Kinder in der Pandemie: Behandelt wie Gefährder

Abstand halten, Maske tragen, Spielen verboten: Obwohl Kinder selbst nicht durch die COVID-19-Pandemie gefährdet sind, drangsaliert die Politik sie mit besonders drakonischen Maßnahmen. Ein Gastbeitrag von Susan Bonath.
Kinder in der Pandemie: Behandelt wie GefährderQuelle: www.globallookpress.com © Annette Riedl /dpa

Mia ist ungeduldig. Dabei sitzt die Fünfjährige erst seit vier Tagen in Quarantäne, hat noch zehn Tage vor sich. Doch zusammen mit ihrem zweijährigen Bruder und ihrer alleinerziehenden Mutter wird es schnell eng in der 59 Quadratmeter großen Plattenbauwohnung. Krank ist von den Dreien keiner. Aber in Mias Kita wurde ein anderes Kind positiv getestet. "Ich darf nicht draußen spielen wegen der Quarantäne", sagt das Mädchen am Telefon. Das Wort "Quarantäne" kommt ihr leicht über die Lippen. "Aber sie versteht nicht was los ist", sagt ihre Mutter und ergänzt: "Ich selbst weiß nicht, was das noch werden soll: Will man jetzt alle Kinder dauernd einsperren?" Es ist schon die zweite Isolation für die Familie kurz nacheinander.

Was ist, wenn in drei Wochen wieder jemand in Mias Einrichtung positiv auf das Coronavirus getestet wird? Folgen dann die nächste und danach immer neue Quarantänen? Kommen dann im Vierwochenrhythmus Briefe, in denen das Gesundheitsamt sie und andere Eltern auffordert, die Kinder auch noch in der eigenen Wohnung in einem Einzelzimmer zu isolieren? Folgen immer neue Drohungen, die Kleinen vorübergehend aus der Familie zu nehmen, wenn Eltern nicht rigoros mitziehen? So ist es in vielen Schreiben der Ämter trotz massiver Kritik weiterhin zu lesen.

Vor gut einer Woche schätzte der Lehrerverband die aktuelle Zahl der Schüler in Quarantäne auf 300.000. Die meisten davon wurden als Kontaktpersonen isoliert und sind klinisch gesund. Wie vielen Kitakindern es ebenso ergeht oder erging, wie viele Kinder bisher insgesamt betroffen waren, ist unbekannt. Täglich sind die lokalen Schlagzeilen voller neuer "Fälle". Eltern müssen derzeit stets mit solchen Maßnahmen rechnen. 

Alltagsmasken, Dauerlüften, Frieren

Es ist große Pause. Auf dem Schulhof einer Grundschule in einer Kleinstadt in Sachsen-Anhalt stehen Kinder wie Halmahütchen einzeln herum. Sie tragen Masken. Eine Aufsichtskraft mit Maske geht durch die Reihen. Ein paar Jungs animieren sich gegenseitig mit eher hilflos wirkenden Faxen. "Achtet auf die Abstandsregeln", ermahnt sie die Aufsichtskraft. Die Spielgeräte in einer Ecke des Hofes sind verweist. Ein Baustellenband umgibt sie, verbietet den Zutritt. Gespielt wird nicht mehr, lautet die Botschaft. Die Schule wirkt wie eine preußische Drillanstalt, nicht wie ein Ort für Kinder. Auf Nachfrage der Autorin zuckt die Lehrerin die Schultern. Sie sei verpflichtet, den Hygieneplan umzusetzen.

In Sachsen-Anhalt müssen die Kleinsten bisher keine Masken im Unterricht tragen, dafür auf den meisten Schulhöfen. "Da kommen wir mit anderen Kohorten in Kontakt, die wir nicht mit Corona anstecken dürfen", erklärt ein Viertklässler altklug. Doch dem Jungen fallen Ungereimtheiten auf: "Erst wenn die Schule zu Ende ist, dürfen wir im Bus wieder nebeneinandersitzen – das ist schon komisch."

Wie in allen Schulen derzeit wird auch bei ihm ständig gelüftet. In den Fluren, in den Klassenräumen, in der Aula: "Überall ist es kalt, ohne Jacke hält man das nicht aus", sagt der Zehnjährige. Das geschehe "wegen dem Corona". Während viele Behörden des Landes mit Luftfiltern ausgestattet wurden, sind Alltagsmasken, Dauerlüften und eine am Lehrermangel scheiternde Empfehlung, die Klassen zu teilen, das einzige politische Corona-Konzept für die Schulen.

