Der Tagtraum des Springer-Chefs: Der Westen vereint im Kampf gegen China
von Arkadi Shtaev
Während der Corona-Krise – oder wie immer man dieses Ereignis später einmal bezeichnen wird, deren Zeuge wir sind – hat sich der Westen sowohl auf der EU- als auch auf der transatlantischen Ebene als völlig untauglich erwiesen, seinen eigenen Phrasen von der "westlichen Wertegemeinschaft" und der "Family of Nations" auch nur etwas Leben einzuhauchen.
Das Gegenteil ist der Fall. Diese westliche Welt, die angeblich so viel miteinander verbindet, ist in ihre Bestandteile zerfallen und verkriecht sich hinter ihren nationalstaatlichen Grenzen. Man hat noch nicht einmal die Trümmer dieses Zerfallsprozesses beiseite gekehrt, ist man schon wieder dabei, die zerrissenen Bande neu knüpfen zu wollen, was am besten gelingt, wenn man einen gemeinsamen Feind definiert.
Dieser neue Feind heißt China.
Im politischen Berlin sind schon die ersten transatlantischen Trommler zu vernehmen, die eine Art bedingungslose Unterwerfung einfordern – gegenüber der neuerlich beginnenden US-Aggression gegen Peking. Soviel versteht der amtierende Präsident der USA dann doch von der Geschichte seines Landes, dass er weiß: Im Falle sich zuspitzender innenpolitischer Probleme ist ein äußerer Feind das beste Mittel, um eine auf innenpolitischen Problemen basierende Schwäche als Aggression nach außen zu lenken. Diese Methode hat in den USA Tradition und reicht von der Ausrottung der Indianer bis hin zum Vietnamkrieg.
Döpfners Delirium
Im Hause Springer, bis vor Kurzem angeblich noch ein mediales Hauptquartier für die Verteidigung von Globalisierung und Kapitalismus, geht man als Musterschüler und Interessenvertreter Washingtons sogar noch einen Schritt weiter. Mathias Döpfner schwadroniert über eine "Abkopplung" des Westens von China, anscheinend in völliger Verkennung der geopolitischen Ausgangslage und der weltweiten Verhältnisse. Aber damit nicht genug. Der Vorstandsvorsitzende der Axel Springer SE fordert ernsthaft, die Bundesrepublik müsse nun den "Irrweg" der wirtschaftlichen Kooperation mit der Volksrepublik beenden und sich endlich in aller Form gegen Peking positionieren.
Es scheint um die Kenntnisse von Weltwirtschaft und Geopolitik bei Herrn Döpfner nicht allzu gut bestellt zu sein. Oder geht Herr Döpfner vielleicht davon aus, China befindet sich in einem Zustand wie vor 100 Jahren, als Spielball der Kolonialmächte?
Damals, nachdem im Reich der Mitte ein Aufstand gegen die Fremdherrschaft ausgebrochen war, den man Boxer-Aufstand nennt, zeigte auch Deutschland gegenüber den Chinesen gebührende Härte. Kaiser Wilhelm formulierte seine Erwartungen zum Abschluss seiner berühmten Hunnenrede 1900 anlässlich der Verabschiedung deutscher Truppen zur Niederwerfung dieser Revolte unmissverständlich: "... dass niemals wieder ein Chinese es wagt, etwa einen Deutschen auch nur scheel anzusehen!" Die Worte des damaligen Kaisers sind im historischen Bewusstseins Chinas noch heute höchst lebendig, ganz im Gegensatz zur aktuellen deutschen Geschichtsschreibung, die ja eher einem Drehbuch Hollywoods entsprungen zu sein scheint, in dem 1945 nicht die sowjetische Rote Armee Berlin befreit hat, sondern vielleicht irgendwelche ukrainischen Verbände.
Machtverlust des Westens
Hintergrund der Frontstellung gegenüber der Volksrepublik China ist der sich weiter abzeichnende Machtverlust des Westens gegenüber Peking. Am Beispiel China offenbart sich mit betrüblicher Deutlichkeit, in welchem Ausmaß den Europäern und Amerikanern das geschichtliche Bewusstsein abhandengekommen ist. Die Fehldiagnose des amerikanischen Politologen Fukuyama vom angeblichen "Ende der Geschichte" war auf allzu fruchtbaren Boden gefallen.
Die westliche Welt begegnet dem phänomenalen Aufstieg Chinas in den Rang der zweiten Weltmacht mit einem Gemisch aus Furcht und Missgunst. Die explosive Dynamik Chinas erzeugt wachsende Angst, ja die Ahnung des eigenen Rückfalls in unerträgliche Mittelmäßigkeit. Die an Sinophobie grenzende Abneigung, die immer wieder in der westlichen Berichterstattung über China zu erkennen ist, hängt wohl auch damit zusammen.
Man könnte es auch anders betrachten, und den phänomenalen Aufstieg dieses Riesenreiches – in den letzten 30 Jahren – als eine beispiellose Erfolgsgeschichte interpretieren. Oder man kann von einem Treppenwitz der Geschichte orakeln, dass 30 Jahre nach dem Zusammenbruch der realsozialistischen Staaten und der Sowjetunion der Westen beginnt, sich einzumauern, während China den Weg einer chinesisch geprägten Globalisierung weitergeht. Und das höchst erfolgreich, denn große Teile der Welt sind schon in dieses System integriert und daran beteiligt.
In der Tat vermuten Experten, gerade gute Beziehungen nach China könnten deutschen Konzernen heute helfen, die Corona-Krise einigermaßen glimpflich zu überstehen. So urteilt etwa Ferdinand Dudenhöffer – der sich als Kfz-Spezialist an der Universität Duisburg-Essen einen Namen gemacht hat, seit kurzem aber an der Universität St. Gallen wirkt – Daimler könne in nächster Zeit von zwei "unendlich wertvollen Investoren" profitieren, nämlich von den beiden chinesischen Kfz-Herstellern Geely und BAIC, die zusammen rund 15 Prozent an dem Stuttgarter Konzern halten. Dieser könne derzeit vor allem auf eine Erholung des Absatzes in China hoffen, und dabei werde die Verbindung zu Geely und BAIC nützlich sein:
Die China-Connection wird Daimler helfen, sich aus dieser Krise zu lösen", urteilt Dudenhöffer.
Im Westen ist man anscheinend dabei, nicht nur die wirtschaftliche und politische Potenz zu verspielen, um der Welt seinen Willen aufzuzwängen. Nein auch die Kenntnis über die Welt im Allgemeinen, über den Verlauf der Weltgeschichte, scheint verlorengegangen zu sein.
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