Meinung

Plump, plumper, EUvsDisinfo: Das manipulative Vorgehen der "Kämpfer gegen Desinformation"

Die sogenannte "East StratCom Task Force" soll "russischer Desinformation" in Europa kräftig Paroli bieten. Doch das Beispiel eines beanstandeten Videokommentars von RT Deutsch zeigt, wie manipulativ, oder im besten Fall unfähig, die Truppe dabei vorgeht.
Plump, plumper, EUvsDisinfo: Das manipulative Vorgehen der "Kämpfer gegen Desinformation"© Screenshot euvsdisinfo.eu.

von Timo Kirez

Vielleicht stammt die beste Definition von Ironie aus Dänemark. Der Philosoph Harald Høffding hat einmal folgenden Vergleich aufgemacht: "Der Unterschied zwischen Ironie und Humor ist so ausgedrückt worden, dass bei der Ironie Scherz hinter dem Ernst, beim Humor Ernst hinter dem Scherz steckt." Der Mann muss es wissen, eines seiner beliebtesten Werke lautet "Humor als Lebensgefühl". Was das mit "EUvsDisinfo" und "East StratCom Task Force" zu tun hat? Nur Geduld.

Am 29. Mai dieses Jahres veröffentlichte RT Deutsch ein Video, in dem der Kommentator Ivan Rodionov in 4:40 Minuten gewohnt bissig und mit viel Ironie Kritik an den selbsternannten Faktencheckern der Republik übt. Auch einige Mainstreammedien kriegen ihr Fett weg. Hauptkritikpunkt: Das undifferenzierte und zum Teil selbstgerechte Vorgehen beim Thema "Verschwörungstheorien" und "Verschwörungstheoretiker" im Zusammenhang mit Bill Gates und der Corona-Krise.

Und wie jeder Kommentator bedient sich auch Ivan Rodionov verschiedener Stilmittel, darunter unter anderem der Ironie. So zum Beispiel, wenn er im Bezug zu der medialen Bewertung der sogenannten "Aluhütler" sagt:

Diese glauben, unter anderem, dass der Corona-Impfstoff im Eilverfahren zugelassen und mögliche Nebenwirkungen in Kauf genommen würden. Dass die Pharmaindustrie zu viel Einfluss auf politische Entscheidungen hätte, erst Recht beim Geschäft des Jahrhunderts, und dass einige Gesundheitspolitiker und Experten nicht ganz frei vom Verdacht eines Interessenkonflikts wären. Dass die Politik es der 'Big Pharma' zu leicht machen würde, sich über die nötige Kontrolle hinwegzusetzen – alles kruder Irrsinn natürlich. Typisch für aluhütige Impfgegner. Oder dass das Virus aus einem Labor stamme – an dieser Stelle muss man allerdings auf Sicht fahren. Es ist nur dann eine Verschwörungstheorie, wenn sie von Verschwörungstheoretikern und ihren Medien verbreitet wird. Wenn seriöse Medien über eine Laborherkunft mutmaßen, ist es eine ernstzunehmende Hypothese.

Der Connaisseur findet in diesem Ausschnitt zwei Beispiele für Ironie. Der Satz "Alles kruder Irrsinn natürlich" will natürlich genau das Gegenteil ausdrücken. Das Stilmittel der Ironie definiert sich eben auch dadurch, dass der Sprecher etwas sagt, und das Gegenteil meint. Selbstverständlich sind die von Ivan Rodionov genannten Beispiele kein "kruder Irrsinn", sondern wichtige Kritikpunkte in der aktuellen gesundheitspolitischen Diskussion. Übrigens auch nicht erst seit der Corona-Krise.

Das zweite Beispiel ist der letzte Satz des Ausschnitts:

Wenn seriöse Medien über eine Laborherkunft mutmaßen, ist es eine ernstzunehmende Hypothese.

