US-Truppen: Die einen jammern und wollen sie behalten, die anderen wollen sie loswerden
von Zlatko Percinic
Seit Mittwoch ist es offiziell: Die Bundesregierung wurde von der US-Regierung in Kenntnis gesetzt, dass es die Abzugspläne tatsächlich gibt. Ob es tatsächlich dazu kommt, wann es dazu kommt und in welchem Umfang ein Abzug stattfinden soll, ist freilich noch offen. Die Rede ist von mindestens 9.500 US-amerikanischen Soldaten, die aus Deutschland abgezogen werden sollen. Der frisch zurückgetretene Botschafter Richard Grenell meinte denn auch postwendend in einem Bild-Live-Interview am selben Tag:
Es werden nach wie vor 25.000 Soldaten in Deutschland bleiben, das ist keine kleine Zahl.
Das ist es in der Tat nicht. Es entspricht ungefähr der Zahl des gegenwärtigen US-Truppenkontingents (knapp 23.500) in Südkorea, wo sich dieses seit 1957 befindet. Verglichen mit den Zahlen während des Kalten Krieges, als allein in Westdeutschland rund zehnmal so viele "GIs" stationiert waren, die einer ähnlich starken sowjetischen Truppenpräsenz in Ostdeutschland gegenüberstanden, wären es allerdings spürbar weniger Soldaten. Mit dem Unterschied aber, dass der letzte sowjetische bzw. russische Soldat bereits im September 1994 deutschen Boden verließ.
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Die US-Amerikaner aber blieben. Zwar verringerte sich die Truppenpräsenz im Laufe der Jahre deutlich, aber die Bundesregierungen von Helmut Kohl (CDU), Gerhard Schröder (SPD) und Angela Merkel (CDU) ließen zu, dass die USA Deutschland von einem Front- und Grenzland des Kalten Krieges zu einem Aufmarschgebiet und Drehkreuz für ihre globalen Kriege transformierten. Dass dies gegen geltendes deutsches Recht verstößt, von der Justiz aber sogar noch verteidigt wird, spricht sprichwörtlich Bände.
Ebenso wie die Haltung der meisten deutschen Politiker. Sie alle wissen, was in Stuttgart, Ramstein oder Landstuhl geplant und ausgeführt wird, trotzdem war das Jammern groß, als die Nachricht hier eintraf. Die Entscheidung sei "inakzeptabel", polterte der Transatlantik-Koordinator der Bundesregierung, Peter Beyer. Die Grundpfeiler transatlantischer Überzeugungen und Werte würden dadurch ins Wanken gebracht, meinte der CDU-Politiker. Und Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) sagte beim Brüssel Forum der US-Stiftung German Marshall Fund am Montag, dass die "Präsenz von US-Truppen wichtig für Deutschland" sei.
Die transatlantischen Beziehungen sind Thema beim #BrusselsForum des German Marshall Fund @gmfus. #Verteidigungsministerin Kramp-Karrenbauer @akk dort im Interview: "Die Präsenz von #US-Truppen ist wichtig für #Deutschland, die #NATO aber auch für die #USA" 1/4 pic.twitter.com/xGVTRcWKV5
— Verteidigungsministerium (@BMVg_Bundeswehr) June 9, 2020
Während also die politische Elite der Bundesrepublik jegliches Rückgrat vermissen lässt und krampfhaft an einer Weltordnung festhält, deren Ablaufdatum bereits überschritten ist, freut sich unser östlicher Nachbar Polen über diese Entwicklung. Ministerpräsident Mateusz Morawiecki sagte dem Radiosender RMF24, dass er "zutiefst hofft", dass ein Teil dieser aus Deutschland abgezogenen Soldaten nach Polen verlegt wird.
Die Freude währte allerdings nur kurz. Während Warschau die Stationierung der US-Soldaten an der Grenze zu Weißrussland verlangt, sieht das Pentagon darin eine unnötige Provokation Russlands, wie ein namentlich nicht genanntes Regierungsmitglied der Nachrichtenagentur Reuters sagte. Nicht, dass man sich in Washington plötzlich um die Befindlichkeiten in Moskau sorgt. Doch es ist eine Sache, mit Truppenübungen oder Flugzeugen zu provozieren, aber etwas ganz anderes, einen permanenten Stützpunkt in der Nähe der Suwalki-Lücke zu errichten, die die russische Exklave Kaliningrad von Weißrussland trennt. Von der Beerdigung der NATO-Russland-Grundakte gar nicht zu sprechen.