Noch rigoroser geht es an einer bayrischen Grundschule zu, wie eine Mutter per E-Mail berichtet. Ihre sechsjährige Tochter muss bereits den ganzen Tag über eine Maske tragen, auch im Unterricht. "Ich musste sie schon mal für einige Tage aus der Schule nehmen, weil sie immer Kopfschmerzen hat sich eines Abends übergeben musste", schreibt sie. Sie sei verzweifelt, denn es gilt Schulpflicht. 

Alles nur "emotionaler Widerstand"?

Eine andere Mutter postet in einer Elterngruppe gegen die Maskenpflicht in Schulen ein Foto vom Gesicht ihres Kindes. Um den Mund herum ist alles rot und voller kleiner Bläschen – eine sichtbare Entzündung. "Das ist, seit sie den ganzen Tag Maske tragen muss und wird immer schlimmer", informiert sie und fragt nach Salben, die helfen könnten. Zum Kinderarzt traue sich nicht mehr. Dort habe man bereits klargestellt, Atteste nur noch in "sehr schwerwiegenden Fällen" ausstellen zu wollen. Dermatitis zählt nicht dazu.

Viele berichten inzwischen davon, dass ihre Schule das ärztliche Attest zur Maskenbefreiung für Kinder nicht anerkenne. Das Oberverwaltungsgericht (OVG) Münster und das Verwaltungsgericht (VG) Würzburg zum Beispiel gaben den Einrichtungen dabei Rückendeckung. Sie hatten bereits im September entschieden, dass Atteste nur mit ausführlicher Diagnose gültig seien. Doch auch wenn die Diagnose darin genannt ist, genügt sie der Schule oft nicht. Asthma? Nicht so schlimm. Das "Gemeinwohl" gehe vor. Schulleiter und Lehrer werden plötzlich zu Kinderärzten.

Bei diesem Vorgehen bestärkt werden Schulleiter und Richter sogar von Medizinerverbänden. In einer neuen Stellungnahme heben die Deutsche Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie, der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte, die Deutsche Gesellschaft für Kinder- und Jugendmedizin und andere hervor, dass Studien keine gravierenden Probleme bei medizinischem Personal, also Erwachsenen, durch längeres Tragen von OP- oder FFP2-Masken gezeigt hätten. Für Sechs- bis 16-Jährige mit "Alltagsmasken" gibt es offenkundig keine Studien. Der wichtige Grundsatz in der Medizin, wonach Kinder keine kleinen Erwachsenen sind, wurde mutmaßlich für diesen Fall außer Kraft gesetzt.

Zwar sei bei den Masken tragenden Erwachsenen ein "erhöhter Atemwiderstand" gemessen worden, so die Verbände sinngemäß. Auch stelle sich vor allem bei körperlicher Belastung schnell "Unwohlsein" ein. Und: Leider sei die Datenlage zu Kindern und Jugendlichen "dünn". Trotzdem gehen die Mediziner davon aus, dass auch längeres Tragen von Alltagsmasken selbst für Sechsjährige nicht problematisch sei. Sie behaupten, Symptome wie Kopfschmerzen lägen eher an "emotionalem Widerstand". 

Glaube statt Evidenz

Offenbar haben sich die Ärzteorganisationen dazu entschieden, sich ungeachtet ihrer Berufsethik hinter politische Entscheidungen zu stellen. Räumen sie doch gleichsam ein, dass "vor allem Kinder unter zehn Jahren wenig an der Verbreitung des Virus beteiligt sind". Dass gesunde Kinder nicht gefährdet sind, ist auch lange bekannt. Die Kinder sollen andere schützen, lautet die Parole. Mit Ganztagsmaskenzwang, autoritärem Hygieneregime und ausufernden Quarantänemaßnahmen nehmen Erwachsene sie in Regress, seit Monaten und mit wachsendem Eifer – mit unbekannten physischen und psychischen Folgen.

Die Studienlage zum behaupteten Nutzen von Alltagsmasken ist tatsächlich dünn. Selbst Virologe Christian Drosten, Einflüsterer der Bundesregierung, räumte dies im September bei einer Anhörung im Bundestag ein. Man befinde sich im Bereich reiner "Spekulation", so Drosten. Ein wirksamer Einfluss auf den Verlauf der Pandemie ist schon gar nicht erkennbar. Mal davon abgesehen, dass Kinder kein ausgebildetes Klinikpersonal sind und Schulen und Busse keine Operationssäle, worauf sich die Datenlage vor allem bezieht: Mehrere von der Autorin befragte Landesregierungen konnten keinerlei Bemühen vorweisen, den Nutzen und Schaden der Maskenpflicht in Schulen zu prüfen und gegeneinander abzuwägen.