Nein, ist es natürlich nicht. Den Wahrheitsgehalt einer Aussage kann man nicht daran messen, wer die Aussage trifft. Außer man hat es mit russischen Staatsmedien zu tun, die lügen natürlich, weil sie russische Staatsmedien sind – Zirkelschluss. Bei dem Satz von Ivan Rodionov handelt es sich vielmehr um die ironische Zuspitzung der Tatsache, dass bestimmte Medien bestimmte Dinge ungestraft sagen dürfen, und andere dafür auf den Deckel bekommen. Diese Behauptung wird in dem Videokommentar durch die Einblendung von Beispielartikeln der Mainstreammedien belegt. Tatsächlich gingen auf der ganzen Welt auch sogenannte "seriöse Medien" der Frage einer möglichen Laborherkunft des Virus nach. Doch was macht EUvsDisinfo daraus?

Nicht nur schafft es die europäische Speerspitze gegen "russische Desinformation" nicht, die Aussagen Ivan Rodionovs korrekt ins Englische zu übersetzen – sie verstehen auch die ironischen Anspielungen nicht. Oder wollen sie nicht verstehen. Und manipuliert wird noch obendrein. Die englische Übersetzung auf der Webseite von EUvsDisinfo lautet allen Ernstes:

[...] the Corona-virus came from a laboratory. But at this point, you have to drive on sight. It's only a conspiracy theory if it's spread by conspiracy theorists and their media. But if mainstream media reported about the fact that the virus was made in a lab, then it would be no longer conspiracy.

Damit Sie nicht wieder hochscrollen müssen, hier die Passage noch einmal im Original:

Oder dass das Virus aus einem Labor stamme – an dieser Stelle muss man allerdings auf Sicht fahren. Es ist nur dann eine Verschwörungstheorie, wenn sie von Verschwörungstheoretikern und ihren Medien verbreitet wird. Wenn seriöse Medien über eine Laborherkunft mutmaßen, ist es eine ernstzunehmende Hypothese.

Merken Sie etwas? Genau: Wenn man den Einstiegssatz so abschneidet, wie EUvsDisinfo es tut, also das "Oder" rausnimmt, steht der Satz plötzlich als Aussage für sich. Der Zusammenhang mit dem vorherigen gesagten entfällt, obwohl er essentiell für das Verständnis der nachfolgenden Aussagen ist. Nun wirkt es so, als habe Ivan Rodionov behauptet, das Virus stamme aus einem Labor: "the Corona-virus came from a laboratory". Was er de facto nicht getan hat. Trotzdem wird der Beitrag auf der Webseite deswegen als "Desinformation" gebrandmarkt.

Wie würde EUvsDisinfo es (in dem Fall berechtigterweise) nennen, wenn RT Deutsch so mit einem Zitat umgehen würde? Richtig: Manipulation.

Und hat Ivan Rodionov am Ende des Ausschnitts nicht unüberhörbar gesagt: "ist es eine ernstzunehmende Hypothese" – und nicht "then it would be no longer conspiracy"? Hier legt EUvsDisinfo dem Kommentator Worte in den Mund, die er gar nicht gesagt hat. Entweder zitiert man, oder man interpretiert – beides auf einmal geht nicht. Ein glasklarer Fall von Fake News. Aber wenn es EUvsDisinfo tut, "ist es eine ernstzunehmende Hypothese", richtig? – aber Spaß beiseite.

Eben dadurch, dass der Kommentator das hochgestochene "ernstzunehmende Hypothese" nutzt, und nicht das profane "keine Verschwörungstheorie mehr" gewinnt die ironische Zuspitzung an Charme. Aber derartige Feinheiten übersteigen offenbar die Fähigkeiten von EUvsDisinfo. Doch dem kann abgeholfen werden – hier ein wenig Nachhilfe in Sachen Ironie:

Bei EUvsDisinfo arbeitet die Crème de la Crème der europäischen Geistesgrößen und schützt uns mit akribischen, unfehlbahren Recherchen jeden Tag tapfer vor den heimtückischen Destabilisierungsversuchen der niederträchtigen russischen Staatsmedien.

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