"Russische Hacker" statt Biden und Burisma: US-Medien finden zur alten Form zurück
Von Nebojša Malić
Eine plötzliche Wendung in letzter Minute vor den Präsidentschaftswahlen im November hat in der US-Innenpolitik so beinahe schon Tradition. Es gibt dafür sogar einen Namen – "Oktoberüberraschung" –, der bis 1980 oder so zurückverfolgt werden kann. Im Jahr 2016 sollte es eigentlich die "Access Hollywood"-Videoaufnahme von Donald Trump werden, allerdings nur um dann von der WikiLeaks-Veröffentlichung der E-Mails des Stabsvorsitzenden der Hillary-Clinton-Wahlkampagne John Podesta überschattet zu werden – die die Demokraten später Russland anlasteten.
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Dieses Mal scheint es ein Artikel der New York Post zu sein, in dem E-Mails von einem Laptop zitiert werden, der in einer Werkstatt im US-Bundesstaat Delaware gefunden wurde. Behauptet wird, dass der demokratische Präsidentschaftskandidat Joe Biden von der Verwicklung seines Sohnes Hunter in das ukrainische Gasunternehmen Burisma wusste.
Hunters Burisma-Job war nicht gerade ein Geheimnis. Aber die E-Mails deuten darauf hin, dass sein Vater, zu dieser Zeit US-Vizepräsident unter Barack Obama, davon wusste – was Biden zuvor bestritten hatte. Die wahnsinnig unausgewogene Reaktion der Medien und des politischen Establishments auf den Artikel der New York Post lässt darauf schließen, dass die Enthüllungen sie an empfindlicher Stelle trafen.
Bei Facebook erklärte man, man werde Reposts des Artikels unterdrücken, bis sie von "unabhängigen Faktenprüfern" überprüft worden seien. Twitter bezeichnete den Link zum Artikel als "unsicher". 968 Mainstream-Medienjournalisten, die es wagten, den Artikel überhaupt zu erwähnen, und sei es nur dafür, um ihn zu kritisieren, wurden unter Druck gesetzt, als hätten sie gegen einen Schweigekodex der Mafia verstoßen.
Es dauerte nicht lange, bis dieselben Leute, die jahrelang die "Russiagate"-Verschwörungstheorie vorangetrieben hatten, diese wieder hervorholten – mit der Behauptung, dass die von der New York Post beschafften Dokumente in Wirklichkeit aus einer "russischen Hacking-Aktion" stammten.
So stellte der in den USA prominente politische Kommentator Jonathan Chait, Autor bei der Zeitschrift New York und Kolumnist bei der Los Angeles Times, folgende Behauptung auf:
Die Chance, dass Rudy seine gehackten Hunter-Biden-E-Mails von den Russen erhielt, scheint extrem hoch zu sein.
The chance Rudy got his hacked Hunter Biden emails from Russians seems extremely high https://t.co/0hs2DJ8d7G
— Jonathan Chait (@jonathanchait) October 14, 2020
Im Falle schlechter Nachrichten den (falschen) Boten köpfen
Im Rahmen der Biden-Wahlkampagne wurde nicht etwa die Authentizität der E-Mails und Bilder in Frage gestellt – man behauptet lediglich, dass das Treffen zwischen dem Vizepräsidenten und einem hochrangigen Funktionär von Burisma, auf das in einer E-Mail Bezug genommen wird, nicht auf einem "offiziellen Zeitplan" gestanden habe. Wie dem auch sei: Das Argument, dass Russland "Burisma im Januar hackte" und irgendwie Urheber der Dokumente war, machte am Mittwochnachmittag ernsthaft die Runde.
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Und das aller erfolgt, nachdem das Medien-Establishment die Enthüllung völlig ignoriert hatte, dass das FBI die Medienberichte ausnutzte, um die Behauptungen im von Clinton finanzierten Steele-Dossier zu "bestätigen" – Behauptungen, wohlgemerkt, die der britische Spion Christopher Steele eigens in der Presse platziert hatte. Es war ein schockierendes Beispiel für Zirkelbezug bei der medialen Berichterstattung und damit ein umfassendes Versagen sowohl der US-Strafverfolgung als auch des Geheimdienstes.
Steeles Dossier wurde benutzt, um Anordnungen und Beschlüsse zum Bespitzeln von Trumps Wahlkampfstab zu erwirken und diese dann nach der Wahl 2016 fast ein Jahr lang verlängern zu lassen – selbst als das FBI bereits wusste, dass das Dossier gefälscht ist. Das gesamte "Russiagate" baut darauf auf. Doch weil der Erfolg so mancher Karriere, der reißende Absatz manch eines Buches, die Zuschauerquoten manch einer Miniserie, manch ein Pulitzer-Preis und Vermögen damit erwirkt wurden, mit dem Russiagate-Narrativ hausieren zu gehen, übertönte die Reaktion (welche Reaktion?) der Beteiligten nicht einmal das Zirpen der Grillen am Abend in den Prärien.
