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60 Jahre Antarktis-Vertrag – Das erfolgreichste multinationale Vertragswerk der Geschichte

Am 1. Dezember 1959 unterzeichneten zwölf Staaten in Washington, D.C. den Antarktisvertrag. Dieser beendete die politischen Kämpfe um den Status des Kontinents und legte die Strategie seiner Entwicklung für die kommenden Jahrzehnte fest.
60 Jahre Antarktis-Vertrag – Das erfolgreichste multinationale Vertragswerk der GeschichteQuelle: Sputnik

Vor sechzig Jahren wurde in Washington, D.C. der Antarktisvertrag, das erste internationale Dokument zur Rüstungskontrolle im Kalten Krieg,  unterzeichnet. Schon kurz nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs verabschiedete die Geographische Gesellschaft der UdSSR eine Resolution, in der sie festhielt, dass die Sowjetunion das Recht habe, an der Entwicklung des politischen Status dieses Festlands teilzuhaben, zumal es von russischen Seeleuten entdeckt wurde. Der internationale Vertrag von 1959 legte wiederum eine Strategie für die weitere Entwicklung der Antarktis fest: vollständig demilitarisierter Status und Freiheit der wissenschaftlichen Forschung. Laut Experten ist Russland heute führend bei wissenschaftlichen Arbeiten in der Antarktis, die für die ganze Welt von großer Bedeutung sind.

Die Entdeckung der Antarktis

Noch in der Antike spekulierten Wissenschaftler über das Vorhandensein eines unbekannten Festlandes in der Nähe des Südpols. Die Vermutungen konnten jedoch sehr lange nicht überprüft werden. Niederländische, französische und britische Seefahrer, darunter der berühmte Pazifikforscher James Cook, unternahmen Versuche, in den äußersten Süden der Erdkugel vorzudringen und das mythische Land zu entdecken, doch ihre Unternehmungen waren wegen des rauen Klimas der südlichen Meere nicht erfolgreich.

Das änderte sich, nachdem Russland sich der Forschung angeschlossen hatte. Im Jahr 1819 schlug der Leiter der ersten russischen Weltumsegelung, Johann von Krusenstern, dem russischen Ministerium für maritime Angelegenheiten einen Expeditionsplan in die südlichen Polarmeere vor. Die Behörden unterstützten diese Initiative. Jedoch waren viele hochdekorierte Kapitäne, die Erfahrung mit selbständigen wissenschaftlichen Expeditionen hatten, zu diesem Zeitpunkt entweder an anderen Forschungsaktivitäten beteiligt oder konnten aus gesundheitlichen Gründen nicht auf Expedition gehen.

Fabian Gottlieb "Faddei" von Bellingshausen, ein junger kompetenter Offizier der russischen Marine, der an der ersten Weltumrundung unter der Leitung von Krusenstern teilnahm, übernahm die Leitung des neuen wissenschaftliche Projekts. Er wurde beauftragt, den Slup "Wostok" zu befehligen. Auch der Slup "Mirny" unter dem Kommando von Michail Lasarew nahm an der Expedition teil.

Am 15. Juli 1819 verließ Bellingshausens Expedition den Hafen von Kronstadt. Nachdem sie auf dem Weg die Lage der von anderen Seeleuten entdeckten Gestade präzisiert und eine Reihe neuer Inseln entdeckt hatten, erreichten die russischen Seeleute am 28. Januar 1820 die Küste der Antarktis bei 69° 21' 28" südlicher Breite und 2° 14' 50" westlicher Länge.

Sie waren sich nicht ganz sicher, ob sie nun einen Archipel oder Festland entdeckt hatten. Im Februar näherten sie sich mehrmals dem neu entdeckten Land, und zogen sich anschließend nach Polynesien zurück, um wieder zu Kräften zu kommen und Vorräte aufzustocken. Nach fast einem Jahr in verschiedenen Teilen des Pazifiks machten sich die Entdecker wieder auf den Weg in den äußersten Süden. Im Januar stießen sie auf die Peter-I.-Insel und die Alexander-I.-Insel. Es wurde deutlich, dass das Gebiet der von ihnen entdeckten Landmasse sehr groß war: Die Alexanderinsel hielt man für einen Teil dieses Festlandes, weswegen sie zunächst Alexander-I.-Land genannt wurde und bis in die 1940er-Jahre so hieß. Im August 1821 kehrte die Expedition nach Russland zurück.

