Meinung

Trauerfeier für George Floyd: Rassismus und die Krokodilstränen der US-Demokraten

Gestern wurde der durch einen brutalen Polizeieinsatz getötete Afroamerikaner George Floyd beigesetzt. Der passende Zeitpunkt, um sich einige weitere Gedanken zu machen. Wie glaubwürdig ist es etwa, wenn Hillary Clinton oder Joe Biden sich nun vermeintlich dem "Kampf gegen Rassismus" anschließen?
Trauerfeier für George Floyd: Rassismus und die Krokodilstränen der US-DemokratenQuelle: Reuters © Godofredo A. Vasquez

von Kani Tuyala

Mit flammenden Aufrufen gegen Rassismus und Polizeigewalt haben Angehörige und Ehrengäste bei der Trauerfeier für George Floyd Abschied von dem durch Polizeigewalt getöteten Afroamerikaner genommen. Nach der emotionalen Zeremonie in einer Kirche in Houston im US-Bundesstaat Texas erfolgte die Beisetzung von Floyd im Privaten. Der Sarg wurde auf der letzten Meile in einer weißen Pferdekutsche transportiert. Das Eintreffen des Trauerzugs am Friedhof verfolgten zahlreiche Menschen am Straßenrand.

Wenn wir dich heute zur Ruhe legen, wird die Bewegung nicht ruhen, bis wir Gerechtigkeit bekommen, bis wir einen Standard an Gerechtigkeit haben", gelobte der prominente Bürgerrechtler Al Sharpton bei der Trauerfeier vor Angehörigen, Freunden und anderen Gästen.

"Wir werden weiterkämpfen, bis wir wissen, dass der Preis für ein schwarzes Leben derselbe ist wie der Preis für ein weißes Leben, werden wir diese Situationen immer und immer wieder erleben", ergänzte Sharpton.

Die Polizeigewalt deren Opfer unverhältnismäßig oft Afroamerikaner sind, ist dabei nur das offensichtlichste Symptom einer in der US-Gesellschaft tief verwurzelten Krankheit namens Rassismus. Die Proteste haben also selbstverständlich ihre Berechtigung. Es ist daher zynisch und vielsagend zugleich, dies außer Acht zu lassen, um den Fokus direkt auf die teilweise gewalttätigen Ausschreitungen und Plünderungen am Rande der Proteste zu legen oder die Proteste als "politisch gesteuert" zu verunglimpfen. Primär gilt es, zunächst einmal das existente Problem zu benennen.

Interessant ist angesichts des berechtigten Zorns und der Trauer – offensichtlich nicht nur der schwarzen US-Amerikaner –, wer sich dem allzu berechtigten Kampf in der Zwischenzeit vermeintlich angeschlossen hat. Bei der Riege der prominenten politischen Unterstützer mag einem schwindelig werden. Zweifel an deren Aufrichtigkeit sind allerdings durchaus angebracht.

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Zu dem bizarren Stelldichein gesellten sich Persönlichkeiten, wie etwa, der sich längst im Wahlkampfmodus befindende US-Demokrat Joe Biden. Er braucht die Stimmen der schwarzen US-Bevölkerung – und wird sie trotz allem wohl auch bekommen. Auf der Floyd-Trauerfeier ergriff der designierte demokratische Präsidentschaftskandidat das Wort und rief "zur Überwindung des Rassismus" auf.

Wir können die Wunden dieser Nation heilen", erklärte Biden salbungsvoll.

Zu viele schwarze US-Amerikaner "wachen auf und wissen, dass sie ihr Leben verlieren können, indem sie einfach ihr Leben leben", beklagte Biden.

Wenn George Floyd Gerechtigkeit erfährt, werden wir wirklich auf unserem Weg zur Rassengerechtigkeit in Amerika sein", ergänzte der US-Demokrat.

Es handelt sich um denselben Joe Biden, der sich in einer Debatte demokratischer Präsidentschaftsbewerber im September 2019 beim Thema Sklaverei um eine klare Positionierung drückte und selbst rassistisches Gedankengut erkennen ließ. Nach dem Erbe der Sklaverei und dessen Bedeutung für die heutigen USA gefragt, hatte Biden in seiner bizarren Antwort u. a. Folgendes zu sagen:

Wir bringen Sozialarbeiter in die Häuser der Eltern, um ihnen bei der Erziehung ihrer Kinder zu helfen. Es ist nicht so, dass sie nicht helfen wollen, sie wollen nicht – sie wissen nicht so recht, was sie tun sollen.

Ist das die Antwort eines demokratischen US-Spitzenpolitikers, der sich der Geschichte des eigenen Landes bewusst ist?

