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Atomkraft: Der Schlüssel zur Beherrschung der Arktis – und zu ihrer Rettung

Der Arktis gilt wachsendes Interesse: Sowohl Schiffsverkehr als auch Förderung von Rohstoffen sind dort bald möglich. Beides erfordert jedoch einen hohen Energieeinsatz. Der neue Atomreaktor-Typ Small Modular Reactor bringt die Erschließung der Arktis in greifbare Nähe.
Atomkraft: Der Schlüssel zur Beherrschung der Arktis – und zu ihrer RettungQuelle: Sputnik

Die Arktis – Chancen und Risiken

Die schmelzenden Eiskappen am Nord- und am Südpol der Erde verdeutlichen die Erderwärmung vielleicht besser als alle anderen Phänomene. Gleichzeitig entstehen gerade in der Arktis durch den Rückzug der Eismassive Chancen zur Förderung von Rohstoffen – ebenso für die kommerzielle Seefahrt. Nun ist es vorherrschende, wenn auch nicht unbestrittene Ansicht unter Wissenschaftlern, dass die Erderwärmung mindestens teilweise von Menschen verursacht ist. Das Gros der Treibhausgase, die den anthropogenen Anteil an der Erderwärmung ausmachen, kommt größtenteils von Kraftwerken und Schiffen, die mit fossilen Brennstoffen betrieben werden.

Doch andererseits könnte dann ausgerechnet der zweite Erzfeind eines jeden Umweltaktivisten – nämlich die Kernenergie – zur Bewältigung jener Umweltprobleme beitragen, die das Eis überhaupt erst zum Schmelzen bringen.

Der durch die Arktis verlaufende Nördliche Seeweg hat das Potential, zum schärfsten Konkurrenten des Suez-Kanals zu werden: Die Zeit, die Frachtschiffe für die Fahrt von Europa nach Asien oder zurück benötigen, fällt im Vergleich zu einer Strecke durch den Suez-Kanal etwa zwei Wochen kürzer aus, wenn man über den hohen Norden schippert. Diese Zeitersparnis entspricht einer Minderung des Treibstoff- und damit sogar auch der Transportkosten für den Kunden um bis zu 40 Prozent, bei einer Minderung des CO2-Ausstoßes um bis zu 52 Prozent.

Allerdings ist, um dort das ganze Jahr fahren zu können, auch in Zeiten schmelzender Polkappen der Einsatz von nuklear angetriebenen Eisbrechern unverzichtbar. Zudem bestand ein bisher unüberwindliches Problem darin, dass die von einem Eisbrecher freigelegte Schneise für die meisten Schiffe nicht breit genug war. Die Eisbrecher mit bis zu 25.000 Tonnen Verdrängung schaffen Schneisen für Schiffe mit maximal 70.000 Tonnen Verdrängung, weil die Frachtschiffe nicht beliebig schlank und schmal und Eisbrecher nicht beliebig breit gebaut werden können. Und die Antriebsleistung der bisherigen Eisbrecher reichte nicht dafür aus, sie viel breiter als 30 Meter und mit viel mehr als 25.000 Tonnen Verdrängung zu bauen.


Größere Eisbrecher dank neuer Technik

Doch eine neue Generation von Eisbrechern könnte diese Einschränkungen überwinden. Diese Schiffe mit einer Antriebsleistung von 120 Megawatt und einer Verdrängung von bis zu 70.000 Tonnen können fast 50 Meter breit gebaut werden. Eine so breite Schneise im Eis reicht selbst für die größten Supertanker aus. Diese Eisbrecher werden den Nördlichen Seeweg für andere Schiffe das ganze Jahr über befahrbar machen können.

Der Schlüssel zum Bau solcher Eisbrecher liegt in einer neuen Generation von Atomreaktoren: Die neue, im Westen "Small Modular Reactor" genannte Bauweise von Atomreaktoren ermöglicht es, Eisbrecher und andere zivile Schiffe wirtschaftlich mit einem Hochleistungs-Nuklearantrieb auszustatten. Die Reaktoren von etwa 1.000 Tonnen Masse und einer Grundfläche von sechs mal sechs Metern werden in den Produktionshallen zu wenigen Modulen fertig zusammengebaut, die nur noch auf den Schiffen im Rohbau endmontiert werden müssen, was auch die Werften enorm entlastet.

In Russland befinden sich bereits nukleare Eisbrecher im Bau, die mit derartigen Reaktoren ausgestattet sind und die bisherigen Grenzwerte von 25.000 Tonnen und 30 Metern Breite ein gutes Stück übertreffen – zum Beispiel Eisbrecher des Typs LK-60Ja wie die "Arktika" mit zwei SM-Reaktoren vom Typ RITM-200 von insgesamt 60 Megawatt Antriebsleistung, die ihre 33.540 Tonnen Verdrängung und 34 Meter Breite durch fast drei Meter dickes Eis mit gleichmäßiger Geschwindigkeit treiben werden. Doch auch das reicht noch nicht ganz aus, um den Nördlichen Seeweg ganzjährig mit wirklich großen Frachtschiffen zu befahren.

Glücklicherweise ist hier noch viel Luft – und zwar zu beiden Seiten: Das Projekt 10510 "Leader" sieht Eisbrecher des Typs LK-110Ja mit 71.380 Tonnen Verdrängung und 47,7 Metern Breite vor, die von zwei SM-Reaktoren RITM-400 mit 120 Megawatt Antriebsleistung durch über vier Meter dickes Eis bewegt werden sollen. Dieses Projekt befindet sich in russischen Konstruktionsbüros noch in Entwicklung; der Stapellauf des ersten LK-110Ja-Eisbrechers ist für das Jahr 2027 geplant, zitiert die russische Zeitung Kommersant den Rosatom-Leiter Sergei Lichatschow.