In diesem Zusammenhang tauchten auch Fragen auf, die Morawiecki möglicherweise nicht bedachte, als er die Hoffnung aussprach, die US-Soldaten mögen in sein Land kommen. Wer soll das bezahlen? Polen verfügt nicht über die erforderliche Infrastruktur und müsste vieles neu aufbauen. Aber Warschau will dafür nicht mehr als zwei Milliarden US-Dollar aufbringen, wie es aus Regierungskreisen in beiden Ländern heißt. Für Washington ist das aber zu wenig.
Außerdem weigert sich die polnische Regierung bisher, den Wünschen der USA zu entsprechen und den US-Soldaten juristische Immunität zu gewähren, damit sie bei kriminellen Vergehen nicht vor ein polnisches Gericht gestellt werden. Deutschland hingegen bietet diese Immunität. Der stellvertretende Außenminister Paweł Jabłoński meinte dazu, dass es sich um einen "sehr komplizierten Prozess" handelt, der viel Zeit beansprucht.
Ein ganz anderes Problem hat hingegen der Irak. Während Deutschland und Polen die US-Truppen im eigenen Land belassen bzw. aufnehmen wollen, will sie Bagdad nach dem Parlamentsbeschluss im Januar loswerden. Die Entscheidung fiel als Reaktion auf die Ermordung des Vizechefs der Volksmobilmachungskräfte Abu Mahdi al-Muhandis und des iranischen Generalmajors Qassem Soleimani durch eine US-Drohne. Das Parlament verlangte daraufhin den Abzug sämtlicher ausländischer Kräfte.
Seitdem ist es ruhig geworden. Ministerpräsident Adil Abd al-Mahdi bestätigte zwar die Absicht, den Willen des Parlaments auch umzusetzen, verwies aber darauf, dass er den Posten nach seinem Rücktritt im November 2019 nur interimsmäßig innehabe, bis eine neue Regierung gewählt wurde. Erst am 7. Mai war es dann so weit, als mit Mustafa al-Kadhimi ein neuer Ministerpräsident vereidigt wurde.
Als ehemaliger Geheimdienstchef verfügt er über gute Kontakte zu den USA, aber auch zum Iran. Es wird von ihm erwartet, dass er, ohne die Last eines Parteiprogramms auf dem Rücken zu tragen, die drängendsten Probleme des Landes wie Korruption und Sicherheit angehen wird. Für die Beendigung des Stellvertreterkrieges zwischen Washington und Teheran wäre auch die Einsicht erforderlich, dass die US-Truppen ein eher destabilisierender Faktor im Irak sind, obwohl sie mit Bagdads Genehmigung im Land sind.
Kadhimi machte deutlich, dass er zu beiden Mächten ein gutes Verhältnis pflegen möchte, aber an der Parlamentsentscheidung für den Abzug der Truppen festhält. Am Freitag meldete nun die staatliche Nachrichtenagentur INA, dass sich beide Regierungen im Rahmen des US-Irakischen Strategischen Dialogs darauf einigten, den Willen des Volkes umzusetzen. Die US-Regierung habe sich verpflichtet, weitere Truppen aus dem Zweistromland abzuziehen und über den Status der verbliebenen Soldaten mit der Regierung Kadhimi zu verhandeln.
Die USA hätten auch bekräftigt, dass sie keine permanenten Stützpunkte oder eine ständige militärische Präsenz im Irak verfolgen, hieß es weiter. Allerdings wurde kein Zeitpunkt genannt, bis wann der Truppenabzug abgeschlossen werden soll. Auch wurde nicht mitgeteilt, wie viele US-Soldaten im Irak verbleiben sollen. Die vermehrten Angriffe verschiedener vorwiegend schiitischer Milizen auf Koalitionstruppen werden allerdings so lange anhalten, bis die "Besatzer" aus dem Land vertrieben worden sind.
Erst am Dienstag kam es zu einem schweren Zwischenfall, als ein militärisches Transportflugzeug des Typs C-130 Hercules der US Air Force auf dem Luftwaffenstützpunkt Tadschi beim Landeanflug angeblich mit Raketen angegriffen wurde. Offiziell erklärte der Pressesprecher der US-angeführten Anti-IS-Koalition lediglich, dass man keine "feindliche Aktivitäten vermutet" habe, dass das Flugzeug über das Rollfeld hinaus in eine Wand krachte und dabei vier Militärangehörige verletzt wurden.
Alle drei Länder haben aber eines gemein: Die Präsenz von US-Truppen wird von Regionalmächten in der Nachbarschaft und von Teilen der Bevölkerung als störendes Element und bisweilen auch als Bedrohung wahrgenommen. Je mehr offensive Waffensysteme und Kampftruppen in die Nähe ihrer Grenzen verlegt werden, desto größer wird die Unsicherheit über die wahren Absichten Washingtons. Die Vergangenheit lehrte die Menschen dort, die Vereinigten Staaten von Amerika nicht an ihren Worten, sondern an ihren Taten zu messen.
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