Joe Bidens Antwort auf die Frage, wie mit dem Erbe der Sklaverei umzugehen sei, war entsetzlich – und disqualifizierend. Sie endete mit einer Predigt, die implizierte, dass schwarze Eltern nicht wissen, wie sie ihre eigenen Kinder erziehen sollen", ordnete das Nachrichtenportal The Intercept die Einlassungen Bidens ein.

Im August 2019 ließ sich Biden dann in einer von der Asian & Latino Coalition organisierten Fragestunde über Bildung und die Notwendigkeit aus, Studenten herauszufordern. Dabei wurde erneut deutlich, wes Geistes Kind der designierte demokratische Präsidentschaftskandidat ist, als er sagte, dass "arme Kinder genauso intelligent und talentiert sind wie weiße Kinder".

Es ist derselbe Joe Biden, der während der 1980er und 1990er Jahre dazu beitrug, eine Reihe von Gesetzentwürfen zu verabschieden, durch die das US-Strafrechtssystem massiv verschärft wurde. Laut Experten sind es schwarze US-Amerikaner, die von den "Reformen" besonders betroffen sind. Seine Position propagierte er demnach in einer "entmenschlichenden und paternalistischen Sprache (...), die in den 1980er Jahren populär war – und von Politikern wie Biden populär gemacht wurde".

Derweil forderte nun eine Gruppe unabhängiger UN-Rechtsexperten die USA dazu auf, gegen systemischen Rassismus und strukturelle rassistische Voreingenommenheit im US-Strafrechtssystem vorzugehen.

Heute verurteilen wir @UN_SPExperts vereint die moderne Form von Rassenterror-Lynchmorden in den USA und fordern systemische Reformen und Gerechtigkeit", erklärte der deutsche UN-Sonderberichterstatter für Folter Nils Melzer.

Jetzt ohne wenn und aber ein vermeintlicher Advokat der Floyd-Proteste sagte der politische Opportunist Biden über seinen damaligen Rivalen im Rennen um das Weiße Haus, Barack Obama, im Jahr 2007:

Ich meine, man hat den ersten Mainstream-Afroamerikaner, der wortgewandt und schlau, sauber und ein gut aussehender Typ ist.

Um es sich nicht mit der weißen Wählerschaft in den sogenannten "swing states" zu verderben, holte der Präsidentschaftsbewerber Obama Biden wegen und nicht trotz solcher Entgleisungen als zukünftigen Vizepräsidenten an seine Seite. Später war sich Obama gegenüber seinem Berater David Axelrod sicher, dass "Barack Hussein Obama für die meisten Menschen Veränderung genug" sei.

Als der schwarze Footballspieler Colin Kaepernick im Jahr 2016 von seiner Meinungsfreiheit Gebrauch machte und es aus Protest gegenüber der grassierenden Polizeigewalt vorzog zu knien, anstatt die US-Nationalhymne zu singen, war es im Übrigen US-Präsident Barack Obama der Kaepernick ermahnte. Demnach solle Kaepernick auch den "Schmerz" berücksichtigen, den er dadurch bei Angehörigen des US-Militärs hervorrufe.

Ich möchte, dass Herr Kaepernick und andere ,die knien, ich möchte, dass sie dem Schmerz Aufmerksamkeit schenken, den sie zum Beispiel jemandem bereiten, dessen Ehepartner oder Kind im Kampf gestorben ist. Ich möchte aber auch, dass die Leute über den Schmerz nachdenken, den er [Kaepernick, Anm. d. Red.] vielleicht zum Ausdruck bringt, über jemanden, der einen geliebten Menschen verloren hat, der seiner Ansicht nach zu Unrecht erschossen wurde", lautete die kryptische Ansage Obamas während eines CNN-Bürgergesprächs.

Es ist nicht bekannt, ob sich Obama ebenfalls Gedanken um den "Schmerz" der Familien macht, deren Angehörige auch unter seiner Regentschaft im Namen von "Freiheit", "Demokratie" oder dem "Krieg gegen den Terror" durch US-Drohnen und Bomben ihr Leben verloren.

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Biden ist derweil angesichts des brutalen Todes George Floyds' – Beobachter sprechen auch von einem "Hassverbrechen" – bei weitem nicht der einzige Trittbrettfahrer des politischen US-Establishments.

Da wäre als weiteres Beispiel die demokratische Grande Dame schlechthin, Hillary Clinton, zu nennen.

Wenn man sich die jungen Menschen ansieht, die die Hauptakteure der friedlichen Proteste als Reaktion auf den Tötung von Mr. Floyd sind, bin ich hoffnungsvoll, dass dies nicht nur einige Herzen, sondern auch einige strukturelle Hindernisse für Gleichheit und Gerechtigkeit (...) aufbrechen kann", hatte Clinton u.a. zur aktuellen Debatte zu sagen.