Schiffbau-Technologie für Stromverbraucher an Land

Ein weiterer Aspekt kommerzieller Schifffahrt ist jedoch auch stets die nähere Infrastruktur an der Küste entlang der jeweiligen Seerouten: Häfen-, Such- und Rettungsstützpunkte und Ähnliches. Doch auch solche Infrastruktur muss mit Energie versorgt werden – soll man nun etwa über Hunderte von Kilometern Permafrost Hochspannungs-Stromleitungen in entlegene, extrem dünn besiedelte Gebiete der Arktis ziehen oder gar mit fossilen Brennstoffen betriebene Kraftwerke vor Ort bauen?

Russland hat auch hierfür eine andere Antwort, und auch dabei spielen die Atomreaktoren nach SMR-Bauweise die Hauptrolle: Die modularen Reaktoren werden auf schwimmende Plattformen montiert – und diese werden dann an den endgültigen Einsatzort bugsiert. Die so entstehenden schwimmenden Kernkraftwerke müssen nicht am Einsatzort gewartet und mit Brennelementen bestückt werden, sondern werden bei Bedarf dafür wieder in große Häfen mit der nötigen Spezialausstattung geschleppt. Ihre Wärmeleistung, die sich im Bereich von bis zu 300 Megawatt bewegt, ist im Vergleich mit herkömmlichen Atomkraftwerken, die im Gigawatt-Bereich operieren, recht klein – dafür bieten sie aber eine hohe Flexibilität. Man kann viele von ihnen bauen und sie schnell dorthin verlegen, wo sie aktuell gebraucht werden. Die "Akademik Lomonossow", das erste schwimmende Kernkraftwerk der Welt, ist mit zwei Reaktoren vom Typ KLT-40S ausgestattet. Die "Lomonossow" startete am 25. November ihren Testlauf und soll im Herbst 2019 nach Pewek auf der Tschukotka-Halbinsel bugsiert werden, wo sie die demnächst abzuschaltenden Kapazitäten dortiger Kern- und Wärmekraftwerke ersetzen wird. Der schwimmende Atom-Meiler ist auf einem extrem hohen Sicherheitsniveau gebaut, das alle erdenklichen Bedrohungen übersteht und die Reaktoren gegen Tsunamis und andere Naturkatastrophen abschirmt, schreibt RIA Nowosti.

Weitere schwimmende Kernkraftwerke dieser Bauart können die Küsten-Infrastruktur, aber auch isolierte Siedlungen mit Strom und Wärme versorgen und so ganz nebenbei auch die Voraussetzungen für jegliche Standortentwicklungsprojekte schaffen.

Für den Handel ein Segen

Im Jahr 2017 hat die Eisbrecher-Flotte des russischen staatlichen Betreibers für Nuklearanlagen Rosatom zehn Millionen Tonnen Fracht durch den Nördlichen Seeweg geleitet. Eine Erhöhung dieser Zahl auf 18 Millionen Tonnen für das Jahr 2019 und auf bis zu 80 Millionen Tonnen pro Jahr bis zum Jahr 2030 ist geplant. Das ist zwar "nur" ein Bruchteil des Durchsatzes des Suez-Kanals, doch zum Beispiel für die Länder Asiens bedeutet ein mehrere Tage kürzerer Seeweg ohne "Schlangestehen" eine günstigere Möglichkeit, etwa Flüssigerdgas aus Russland zu importieren und ihre eigenen Güter nach Europa zu exportieren.

Doch auch Europa könnte von einem leichter und ganzjährig schiffbaren Nördlichen Seeweg profitieren: So hat das britische Government Office for Science (dt. etwa: Regierungsbehörde für Wissenschaft) darin eine Gelegenheit für britische Häfen gesehen – diese könnten als Transit-Knotenpunkte zur Güterumladung von Standard-Frachtern auf Eisklassen-Schiffe und umgekehrt dienen.

Verpasst der Westen die Epoche der Arktis?

Doch dieses Interesse seitens Großbritanniens ist ein Einzelfall – im Großen und Ganzen liegen die westlichen Länder weit zurück. China und Russland investieren Milliarden in die Entwicklung des Nördlichen Seeweges; solche Fortschritte sind etwa bei der Entwicklung einer weiteren Alternativroute – der Nordwestpassage entlang der Küste Kanadas – nicht zu verzeichnen. Derweil befuhr ein dänisches Schiff, die Vesta Maersk, Ende September 2018 als erstes Schiff einer neu eingeführten, 42.000 Tonnen schweren Eisklasse den Nördlichen Seeweg; die Chinesen schicken seit 2013 kleinere Frachtschiffe von bis zu 19.000 Tonnen über den hohen Norden.

Der Abstand vergrößert sich

Russland nimmt im Allgemeinen bei den kompakten Atomreaktoren eine führende Position ein und vermarktet bereits festlandbasierte wie auch schwimmende Reaktoren mit SMR-Bauweise von 55 Megawatt bzw. 6,6 Megawatt elektrischer Leistung. Es wird erwartet, dass auch China bis 2020 mit eigenen schwimmenden 50-Megawatt-Systemen und in den kommenden zehn Jahren auch mit landbasierten 100 Megawatt-Anlagen den Anschluss schafft. Diese beiden Länder werden also einen gewissen Vorsprung haben, sobald der Wettlauf um die Arktis ernsthaft einsetzt.

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