Die Maske erscheint mehr wie ein Glaubensbekenntnis: Auf mehr positiv Getestete reagieren die Bundesländer und Kommunen mit immer strengeren Maskenpflichten, auch im Freien und mit immer seltsameren Auswüchsen – obwohl bisher nicht einmal irgendeine Korrelation zwischen Ausweitung von Maskenpflichten erkennbar ist – geschweige denn eine Kausalität. Wo Glaube mehr zählt als Evidenz, nimmt der Staat Nebenwirkungen und auch Langzeitschäden in Kauf. Und er drängt Eltern in einen unauflösbaren Widerspruch zwischen der Sorge um ihr Kind und den repressiven Verordnungen. 

Kinder als "Gefährder"

Kinder und Jugendliche, also Schutzbefohlene, werden vielfach härter drangsaliert als Erwachsene. Arbeitsschutzrichtlinien empfehlen für Beschäftigte eine maximale Maskentragedauer von zwei Stunden, der eine Pause von mindestens einer halben Stunde folgen soll. In Berlin zum Beispiel sollen Büroangestellte zwar Masken tragen, können sie am Arbeitsplatz aber abnehmen. Für Kinder und Jugendliche an weiterführenden Schulen gilt das nicht – sie müssen damit den ganzen Tag im Unterricht sitzen. Die Politik nimmt nicht nur mögliche Folgeschäden bei den Jüngsten billigend in Kauf. Sie entwürdigt auch die Kinder zu potenziell infektiösen Objekten.

Letzteres mahnte der Magdeburger Kindheitswissenschaftler Michael Klundt bereits im September in der Kinderkommission des Bundestages an. Man habe Kinder mit Beginn der "epidemischen Lage" zu Objekten degradiert, die nur dafür da seien, Wissen in sie einzutrichtern, kritisierte er sinngemäß. Niemand habe sie nach ihrem Befinden und ihren Problemen befragt, man habe stets über ihre Köpfe hinweg entschieden. So läuft es bis heute. Die Kinderkommission hat ganz offensichtlich einen nachgeordneten Stellenwert.

Auch die noch gehörten Virologen der Bundesrepublik scheinen nicht darüber nachzudenken, dass es sich bei Kindern um fühlende Wesen handelt. Im neuesten NDR-Podcast beschränkt sich Drosten-Vertreterin Sandra Giesek darauf, Kinder als "Teil der Pandemie" zu deklarieren. Es folgen kalte Mutmaßungen zur Ansteckungsgefahr durch Kinder, aufgeschlüsselt nach Altersgruppen: Kinder als Gefährder. 

Preußisch-diktatorisches Schulregime

In den Tagesthemen der ARD darf eine andere Virologin mit ähnlichen Inhalten zu Wort kommen. Isabella Eckerle von der Universität Genf behauptete dort, Schulen würden als Hotspots unterschätzt. Die Politik diskutiert Maßnahmenkataloge für Kinder. Ihnen soll vorgeschrieben werden, nur noch mit einem Freund zu spielen. Man denkt über Quarantäne für Kleinkinder mit Schnupfnasen nach, die sie im Winter ständig haben. Man isoliert Kinder, um ganz allgemein "Risikogruppen mit multiplen Vorerkrankungen" vor COVID-19 zu schützen. Keine Ethikkommission, kein Ärzteverband geht auf die Barrikaden.

Was macht es mit einer Gesellschaft langfristig, wenn einer ganzen Generation Angst vor Mitmenschen eingetrichtert wird? Denkt darüber niemand nach – oder ist das gar einkalkuliert? Es ist erstaunlich, wie in einer angeblich freiheitlichen Grundordnung im Eiltempo ein preußisch-diktatorisches Regime gegen Kinder etabliert werden konnte, getragen von einem hierarchischen Bürokratieapparat.

Die Kleinen sollen sich gefälligst im Zweimeter-Abstand aufreihen, nicht miteinander spielen, in aufgemalten Kreisen oder Vierecken stehen, allen Anweisungen gehorchen und nur nicht so viel fragen. Tragen sie ihre Maske nicht richtig, gibt es schon mal Strafarbeiten. "Wenn ich meine Kohorte verlasse, kann ich andere umbringen", sagt der siebenjährige Jeremy gegenüber der Autorin. Wo er das gehört hat? "In der Schule."

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