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Kriegsverbrechen der US Navy SEALs systematisch verschleiert: "Hört auf, darüber zu reden"

Mitgliedern einer Gruppe der US Navy SEALs wurde von einem hochrangigen Offizier dringend davon abgeraten, die von ihrem direkten Vorgesetzten Edward Gallagher begangenen Kriegsverbrechen zu melden – andernfalls stehe ihre Karriere auf dem Spiel.
Kriegsverbrechen der US Navy SEALs systematisch verschleiert: "Hört auf, darüber zu reden"Quelle: Reuters

Rauer Beruf, raue Sitten – dies dürfte auf die meisten Sondereinheiten, ja auf die meisten Militärs der Welt mehr oder minder zutreffen. Insbesondere bei den US Navy SEALs scheint sich allerdings eine ganze Subkultur entwickelt zu haben, die Gewalt um ihrer selbst willen verherrlicht – und zwar auch dann, wenn diese Gewalt jegliche moralische Grenze eindeutig überschreitet und im Akkord mit der ganzen US-Kriegsmarine mögliche Kriegsverbrecher vor rechtlicher und disziplinarischer Verfolgung deckt. Dies schlussfolgert die New York Times aus einem ihr vorliegenden Ermittlungsbericht zur Strafsache von Edward Gallagher, Mitglied der Einheit mit dem Rang "Chief Special Operator", dem zahlreiche Kriegsverbrechen vorgeworfen werden.

"Mal sehen, ob ich jemandem dieses Messer oder das Beil in den Schädel rammen kann"

Vor seinem Einsatz im Jahr 2017 gab Gallagher die Herstellung eines Jagdmessers sowie eines Hackebeils – als Symbole der SEALs – bei einem Schmied in Auftrag, der zuvor mit ihm zusammen bei den SEALs diente, bei Andrew Arrabito. Kurz nach seiner Ankunft im Irak soll Gallagher folgende Textnachricht an Arrabito verschickt haben:

Mal sehen, ob ich jemandem dieses Messer oder das Beil in den Schädel rammen kann.

Bei einem 15- bis 22-jährigen Kämpfer der Terrormiliz Islamischer Staat scheint ihm dies gelungen zu sein. Allerdings soll dieser Gefangene bereits verwundet gewesen sein, hatte sich ergeben und soll daher auch keine Bedrohung mehr dargestellt haben. Andere Angehörige von Gallaghers Zug waren gerade dabei, diesem IS-Anhänger medizinische Hilfe zu leisten. Dementsprechend wird gegen Gallagher mittlerweile wegen vorsätzlichen Mordes ermittelt.

Bei weiteren Vorfällen im Irak soll Gallagher nach Zeugenaussagen mehrmals mit einem schweren Maschinengewehr eines Panzerfahrzeugs sowie von Dächern aus mit einer reaktiven Panzerbüchse wahllos in Wohngebiete gefeuert und mit einem Scharfschützengewehr auch gezielt auf Zivilisten geschossen haben. Einen der Zivilisten habe er höchstwahrscheinlich getötet, in einem anderen Fall – ein Mädchen – schwer verwundet.

Kriegsverbrechen systematisch unter den Teppich gekehrt?

Gegen Gallaghers unmittelbaren Vorgesetzten während des Irak-Einsatzes im Jahr 2017, Leutnant Jacob Portier, wird ebenfalls ermittelt: Er soll mögliche Gräueltaten nicht gemeldet und im Zusammenhang mit der Untersuchung der Marine über Gallaghers Verhalten im Irak Beweismittel vernichtet haben.

Auch früher wurde Gallagher bereits gemeldet – wegen Kriegsgräueln bei seinem Einsatz in Afghanistan im Jahr 2010. Laut einem der New York Times ebenfalls vorliegenden Bericht soll er dort einen unbewaffneten Mann und ein Mädchen, das dieser in den Armen trug, mit einem einzigen gezielten Schuss getötet haben. Laut Bericht bekannte Robert Breisch, der als Angehöriger der SEALs zusammen mit Gallagher im Afghanistan-Einsatz war, diesbezüglich sei eine interne Ermittlung durchgeführt worden, bei der jedoch kein Fehlverhalten festgestellt worden sei.

 "Sprengkraft" einer Ermittlung wäre zu groß – "Die Navy zieht sonst eure Vögel wieder ein"

Sieben SEALs aus Gallaghers Zug im Irak sollen laut des Berichts immer wieder versucht haben, mögliche Kriegsverbrechen ihren Vorgesetzten zu melden – zunächst den Zuständigen innerhalb ihrer Einheit. Sie seien jedoch immer wieder auf Unverständnis gestoßen. Dessen überdrüssig, wandten sie sich direkt an den Kommandanten des Einsatzkontingents der Sondereinheit im Irak im Jahr 2017, um die Vergehen Gallaghers bei ihm offiziell zu melden. Dieser war – wie sollte es auch anders sein – Lieutenant Commander (entspricht etwa dem Rang eines Korvettenkapitäns) Robert Breisch. Bei einem im März 2018 vereinbarten privaten Treffen auf dem Marinestützpunkt Coronado bei San Diego legten die Soldaten alle blutigen Einzelheiten offen. Breisch lehnte eine formelle Untersuchung ab. Gleichzeitig soll er den SEALs erklärt haben, es stehe ihnen frei, die Kriegsverbrechen ihres Zugkommandanten anzuzeigen, jedoch würde die US-Marine dies keineswegs begrüßen. Ihre Karrieren als Zeugen würden dann in einer Sackgasse enden, ihr Status als Elitesoldat werde aufgehoben – sie würden aus der Sondereinheit versetzt werden:

Die Navy zieht sonst eure Vögel wieder ein",

formulierte Breisch in Bezugnahme auf die Adler mit Dreizack als Symbole in den Abzeichen der Sondereinheit. Den Grund dafür erfuhren sie von Breischs Adjutanten, dem Master Chief Petty Officer (entspricht etwa einem höheren Bootsmannsrang) Brian Alazzawi: Die "Sprengkraft" einer Ermittlung, die einer Meldung Edward Gallaghers folgen würde, träfe auch viele andere SEALs empfindlich, so die Aussage Alazzawis laut Bericht. Bei früheren Versuchen der Zeugen, auf Gallaghers Verhalten aufmerksam zu machen, reagierten Breisch, Alazzawi und ein weiterer Kommandant im Irak-Kontingent der SEALs stets mit dem Rat, "sich zu entspannen" und von der Sache "loszulassen" – und vor allem: "Hört auf, darüber zu reden."

Ende der blutigen Jahre?

Textnachrichten, die Gallagher mit einem anderen SEAL ausgetauscht haben soll, seien ebenfalls im Ermittlungsbericht enthalten. David Swarts wurde beschuldigt, bei seinem Einsatz in Afghanistan im Jahr 2012 Afghanen geschlagen zu haben, die eines Bombenanschlags auf einen Kontrollpunkt verdächtigt wurden und deshalb festgenommen waren.

Gallagher soll Swarts von ihm drohenden Ermittlungen erzählt haben. Swarts sagte, er hätte nie geglaubt, dass Navy SEALs jemals gegeneinander aussagen würden. "Ich auch nicht", soll Gallagher geantwortet haben. "Diese Tage sind vorbei."

Nun ja, die Hoffnung stirbt zuletzt – doch auch sie ist sterblich.

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