Wettlauf um die Antarktis

Kurz nach den Russen näherten sich eine britische Expedition unter Edward Bransfield und ein amerikanisches Walfangschiff unter der Führung von Nathaniel Palmer den Ufern der Antarktis. Mitte des 19. Jahrhunderts erkundeten und kartierten englische, französische, amerikanische und norwegische Seefahrer die Küstenlinie des neuen Festlandes.

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts wurden eine Reihe von Inlandexpeditionen durchgeführt. Im Jahr 1911 begann ein Wettlauf zwischen den Briten und Norwegern um das Recht, die erste Flagge am Südpol zu hissen. Schließlich gelang dies dem norwegischen Polarforscher Roald Amundsen.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts erklärten Australien, Argentinien, Großbritannien, Neuseeland, Norwegen, Frankreich und Chile einzelne Gebiete in der Antarktis zu ihrem Besitz. Ernsthafte Pläne für die Erschließung des südlichen Kontinents wurden von der Führung Hitler-Deutschlands entwickelt.

Russland (und dann die Sowjetunion) fiel vorübergehend aus militärischen, politischen und wirtschaftlichen Gründen im antarktischen Wettlauf aus. In den 1930er-Jahren gab es jedoch, vor dem Hintergrund einer allgemeinen Entwicklung der sowjetischen Wissenschaft und der Erfolge in der Arktis, auch in Moskau Vorschläge zur Rückkehr in die südlichen Polargebiete. Aus technischen Gründen war dies vor dem Zweiten Weltkrieg nicht möglich. Dennoch legte das Volkskommissariat für auswärtige Angelegenheiten der UdSSR im Jahr 1938 der norwegischen Regierung eine offizielle Protestnote gegen deren Versuche vor, einen Teil der Antarktis zu ihrem Hoheitsgebiet zu erklären. Gleichzeitig verkündete die sowjetische Staatsführung die Idee, dass der südliche Kontinent der gesamten Menschheit gehört. Diese Idee wurde allerdings erst nach mehr als zwei Jahrzehnten völkerrechtlich festgehalten.

Schon 1949 verabschiedete die Geographische Gesellschaft der UdSSR eine Resolution, in der sie erklärte, dass Russland ein Pionier der Antarktis sei und daher das Recht habe, an der Entwicklung des politischen Status des Kontinents mitzuwirken. Internationale Verhandlungen über die Zukunft des südlichen Festlandes begannen.

In den 1950er-Jahren begann die Sowjetunion mit der praktischen Erschließung der südlichen Polargewässer. Dafür nutzte sie die Kapazitäten der aus Deutschland als Reparationszahlung erhaltenen Walfangflotte. Anfang 1956 fand die erste Landung sowjetischer Polarforscher in der Antarktis statt, die Forschungsstation "Mirny" wurde gegründet. Am 27. Mai desselben Jahres wurde nach einer 370 km langen Überquerung die erste Forschungsstation im Landesinneren der Antarktis überhaupt errichtet – die "Pionerskaja". Am 14. Dezember 1958 erreichten sowjetische Polarforscher als erste der Welt den Südpol der Unzugänglichkeit – den von der Meeresküste am weitesten entfernten Punkt in der Antarktis. Konstantin Strelbizki, Vorsitzender des Moskauer Clubs für Geschichte der Flotte, erklärte in einem Interview mit RT:

In der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts von anderen Ländern bei der Erforschung der Antarktis überholt, holte die Sowjetunion in den 1950er-Jahren auf und ging in Führung.

 

Grundstein für gemeinsame friedliche Forschung – und erster Vertrag über Rüstungskontrolle

Am 15. Oktober 1959 begann in Washington, D.C., eine Konferenz über die Antarktis unter der Teilnahme von 12 Staaten, die wissenschaftliche Niederlassungen auf dem südlichen Kontinent hatten: Argentinien, Australien, Belgien, Großbritannien, Neuseeland, Norwegen, UdSSR, USA, Frankreich, Chile, die Südafrikanische Union und Japan.

Am 1. Dezember 1959 unterzeichneten die Konferenzteilnehmer einen unbefristeten Vertrag, der aus einer Präambel und 14 Artikeln bestand. Die wichtigste darin festgehaltene Norm war die vollständige Demilitarisierung der Antarktis: Verboten wurden die Errichtung von Militärstützpunkten, die Stationierung aller Arten von Waffen sowie die Entsorgung von radioaktivem Material im Gebiet des antarktischen Kontinents. Dieser Vertrag ist somit das erste internationale Dokument über Rüstungsbegrenzung während des Kalten Krieges.

