Meinung

Corona und die "vernünftigen" Beherrschten

Corona ist die Stunde der Transhumanisten: Kontrolle und Proftmaximierung werden als Aufklärung und Wissenschaft präsentiert. Die Grenzen von Vernunft und Wahnsinn verschwimmen. Die Entfremdung des Menschen im technokratischen Kapitalismus gibt ihnen Aufwind.
Corona und die "vernünftigen" BeherrschtenQuelle: Gettyimages.ru © Esther Moreno Martinez / EyeEm / Getty Images

von Susan Bonath

Unter dem Vorwand, sie vor dem Tod durch COVID-19 zu beschützen, sperrt der Staat Alte, Kranke und Sterbende in Pflegeheimen und Kliniken ein. Depressionen durch Vereinsamung, Thrombosen durch Mangel an Bewegung und eine offenbare Eskalation der Suizidversuche nimmt das Machtorgan der herrschenden Klasse als Kollateralschäden hin. Man traumatisiert Kinder mit ausuferndem Hygieneterror in Schulen und Kitas, obwohl das Virus für sie kaum gefährlich ist. Staatliche Übergriffe gelten als alternativlos. Maßnahmenkritik ist, was Gotteslästerung in der Frühen Neuzeit war. Als Erlösung verspricht die Bundesregierung einen neuartigen gentechnischen Impfstoff der Firma BioNtech. Nach enorm verkürzten Testphasen droht ein gigantisches Menschenexperiment mit unabsehbaren Folgen.

Hexenjagd auf Ungläubige

Von Verhältnismäßigkeit und Rationalität kann schon lange keine Rede mehr sein. Seit Monaten schüren Politik und Medien hysterisch Todespanik, indem sie virtuelle Angstbilder in die Hirne pflanzen. "Fallzahlen" werden mit nicht standardisierten PCR-Tests herbei getestet. Neue Forschungen zu SARS-CoV-2, die den Erreger als viel weniger gefährlich als anfangs vermutet einstufen, ignorieren die Tonangebenden fast schon aggressiv. Niemand unterscheidet zwischen entdeckten Virusgenom-Schnipseln und einer Krankheit, medizinische Standards scheinen ausgehebelt. Jeder, der SARS-CoV-2 mit einem grippalen Erreger vergleicht – und sei es der hochkarätigste Wissenschaftler – wird von einer scheinbar eingeschworenen Glaubensgemeinschaft wie ein Häretiker aus dem Schoße der vermeintlich "Vernünftigen" geprügelt.

Allein der Versuch, Vergleichszahlen herauszufinden, etwa zur Belegung der Intensivstationen oder der Überlastung der Kliniken vor und während Corona, hat den Stellenwert von Ketzerei. Nur die Frage, ob jemand an oder nur mit COVID-19 an einer anderen schweren Erkrankung, eventuell gar an Altersschwäche verstarb, macht einen im Handumdrehen zu einem moralisch unwürdigen, ja "asozialen" Subjekt. Kritisch beäugt wird, wer es wagt, die Kollateralschäden zu thematisieren. Wer die durchgepeitschte Genimpfung skeptisch sieht, wird medial in einen Topf geworfen mit Total-Impfverweigerern und esoterischen Spinnern. Maßnahmenkritiker müssen mit Löschung in den sozialen Medien und Verfolgung durch die Polizei rechnen. Debatte? Unerwünscht!

Die Endlichkeit des Lebens

Außerhalb von Corona ist Deutschland ein Land der akkuraten Statistiken. Alles wird erfasst: die Anzahl bestimmter Bäume und von Milchkühen, die Ess- und Rauchgewohnheiten der Einwohner, die Altersverteilung, die Sterblichkeit. Laut Statistischem Bundesamt starben im Jahr 2018 Männer mit durchschnittlich 76 Jahren. Frauen wurden im Schnitt fünf Jahre älter. Seit den 1950er-Jahren sind diese Werte um fast 20 Jahre gestiegen – anders als in vielen afrikanischen und asiatischen Ländern. Das liegt an besserer Ernährung und Hygiene, medizinischer Vorsorge, sinkender Säuglingssterblichkeit.

