied. Doch genaugenommen auch wieder nicht. Zutreffender wäre wohl: Sie darf tanzen zu der Musik, die die alten Kontrahenten aufspielen. Und genau das tut sie dann auch: Sie tanzt, tanzt, tanzt in demutsvollen Verdrehungen und Verbeugungen vor ihren einstigen Peinigern und ist dabei unfähig geworden zu bemerken, wie jene, die in schweren Zeiten zu ihr standen, längst in großer Zahl enttäuscht – und manchmal gar angewidert – den Ballsaal verlassen. Endlich angekommen in dieser wunderbaren bundesrepublikanischen Gesellschaft, dem besten Deutschland aller Zeiten, dürften manche Parteifunktionäre sich denken. Auf die Idee, dass darin aber womöglich gar nicht ihre Aufgabe lag, kommen sie nicht.

Würde es nicht diese tiefere Ebene geben, so könnte man die aktuelle Angelegenheit wohl als Posse in der Brandenburger Provinz werten. Es ging um Folgendes: Im schönen Städtchen Forst in der Lausitz sollte ein ehemaliges FDJ-Objekt zum Jugendzentrum umgebaut werden, doch das Vorhaben lief finanziell aus dem Ruder. Die Fraktion "Gemeinsam für Forst" beantragte daraufhin in der Stadtverordnetenversammlung, keine weiteren Mittel mehr in den Umbau zu investieren. Stattdessen sei ein Neubau zielführender. Die Linke schloss sich dem an und – jetzt kommt's – auch die AfD. Ein gemeinsames Pressegespräch folgte.

Doch so etwas darf Die Linke von heute natürlich nicht dulden. Vergessen all die Jahre, in denen sie selbst zum "Schmuddelkind" herabgewürdigt wurde, mit dem man sich gefälligst nicht abzugeben hatte. Vergessen die Zeit, in denen sie bei Sonnenschein hätte sagen können "Die Sonne scheint." und bei Regen "Es regnet." und dennoch dafür gescholten worden wäre, weil man nun einmal mit den "SED-Nachfolgern" einfach nicht gemeinsame Sache zu machen hat. Heutzutage ist das wahrscheinlich ganz etwas anderes, weil die Linken ja die Guten sind und die AfD – nun ja, Nazis halt, also alle. Schon klar, so gesehen ergibt das natürlich einen Sinn.

Und wer das nicht genauso sieht, weil er vielleicht vor Ort ist, den Menschen persönlich begegnet und zu anderen Einschätzungen gelangt, oder weil er sich als gewählter Mandatsträger zu allererst in seiner Pflicht der Sache gegenüber sieht – nun ja: Für so einen kann in Der Linken von heute kein Platz mehr sein. Der Landesvorstand hatte den Fraktionsvorsitzenden in Forst Ingo Paeschke nach der Pressekonferenz zu einer Entschuldigung und zum Rücktritt aufgefordert. Dies hatte Paeschke abgelehnt. "Selbstkritik üben" nannte man das zu DDR-Zeiten. Wie paradox, dass die Partei mittlerweile offenbar wieder sehr viel näher an diesen Verhältnissen ist als in den Jahren, in denen sie um Anerkennung kämpfte.

Es folgte ein Verfahren vor der Landesschiedskommission, das schließlich mit einem Parteiausschluss endete. Nur noch einmal zur Erinnerung: In der Sache ging es um ein Jugendzentrum. Und darum, die finanzielle Belastung für die Gemeinde zu begrenzen. Paeschke entschied sich, nicht gegen den Parteiausschluss vorzugehen. Wer kann es ihm verübeln? Man habe ihm seitens der Schiedskommission wörtlich gesagt, der Antifaschismus sei "ein Dogma", so der Fraktionsvorsitzende gegenüber Neues Deutschland. Dass der Antifaschismus wichtig ist, sei für ihn unbestritten, doch er glaubte, man hätte sich von Dogmen vor 30 Jahren verabschiedet, so Paeschke weiter.

Paeschke blieb Stadtverordneter und – obwohl nunmehr parteilos – auch Fraktionsvorsitzender. Warum solle man auf einen guten Kommunalpolitiker verzichten, so die Vorsitzende des Ortsverbandes der Partei Cornelia Janisch gegenüber Neues Deutschland. War's das jetzt also? Nein, natürlich nicht! Denn wo ein Abweichler entlarvt wird, gibt es wahrscheinlich ein ganzes Nest. Und siehe da, es geht weiter.

Der neue Hintergrund ist nun, dass die Kommunalaufsicht zwischenzeitlich den von den drei Fraktionen gefassten Beschluss eines Neubaus abgewiesen hat. Dadurch würde ein höherer Schaden entstehen als durch den Umbau, der ja bereits begonnen worden war. Bereits bewilligte Fördermittel seien widerrufen worden. Bei einer Sondersitzung am Montag stimmten die drei Fraktionen jedoch abermals gemeinsam ab – und zwar diesmal für einen Antrag zur Klage gegen die Kommunalaufsicht vor dem Cottbuser Verwaltungsgericht.

Der Kreisvorsitzende der Linken Matthias Loehr sagte daraufhin gegenüber dem RBB, er sei "mehr als empört". Bereits der Antrag gemeinsam mit der AfD auf Anberaumen einer Sondersitzung sei "ungeheuerlich" gewesen. Er hätte die Hoffnung geäußert, dass sich die Stadtverordneten "noch besinnen" und einen Kurswechsel vollziehen, was aber nicht geschehen sei. Loehr hatte für solch einen Fall bereits im Vorfeld ein Parteiausschlussverfahren angekündigt. Dieses werde nun gegen zwei weitere Fraktionsmitglieder unverzüglich eingeleitet – darunter auch gegen die Ortsvorsitzende.

Richtig so: Bei solchem Abweichlertum muss man schon klare Kante zeigen, das Ganze gleich im Keim ersticken. Und überhaupt: Was erlauben die sich? Denken die etwa, nur weil der Partei in ihren einstigen Hochburgen die Wähler davonlaufen, die Parteifinanzen wegbrechen und funktionierende Mitgliederstrukturen in ländlichen Gebieten schon lange nur noch schwer zusammenzuhalten sind, wäre das alles ein Grund, sich hinter Sacharbeit zu verstecken? Flagge zeigen ist angesagt – immer und überall. Und bitte gleich noch drei Aktionen gegen Rechts. Das wird bestimmt viele überzeugen. Tanzt weiter! Den Ton werden andere vorgeben.

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