"Wir erinnern uns!": Flashmob zum Gedenken an Millionen sowjetischen Opfer des Faschismus gestartet
von Frida Berger
Die deutschen Mainstreammedien erwähnen das Datum – den 75. Jahrestag des Endes des Zweiten Weltkriegs in Europa – "fast ausschließlich mit Erinnerungen an die Befreiung Deutschlands durch die britischen und amerikanischen Soldaten", sagt die Leiterin des "Aktionsbündnisses Zukunft Donbass e.V." Dr. Raissa Steinigk im Gespräch mit RT Deutsch mit Bedauern. Sie ziehen es vor, die kolossalen Opfer der Sowjetunion im Kampf gegen den Nationalsozialismus zu verschweigen, ergänzt Steinigk. Besonders betroffen sind die Konzentrationslager für sowjetische Kriegsgefangene im Westteil Deutschlands. ARD und ZDF zeigen Dokumentarfilme über Gefangene von Konzentrationslagern, jedoch erwähnen sie nicht, dass es sowjetische Gefangene sind. Von 60 Millionen Toten im Zweiten Weltkrieg sind 27 Millionen Bürgerinnen und Bürger der Sowjetunion. Etwa 5,7 Millionen Angehörige der Roten Armee kamen in deutsche Kriegsgefangenschaft, wo etwa 3,3 Millionen an Hunger, Kälte, Krankheiten und Zwangsarbeit zugrunde gingen oder durch massenhafte Erschießungen getötet wurden. Auch der Tod dieser Millionen in Deutschland ums Leben gekommenen Menschen darf nicht vergessen werden, betont Steinigk.
Die in der Ukraine (Region Schitomir) Geborene lebt seit 1973 in Thüringen. Das Schicksal der sowjetischen Kriegsgefangenen liegt Steinigk besonders am Herzen, da es eine direkte Beziehung zu ihrer Familie hat. Wenn man die Geschichte über ihren Vater hört, erscheinen vor dem geistigen Auge sofort Bilder von diesem schrecklichen Schicksal, das Millionen sowjetischer Opfer damals auf deutschem Boden teilten. Er war seit 1942 in einem der Arbeitslager Buchenwalds. Er musste am "Todesmarsch" in Thüringen in Richtung Fulda teilnehmen, wurde von den Amerikanern befreit und in ein Sammellager für sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter nach Deutschland (Frankfurt an der Oder) zurückgeschickt. "Wir haben ein besonderes Schicksal. Mein Vater ist im September 1941 in Gefangenschaft geraten. Er überlebte und fand eine neue Familie in der Ukraine. Und der Vater meines Mannes – eines DDR-Bürgers –, kämpfte in der Nähe von Leningrad. Mein Vater sendete mir Briefe und Postkarten, in denen er immer schrieb: 'Möge es keinen Krieg geben, möge es Frieden geben'. Meine Tochter Ivana war seine geliebte Enkelin, und sie kennt das Schicksal ihres Großvaters ganz gut. Sie sagte, dass wir heute, 75 Jahre später, an die Kriegsgefangenen erinnern müssen, die qualvoll getötet wurden. Denn was mit ihnen nach dem Krieg geschah, ist unfair", so Steinigk.
Trotzdem spielte und spielt die Opfergruppe der sowjetischen Kriegsgefangenen im offiziellen Gedenken der Bundesrepublik (wie zuvor schon in DDR und BRD) eine völlig untergeordnete Rolle, beklagt die Vorsitzende des "Aktionsbündnisses Zukunft Donbass e.V."
Sie setzt sich dafür ein, dass das Andenken dieser Menschen nicht in Vergessenheit gerät. Zum 75. Jahrestag des Sieges im Großen Vaterländischen Krieg entschieden Steinigk und ihre Tochter, eine Aktion unter dem Namen "Wir erinnern uns!" zum Gedenken an die Opfer des Krieges zu organisieren. Am 17. März haben sie auf Facebook eine gleichnamige Seite erstellt.