Das Robert Koch-Institut (RKI) gab das Sterbealter der mit einem positiven Corona-Test Verstorbenen bis zum Spätsommer mit 81 Jahren an, Frauen und Männer zusammengefasst. Für die letzten Wochen muss man es selbst anhand der veröffentlichten Tabellen errechnen, weil die Wissenschaftsbehörde die Zahl nicht mehr publiziert. Möglicher Grund: Es ist wohl gestiegen. Zwischen dem 3. und dem 10. November starben Männer mit COVID-19 demnach mit durchschnittlich 81, Frauen mit rund 85 Jahren. Acht über 100-Jährige waren darunter, 80 Prozent der Frauen und 74 Prozent der Männer waren über 80 Jahre.

An dieser Stelle stößt man auf aggressiven Widerstand. Man wolle wohl, dass die Alten sterben, ruft der Mob der Moralischen. Um diese Frage provokativ mit den Worten des Mediziners Paul Brandenburg im Interview mit der Journalistin Milena Preradovič zu beantworten: Nein, wollen wir nicht, sie sterben einfach so. Weil sie alt und krank sind, weil das Leben endlich ist, weil wir alle irgendwann sterben. Die Mortalität beträgt letztlich 100 Prozent. Die "Corona-Toten" sterben zu einem Drittel (oder mehr) in Pflegeheimen, wo bundesweit auch ohne Corona jeden Tag für etwa 900 Menschen das Leben zu Ende geht.

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Pervertierung der Moral

Mit Toten lässt sich vortrefflich Angst schüren. Die meisten fürchten das Sterben, obwohl es alle eines Tages treffen wird. Das Altern, der körperliche Verfall und der Tod haben in der modernen westlichen Gesellschaft keinen Platz. Sterben wird negiert, verdrängt, ausgegrenzt. Gestorben wird meist in Kliniken an technischen Apparaten oder in Pflegeheimen, fernab der Wahrnehmung der meisten. Die Leistungsgesellschaft will fitte, jugendlich wirkende, immer lächelnde, markttaugliche Menschen. Wer nicht mehr mithalten kann, nicht mehr leistungsfähig ist, der stört. Einsamkeit im Alter ist ein zivilisatorisches Massenphänomen.

Damit einher geht die Angst vor dem eigenen Altwerden. Die Angst vor dem Abstellgleis, vor dem Verlust sozialer Beziehungen, vor technokratischer Apparate-Medizin. So technokratisch und emotionslos wie eine profitmaximierende Maschine wird auch das Leben betrachtet – so als wären Menschen Roboter, die nur effizient repariert, geflickt und permanent optimiert werden müssten.

Gute und moralisch korrekte Menschen verhindern das unbekannte Böse. Sie verhindern das Sterben alter und kranker Menschen um jeden Preis, so das Narrativ. Auch wenn man die Alten selbst dafür entmündigt, isoliert, einsperrt. Es scheint, als projiziere man die Angst vor dem eigenen Sterben auf jene, die kurz davorstehen. Und auf die Kinder, die derzeit wie Gefährder behandelt und massenhaft in Quarantäne gesteckt werden. Um selbst nicht mit der eigenen Angst konfrontiert zu werden, so scheint es, beraubt man die Schwächsten all ihrer Freuden.

Die maximale Optimierung menschlichen Lebens

Die COVID-19-Pandemie ist die Stunde der Transhumanisten. In den Reihen der Superreichen geben sie sich seit vielen Jahren ein Stelldichein. Tesla-Chef Elon Musk träumt von einer Kolonie des Geldadels auf dem Mars. Im Silicon Valley lassen er, der US-amerikanische Forscher Raymond Kurzweil, Amazon-Gründer Jeff Bezos und andere Wohlhabende einen Stab von Wissenschaftlern aus den Bereichen Molekularbiologie, Genetik und Medizin nach Mitteln forschen, die den Alterungsprozess aufhalten, den Tod besiegen sollen. Die Weltbevölkerung nutzen sie als Forschungsobjekte, sammeln ihre Gesundheitsdaten.

Der britische Bioinformatiker Aubrey de Grey beschreibt das Altern beispielsweise als furchtbare Krankheit, die es zu besiegen gelte. Er fordert seit Langem mehr staatliche Mittel für die Erforschung von Technologien, die das Leben verlängern sollen. Kurzweil hegt sogar Fantasien von der Transformation menschlichen Bewusstseins in Bits und Bytes. Er will den Geist von körperlichem Verfall befreien.