Sowohl sie als auch ihr Ehemann Bill Clinton konnten sich stets auf die Loyalität der schwarzen Wählerschaft verlassen und das nur aufgrund der Tatsache, dass sie US-Demokraten sind. Die afroamerikanische Schriftstellerin Toni Morrison nannte Bill Clinton gar "unseren ersten schwarzen Präsidenten". Also der Clinton, der u. a. in der TV-Show des prominenten schwarzen Entertainers Arsenio Hall zum Saxophon griff und einen wohl kalkulierten Auftritt hinlegte.

In der Praxis kapitulierte er jedoch vor der rechten Gegenreaktion gegen die Bürgerrechtsbewegung und machte sich die Agenda des ehemaligen Präsidenten Ronald Reagan zu den Themen Rasse, Kriminalität, Wohlfahrt und Steuern zu eigen – und richtete letztlich mehr Schaden in den schwarzen Gemeinden an, als es Reagan jemals getan hat", erläuterte hingegen die schwarze Juristin, Bürgerrechtlerin und Hochschullehrerin Michelle Alexander.

Bei seinem doppelten Spiel konnte sich der damalige US-Präsident stets auf die Unterstützung seiner Gattin Hillary verlassen. Zudem war es Hillary Clinton, die bei ihrer Unterstützung für das Kriminalitätsgesetz von 1994 Gebrauch von rassistisch kodierter Rhetorik machte, um schwarze Kinder als "Raubtiere" darzustellen.

Es sind nicht mehr nur Banden von Kindern. Sie sind oft die Art von Kinder, die als 'Super-Raubtiere' bezeichnet werden. Kein Gewissen, keine Empathie. Wir können darüber reden, warum sie so endeten, aber zuerst müssen wir sie in die Knie zwingen", polterte Clinton.

Längst spricht man aufgrund des US-Gefängnissystems von einer "Gefängnisindustrie". Heute sitzen 2,2 Millionen US-Bürger und Bürgerinnen hinter Gittern – mehr als in jedem anderen Land der Welt. Überproportional vertreten und mit höheren Haftstrafen belegt – die schwarze US-Bevölkerung. Durch Masseninhaftierung wird in Amerika vor allem Gewinn gemacht. Ein System, an dessen Entwicklung sowohl Joe Biden als auch Bill und Hillary Clinton unter Bedienung rassistischer Stereotype mitgewirkt haben.

Gefängnisse sind die neuen Plantagen", erklärte die afroamerikanische Filmregisseurin Ava DuVernay in ihrem Filmessay 13th.

Die Basis dafür liefert der 13. Zusatzartikel der US-Verfassung.

Weder Sklaverei noch Zwangsdienstbarkeit darf, außer als Strafe für ein Verbrechen, dessen die betreffende Person in einem ordentlichen Verfahren für schuldig befunden worden ist, in den Vereinigten Staaten oder in irgendeinem Gebiet unter ihrer Gesetzeshoheit bestehen", heißt es dort.

Hillary Clinton war es auch, die angesichts des Lynchmordes am libyschen Staatsoberhaupt Muammar al Gaddafi voller Freude ausrief:

Wir kamen, wir sahen, er starb.

Zuvor war das nordafrikanische Land von der US-dominierten NATO in die Steinzeit zurückgebombt worden. Die schwarze Bevölkerung Libyens sieht sich unter den islamistischen Warlords, die nach wie vor vor Ort ihr Unwesen treiben, mit Mord und Vertreibung konfrontiert und Afrikaner aus den südlicher gelegenen Teilen des Kontinents werden wie "Raubtiere" in Internierungslagern gehalten und auf Märkten feilgeboten. Noch deutlicher als mit Clintons Handlungen und Worten kann man kaum ausdrücken, welchen Wert man nicht-weißem Menschenleben im Allgemeinen und schwarzem Leben im Einzelnen beimisst.

Für die schwarze US-Bevölkerung hat es ohnehin nie eine Rolle gespielt, ob eine "demokratische" oder "republikanische" Regierung in Washington an der Macht war. Die jeweilige Politik gegenüber der afroamerikanischen Bevölkerung unterschied sich stets nur in Nuancen. Der US-Bundesstaat Minnesota, in dessen Stadt Minneapolis George Floyd den Tod durch die Polizei fand, wird ebenfalls traditionell von Demokraten regiert.

Ob Demokraten oder Republikaner glich und gleicht daher im Sinne eines glaubwürdigen Kampfes für Gleichberechtigung zwischen den vermeintlichen "Rassen" der Wahl zwischen Pest und Cholera. Für die aktuelle Problematik allein die Politik von US-Präsident Donald Trump verantwortlich zu machen, passt zum erzeugten Zerrbild, hat aber mit der Realität nichts zu tun. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Trump nicht einmal mehr vorgibt, sich gegen Rassismus und Polizeigewalt stark zu machen und die ohnehin bereits vorhandenen Gräben in der US-Gesellschaft weiter vertieft.

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