Damit wollen die Organisatoren der Aktion nicht nur das Gedächtnis der deutschen Bürger beleben, sondern sie ermutigen auch dazu, am 8. und 9. Mai die Gräber bzw. Gedenkstätten sowjetischer Soldaten, Kriegsgefangener und Zwangsarbeiter zu besuchen und diese zu ehren. Eine Liste der über 4.100 Kriegsgräberstätten sowjetischer Militärangehöriger und Zwangsarbeiter in Deutschland ist auf der Webseite des Museums Karlshorst zu finden. Diese kann man per Karte oder nach Bundesländern suchen.
"Lasst uns diese Gräber aufsuchen. Lasst uns dieser Toten gedenken und Blumen niederlegen. Lasst uns gemeinsam erinnern an Menschen die nach Deutschland getrieben, hier ihr Leben verloren haben", heißt es in dem Aufruf des "AK Zukunft Donbass e.V."
Praktisch sollte sich diese Aktion in einen "Flashmob" verwandeln: Sie ist ein Aufruf an die Bewohner Deutschlands, der Opfer des Faschismus zu gedenken. Diese Aktion sollen bundesweit stattfinden, sagt Steinigk.
Dafür braucht es breite Unterstützung von Medien und über soziale Netzwerke. Allerdings wurde der Hashtag #Wirerinnernuns bisher nicht hinreichend verbreitet, erzählt die Initiatorin der Gedenkaktion betrübt. "Leider kam die Corona-Epidemie, und die ganze Aufmerksamkeit wurde auf dieses Thema gerichtet."
Dennoch können die Organisatoren schon heute mit Sicherheit sagen, dass sie mindestens 30.000 bis 40.000 Menschen erreicht haben, obwohl die Aktion nur "ein Tropfen auf den heißen Stein" sei. Vor allem aber haben sie in den sozialen Netzwerken Deutschlands eine Diskussion über die Opfer des Faschismus – sowjetische Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter – eröffnet.
Steinigk macht traurig, dass die großen Veranstaltungen die am 8 und 9. Mai in Berlin-Treptower Park oder auf Friedhöfen, in Schulen und an anderen Orten hätten stattfinden sollen, wegen Corona abgesagt wurden.
Allerdings hält sie dies womöglich gar für einen Vorteil für ihre Initiative. Sie ruft die Menschen auf, der Opfer des Faschismus individuell zu gedenken. Gerade weil es keine großen Veranstaltungen geben wird, ist es umso wichtiger, dass die Menschen, die gedenken wollen, allein oder zu zweit zu diesen Grabstätten gehen, Blumen niederzulegen und ein Foto zu machen, sagte sie. "Erstens können wir damit aufzeigen, dass wir die Erinnerung trotzdem aufrechterhalten, eben gerade auch in Krisenzeiten. Und zweitens: Indem wir zu den kleinen Grabstätten gehen, zeigen wir, wie viele es davon eigentlich gibt!"
Steinigk hofft auf eine aktive Beteiligung der Deutschen an der Gedenkaktion. Das kann jeder machen, sagt sie. Die Organisatoren sind nicht an öffentlichen Veranstaltungen mit der Einladung von einigen VIPs interessiert, betont Steinigk. "Hier geht es um eine persönliche Teilnahme, fernab von offiziellen Vertretern und Reden. Hier geht es um den persönlichen Wunsch, die sowjetischen Opfer des Zweiten Weltkrieges nicht zu vergessen."
Steinigk selbst wird am 9. Mai zusammen mit ihrer Familie und Freunden Gräber der sowjetischen Bürger in Ruhla, Wutha-Farnroda, Ohrdruf und Waltershausen besuchen, um Blumen niederzulegen und das Licht der Erinnerung zu entzünden. "Vielleicht finden auch andere Menschen solche Gräber in der Nähe ihres Wohnortes oder haben jemanden, der ihnen schon davon erzählt hat", sagt sie. "Dann machen Sie bitte Fotos und schicken sie an uns mit der dazugehörigen Geschichte! Wir werden sie auf unsere Facebookseite 'Wir erinnern uns' veröffentlichen. Bis heute wissen viele Verwandte der Toten nicht, wo sie begraben sind."
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