Logik – das ewige Neuland
Echte Journalisten hätten zumindest gefragt, warum diese E-Mail-Korrespondenz von Hunter Biden erst jetzt veröffentlicht wird – obwohl "Russland" sie doch angeblich im Januar beschaffen haben soll, also auf dem Höhepunkt des Versuchs der Demokraten, Präsident Trump seines Amtes zu entheben. Schließlich war ihr Hauptargument, dass Trump "um ausländische Einmischung" in die US-Präsidentschaftswahlen (!) geworben haben soll, indem er den Ukrainern anordnete, sie sollen zu Hunter Bidens Geschäften mit Burisma und zu den Umständen der Entlassung eines Staatsanwalts ermitteln, der Berichten zufolge seinerseits zu dieser Sache hätte ermitteln sollen. Dies, wohlgemerkt, obwohl eine Aufnahme von Joe Biden in den Akten liegt, auf der er damit prahlt, er habe den ukrainischen Staatsanwalt feuern lassen.
Was hat das FBI das ganze vergangene Jahr getan, als es geradezu auf einem Haufen Beweise dafür saß, dass ein Burisma-Funktionär Hunter darum bat, wortwörtlich "Ihren Einfluss zu nutzen, um eine Botschaft/ein Signal zu übermitteln", und so das Unternehmen vor der Regierung in Kiew zu schützen? Es scheint, als sei dies alles mit ziemlicher Sicherheit für das ganze Geschäft um die Amtsenthebung relevant gewesen.
Erste zu stellende Frage
Sie werden diese Fragen jedoch nicht von den etablierten US-Medien hören. Sie bestehen buchstäblich darauf, dass dies alles falsch sei, hier gibt es nichts zu sehen, gehen Sie weiter, Russland ist jetzt Thema!
Ein Twitter-Nutzer kommentiert überaus treffend:
Das gesamte Medienestablishment agiert als Schnelleingriffsabteilung des Teams Biden – in einem neuen Ausmaß, das in der US-amerikanischen Geschichte bei keiner Wahl zuvor gesehen wurde.
The entire media establishment is acting as Team Biden rapid response - at a new level not seen before in any election in American history.
— Cernovich (@Cernovich) October 14, 2020
Folgendes mutet in diesem Kontext wie Ironie des Universums an: Die New York Times schrieb am selben Tag, als die New York Post die Hunter-Biden-Dokumente veröffentlichte, eine Lobeshymne darüber, wie Trumps angebliche Aufforderung an die Ukraine, im Fall Burisma zu ermitteln, von Bidens Wahlkampfstab genutzt wurde, um seine Wahlkampfspenden durch die Decke gehen zu lassen, ja, förmlich in den Orbit zu schießen. Es war der erste große Auftrieb für die Kampagne des ehemaligen Vizepräsidenten, die bis dahin bestenfalls anämisch vor sich hin dümpelte.
Wir fanden vier entscheidende Wendepunkte für Bidens Spendensammelkampagne:
- Präsident Trumps Aufforderung an die Ukraine, gegen Bidens Sohn zu ermitteln
- Bidens Sieg in den Primaries in South Carolina
- Proteste nach dem Mord an George Floyd
- Ernennung von Kamala Harris zu seiner Vizekandidatin
Ein stellvertretender Wahlkampfleiter von Biden kommentierte, dass Trumps Bitte um Hilfe durch die Ukraine "der ganzen Welt deutlich gemacht habe, welchem Kandidaten er mit der meisten Furcht gegenüberstehen würde". In den 40 Tagen nach den Berichten zur Ukraine haben sich die Online-Spenden für Bidens Kampagne mehr als verdoppelt.
A deputy campaign manager for Biden said that Trump’s seeking help from Ukraine “made it clear to the whole world which candidate he feared facing most.”In the 40 days that followed the Ukraine news, online contributions to Biden’s campaign more than doubled. pic.twitter.com/KrFa9nFxOZ
— The New York Times (@nytimes) October 14, 2020
Das sieht ja ganz danach aus, als hätten Biden und die Demokraten das Motiv ebenso wie die Gelegenheit gehabt – und die Kontrolle über das US-Repräsentantenhaus und über die Medien gab ihnen auch die Mittel –, einen Skandal zu fabrizieren, der dazu benutzt werden kann, gleichzeitig Trump zu schaden und Biden zu helfen.
Nur dass die Mainstream-Medien nicht daran interessiert sind, diese Frage überhaupt zu stellen. Stattdessen schreien sie wieder "Russland!!", wie auch schon in den letzten vier Jahren.
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Übersetzt aus dem Englischen. Nebojša Malić ist ein serbisch-US-amerikanischer Journalist, Blogger und Übersetzer, der in den Jahren 2000 bis 2015 eine regelmäßige Kolumne für Antiwar.com schrieb und jetzt als leitender Autor bei RT International tätig ist. Folgen Sie ihm auf Twitter unter @NebojsaMalic
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