Hier verschwimmen Grenzen von der Vernunft zur gefährlichen Irrationalität, werden unscharf. Vernünftig ist es, Medikamente zu entwickeln, um Krankheiten zu heilen und vielen Menschen ein langes, gesundes Leben zu ermöglichen. Es beginnt irrational zu werden, wenn verneint wird, dass noch immer jeder fünfte Erdbewohner – vermutlich längst viel mehr – unter erbärmlichen, elenden Bedingungen lebt und sich nicht einmal sicher ernähren kann. Es beginnt gefährlich zu werden, wenn Einzelne kraft ihrer Macht Milliarden von Menschen als Versuchskaninchen für die Durchsetzung persönlicher Maximal-Optimierungs- und Unsterblichkeitsfantasien missbrauchen. Wenn sich Einzelne als Herren über Leben und Tod aufspielen.

Der Begriff des Transhumanismus wurde in den 1930er-Jahren von dem britischen Biologen Julian Huxley geprägt. Dieser strebte wie seine heutigen Kollegen eine "neue Gesellschaft" an, in der die Menschen ihr vollständiges Potenzial ausschöpfen. Er befürwortete als Mittel dafür die Eugenik. Nach seiner Vorstellung könnten und müssten bessere Menschen gezüchtet werden. Die deutschen Faschisten pervertierten diese Ideologie bis aufs Äußerste: durch Zwangssterilisationen, erzwungene Abtreibungen, Tötung von Behinderten und schließlich durch industrielle Massenvernichtung "unwerten Lebens".

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Ein Produkt der Entfremdung?

In der zivilisierten, technokratisch orientierten, digital-kapitalisierten westlichen "Werte"-Gesellschaft haben Transhumanisten ein leichtes Spiel. Denn der Einzelne ist zu einem Rädchen in einer riesigen, inzwischen hoch technisierten und digitalisierten, virtuelle Tauschwert-Zahlen transferierenden, emotionslosen, kalten, profitgenerierenden Kapitalmaschine geworden, die Karl Marx bereits vor mehr als 150 Jahren nicht zu Unrecht als "automatisches Subjekt" bezeichnete.

Marx sah bereits die damaligen kapitalistischen Produktionsbedingungen als Grund für eine Entfremdung des Menschen von sich selbst, seiner Arbeit, seinen Mitmenschen und von der Natur. Lohnarbeiter verlieren den Bezug zu ihren Produkten, da ihnen weder diese noch die Produktionsmittel gehören. Mitmenschen werden zu Konkurrenten, die Natur zu einem fernen oder ausbeutbaren Objekt, und letztlich betrachtet sich jeder selbst als Ware auf einem globalen Markt.

Was zu Marx' Zeiten Geldstücke und Scheine waren, dient heute in Form von Bits und Bytes als Bewertungskriterium für alles: für das Eigentum und den Besitz, für jedes Bedarfsgut, jeden Freizeitspaß und die eigene Arbeitskraft. Und auch für die Gesundheit. Wie viel kostet der Zahnersatz, das neue Hüftgelenk, das Zusammenflicken nach einem schweren Unfall? Der moderne Mensch hat von Kindesbeinen an gelernt, in diesen Kategorien zu denken. Und die Preise werden längst von gigantischen Monopolen bestimmt, die nun nach der digitalen Überwachungsdiktatur, der allumfassenden Machtstellung greifen und die Bevölkerungen als Verfügungsmasse betrachten.

Digitale Methoden erlauben Propaganda bis in jeden Haushalt hinein, bis hin zu personalisierter Gehirnwäsche in den sozialen Medien, die von niemandem mehr ignoriert werden kann. Dass das Schüren von Ängsten ein effektives, sich kollektiv verstärkendes Machtinstrument ist, das kostengünstiger ist als massenhafter Einsatz von Waffen und physischer Gewalt, wusste schon Edward Bernays vor fast 100 Jahren. Fiktive Angstszenarien, wie eine vermeintliche unbestimmte Terror- oder andere Todesgefahr, lassen sich bestens mit Bildern ausschmücken und verbreiten.

Bietet die herrschende Macht zugleich eine Lösung, wie im Fall der COVID-19-Pandemie die fragwürdige Impfung, hat sie es leicht, sich Massen gefügig zu machen. Besonders perfide ist es, wenn sie ihr Handeln unter dem Deckmantel von Aufklärung, Moral und Humanismus verkaufen kann. Doch es gilt zu bedenken: Herrschaft ist niemals human und moralisch.

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