Der Vertrag schreibt vor allem die Freiheit der wissenschaftlichen Forschung in der Antarktis vor und betont die Bedeutung der Zusammenarbeit zwischen Wissenschaftlern aus verschiedenen Ländern. Darüber hinaus wurden in dem Dokument spezifische Verfahren im Zusammenhang mit der Organisation der internationalen Zusammenarbeit festgelegt, insbesondere Verfahren zur Unterrichtung eines Staates gegenüber den anderen Unterzeichnern des Vertrags über seine Tätigkeit in der Antarktis.

Im Laufe der Zeit wurde das Dokument von einer Reihe weiterer Länder unterzeichnet. Bis heute gehören mehr als 50 Staaten dazu. Vertreter von 29 von ihnen haben das Recht, auf den im Rahmen des Vertrags abgehaltenen Gipfeln abzustimmen.

 

Bedeutung der Antarktisstudien

"Die Antarktisforschung ist für die Menschheit von größter Bedeutung. Insbesondere aufgrund der Tatsache, dass die wissenschaftliche Arbeit in der Antarktis uns ein Verständnis für die Prozesse im Zusammenhang mit den klimatischen Veränderungen gibt ", machte der Leiter der russischen Antarktis-Expedition Alexander Klepikow in einem Interview mit RT deutlich.

Gleichzeitig betont Alexander Klepikow, dass die aus der Antarktis erhaltenen Daten nicht nur im Rahmen der paläoklimatischen Forschung wichtig sind. Die aktuelle internationale Diskussion über die Klimaprobleme ist nach Ansicht des Wissenschaftlers heute recht politisiert – doch mithilfe von Erkenntnissen aus Antarktisstudien kann man sie ausgewogener und konstruktiver gestalten.

"Jetzt gibt es viele ängstliche, alarmistische Aussagen zum Thema Klima. Doch die Arbeiten, die in der Antarktis durchgeführt werden, liefern uns Signale zum Klimawandel über Millionen von Jahren, so dass objektive Schlussfolgerungen zu diesem Thema möglich werden", stellte er fest.

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"Für die Objektivität aktueller Beobachtungen ist es wichtig, dass die Beobachtungsorte räumlich nicht allzuweit voneinander getrennt sind. Und während es in Europa viele meteorologische Stationen gibt, ist ihre Zahl in der Antarktis begrenzt. Die Daten, die dort gewonnen werden, sind einzigartig", so der Leiter der russischen Antarktis-Expedition.

Klepikow erklärte, dass die von Wissenschaftlern auf dem südlichen Kontinent gesammelten Informationen äußerst relevant sind, da sie es ermöglichen, Szenarien für die Zukunft – auch für die nahe Zukunft – auszuarbeiten. Insbesondere lässt sich damit bestimmen, wie und ob der Meeresspiegel durch das Abschmelzen des antarktischen Eises ansteigen wird.

Jedoch ist laut Klepikow die Relevanz antarktischer Studien nicht nur auf das Klima beschränkt. Der Wissenschaftler betonte:

Es gibt viele unerforschte Ökosysteme in der Antarktis. Es ist sehr praktisch, dort nach Meteoriten zu suchen, oder Methodiken der Suche nach Spuren von Lebensformen auszuarbeiten, die später auf dem Mars und auf den Monden angewendet werden. Es gibt viele Richtungen der wissenschaftlichen Antarktisforschung, und russische Wissenschaftler nehmen heute an fast allen teil. Wir sind zuversichtlich. Wir bleiben an der Weltspitze der Antarktis-Forschung.

 

Russlands Rolle in der Antarktis-Forschung

In der Antarktis sind die russischen Ganzjahresstationen Mirny, Wostok, Nowolasarewskaja, Bellingshausen und Progress sowie mehrere jahreszeitabhängige Stützpunkte aktiv. Die jährlichen Antarktisexpeditionen umfassen 120 Teilnehmer an saisonalen Operationen und 110 Teilnehmer an ganzjährigen Operationen. Konstantin Strelbizki fasst die Sachlage wie folgt zusammen:

Die Antarktis ist der Kontinent, wo sich die russische Führung manifestiert. Sie wurde von russischen Seeleuten entdeckt und wird seit Mitte des 20. Jahrhunderts von russischen Wissenschaftlern aktiv erforscht. Die auf diesem Kontinent stattfindenden Prozesse spielen weltweit eine wichtige Rolle, und mit der Zeit wird diese Rolle nur noch zunehmen. Daher ist die russische Forschungsarbeit in der Antarktis äußerst relevant.

 

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