Skripal und das Trump-Dossier: Hat der GRU die Spur gelegt?
Der britische Journalismus lebt anscheinend von "well-placed sources". Der nächste "bombshell-report" könnte jeden Moment hochgehen. Recherche ist passé, das Vertrauen auf "ungenannte Quellen" dominiert. Nichts bestätigt das mehr als die Berichterstattung zum Fall Skripal. Der neueste Aufreger: Der scheinbar allmächtige GRU soll auf LinkedIn, einem Netzwerk für berufliche Kontakte, eine Verbindung zwischen den vergifteten Doppelagenten Sergei Skripal und Christopher Steele, dem Verfasser des Trump-Dossiers, fabriziert haben.
Auch beim Telegraph sind es gut platzierte Quellen, die glauben, dass "die Verschwörung, Oberst Skripal zu töten, den Versuch einer 'Black Op' beinhalten könnte, Zweifel an der Wahrhaftigkeit des explosiven Dossiers zu wecken, von dem behauptet wird, dass Donald Trump die Unterstützung des Kremls erhalten hat".
Wer ist Pablo Miller?
Der GRU soll angeblich ein "mysteriöses" Personenprofil auf LinkedIn erstellt haben, und zwar schon ein Jahr vor dem mutmaßlichen Anschlag auf Skripal. Der Telegraph spricht verschwörerisch von Skripals "MI6-Kontakt, der nicht genannt wird, [und] als 'Senior Analyst' bei Orbis Business Intelligence arbeitete, der Firma, die das Trump-Dossier erstellt hat".
Bereits kurz nach der Vergiftung von Skripal und seiner Tocher hat die britische Regierung eine Unterlassungsempfehlung (auch als D Notice bekannt) an die Medien weitergegeben, die die Identität des Kontakts nicht bestätigen sollen. Nach Medienberichten soll es sich um den Agenten Pablo Miller handeln, der oft mit Sergei Skripal in Salisbury gesehen worden ist und auch Kontakte zu Alexander Litwinenko hatte. 2007 gab Geheimdienstoffizier Wladislaw Scharko an, von einem Briten dieses Namens angeworben worden zu sein, um zum MI6 zu wechseln.
Der LinkedIn-Eintrag ist nicht mehr vorhanden. Der Telegraph zweifelt jetzt sogar an, dass der Eintrag überhaupt jemals bestanden hat.
Glücklicherweise gilt die D Notice nur für britische Medien. Andere Kanäle berichteten wesentlich offener über die Verbindung zwischen Skripal und seinem Führungsoffizier. Ein CNN-Artikel nennt nicht nur explizit Pablo Miller, sondern zitiert aus dem angeblich gefälschten LinkedIn-Eintrag.
Dem Profil nach hatte sich Miller "vor seiner Pensionierung im Februar 2015 auf die ehemalige Sowjetunion, Russland und Osteuropa spezialisiert". Auch ein Bild wurde gesichert.
Seine diplomatischen Stationen umfassten auch Tallinn – wo er, wie Moskau behauptet, Spionagearbeiten durchführte. Laut LinkedIn schloss Miller 1982 sein Studium an der Oxford University mit einem Abschluss in Modernen Sprachen und Geschichte ab und besuchte anschließend die Royal Military Academy Sandhurst, die Offiziersausbildungsakademie der britischen Armee. Er wurde in das Royal Tank Regiment aufgenommen und diente in Deutschland, Zypern, Nordirland und Brunei.
2015 erhielt er die Auszeichnung "Order of the British Empire", die abgekürzt als OBE als Titel im Namen genannt werden kann. Auch sein LinkedIn-Profil trug diesen Zusatz.
"Er verfügt über einen großen Erfahrungs- und Sachverstand im Management von High-End-Insider-Bedrohungsrisiken", heißt es in der LinkedIn-Biographie. "Pablo arbeitet weiterhin auf Vertragsbasis in Teilzeit für das Außenministerium." Auf dem LinkedIn-Eintrag war als Aufenthaltsort eine Adresse in Salisbury angegeben.
Erst kürzlich wurde die Existenz Millers unerwartet von ganz anderer Seite bestätigt. In einem Dokument der Integrity Initiative wird ein Pablo Miller zu einem Gespräch mit dem Institute of Statecraft eingeladen.
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Zwei Fliegen mit einer Klappe
Der Telegraph argumentiert, der Eintrag sei vom GRU lange im Voraus angelegt worden, um eine falsche Spur zwischen Skripal und dem Steele-Dossier zu legen.
Das Blatt schreibt: "Es wird nun vermutet, dass das LinkedIn-Profil vom GRU, der russischen militärischen Geheimdiensteinheit, die Colonel Skripal mit Nowitschok-Nervengas töten wollte, erstellt wurde. Ein Grund wäre, den MI6 mit dem Mord an Skripal in Verbindung zu bringen und gleichzeitig auf die Möglichkeit hinzuweisen, dass der britische Geheimdienst hinter dem Trump-Dossier steckt."
Noch im März 2018 schrieb der Telegraph selbst von der Verbindung zwischen Miller und dem Trump-Dossier. Von einem GRU-Eingriff war da noch nicht die Rede.
Dass jetzt mit Hinweis auf "gut platzierte" Quellen die Verbindung nach zehn Monaten nachträglich als russische Operation ausgegeben werden soll, mag der Leser selbst als plausibel oder nicht einordnen. Sie können nicht über die Bekanntschaft Pablo Millers mit Sergei Skripal hinwegtäuschen. Sie können aber im Nachhinein russische Geheimdienste nicht nur für den Anschlag auf Skripal verantwortlich machen, sondern auch die Glaubwürdigkeit des Steele-Dossiers untermauern.
Der in Salisbury gemeldete Pablo Miller ist jedenfalls seit der Skripal-Vergiftung für Medien nicht mehr auffindbar.
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