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Lawrow antwortet auf Fragen zu russisch-serbischen Beziehungen: "Gemeinsame kulturelle Wurzeln"

Demnächst findet ein Treffen zwischen Putin und dem serbischen Präsidenten Vučić statt. Aus diesem Anlass interviewte die Zeitung "Srpski TELEGRAF" Außenminister Lawrow zu den bilateralen Beziehungen. RT Deutsch übersetzte das Interview in voller Länge.
Lawrow antwortet auf Fragen zu russisch-serbischen Beziehungen: "Gemeinsame kulturelle Wurzeln"Quelle: www.globallookpress.com

Nach den Verhandlungen mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin sagte Serbiens Präsident Aleksandar Vučić, er habe in Moskau "alles erhalten, was er sich erwartet hatte". Bedeutet dies, dass Moskau den Vorschlag Belgrads unterstützen wird, die Beziehungen zum Kosovo mithilfe einer Demarkation zwischen Serben und Albanern zu regeln?

Lawrow: Unser Standpunkt zum Kosovo ist gut bekannt. Er beruht auf dem Völkerrecht, vor allem auf der Resolution 1244 des UN-Sicherheitsrats. Wir unterstützen unsere serbischen Freunde konsequent bei den Bemühungen, die legitimen Interessen Serbiens sowohl bilateral als auch in internationalen Organisationen zu vertreten. Wenn Belgrad irgendeine Beilegungsmöglichkeit für Serbien für akzeptabel halten wird, werden wir bereit sein, uns damit konstruktiv auseinanderzusetzen. Auf den möglichen Inhalt bestimmter Optionen zu spekulieren, ist unangebracht.

Welche konkreten Schritte könnte Moskau unternehmen, um das Problem der südlichen Provinz zu lösen?

In Russland haben unsere serbischen Freunde den konsequentesten und aufrichtigsten Verbündeten bei der Beilegung des Kosovo-Konfliktes. Ich bin überzeugt, dass die wichtigste Unterstützung unsererseits darin besteht, Belgrads Standpunkte auf der internationalen Bühne zu unterstützen, die auf der Notwendigkeit basieren, die Anforderungen der UN-Resolution 1244 erfüllen zu müssen. Wir verfolgen diese Linie sowohl in der UNO, einschließlich des UN-Sicherheitsrates, als auch in vielen anderen Strukturen, darunter bei der UNESCO, bei Interpol, in der Weltzollorganisation. Wir werden das auch weiterhin tun.

Demnächst findet ein Treffen zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und dem serbischen Präsidenten Aleksandar Vučić  statt. Was sind die Hauptthemen dieses Treffens? Was können wir von diesem Treffen erwarten? Was wird das Hauptthema der Gespräche während Putins Serbien-Aufenthaltes sein?

Der russisch-serbische Dialog findet auf der Führungsebene regelmäßig statt, unsere Präsidenten haben sich zuletzt am 2. Oktober 2018 in Moskau getroffen. Wladimir Putins Agenda ist wie immer sehr intensiv, das ist nichts Überraschendes. Die Beziehungen zwischen den beiden Ländern erreichten eine neue Ebene der strategischen Partnerschaft, die in der entsprechenden Erklärung festgehalten wird, die der russische und der serbische Präsident im Mai 2013 in Sotschi unterzeichnet haben. Unsere wahrhaft brüderlichen Völker vereinen gemeinsame kulturelle und mentale Wurzeln, aufrichtige Freundschaftsgefühle und gegenseitige Zuneigung. Von besonderer Bedeutung ist auch die Nähe der russischen und serbischen orthodoxen Kirchen.

Auch der Handel und die wirtschaftliche Zusammenarbeit schreiten voran. Es werden große gemeinsame Investitionsprojekte abgewickelt. Hier geht es vor allem um die AG "NIS", in deren Entwicklung "Gazprom Neft" rund drei Milliarden Euro investiert hat. Die staatliche Bahngesellschaft der Russischen Föderation hat bei der Modernisierung der serbischen Eisenbahninfrastruktur eine hervorragende Arbeit geleistet. Eine Reihe neuer Anlagen wird im Jahr 2021 fertiggestellt sein. Es gibt große Pläne für die Entwicklung der Erdgasbeförderung und der Erdgasverteilung in Serbien, für die industrielle Zusammenarbeit sowie für die Zusammenarbeit in der High-Tech-Branche. Speziell möchte ich den Marktbeitritt des Unternehmens "Yandex" in Ihrem Land betonen.

Wir sehen ein großes Interesse am Bildungsaustausch zwischen russischen und serbischen Universitäten. Wir werden dies in jeder Hinsicht fördern. Themen, die unsere Staatsoberhäupter besprechen könnten, gibt es daher viele. Wir gehen davon aus, dass die Ergebnisse der bevorstehenden Verhandlungen auf höchster Ebene dazu beitragen werden, die vielfältigen Beziehungen zwischen Russland und Serbien weiterhin zu stärken.

Milorad Dodik hofft offen darauf, dass die Republika Srpska und Serbien eines Tages vereint werden. Glauben Sie, sein Wunsch wird in Erfüllung gehen?

Russland gehört – wie auch die serbische Führung und auch Milorad Dodik – zu den konsequentesten Verteidigern des Abkommens von Dayton, das die Souveränität und territoriale Integrität von Bosnien und Herzegowina festlegt. Wir setzen uns für die Gewährleistung der Gleichberechtigung aller drei staatsbildenden Völker, des Verfassungsstatus und der umfassenden Aufgabenbereiche der beiden Entitäten – sowohl der Republika Srpska als auch der Föderation Bosnien und Herzegowina – ein.

Wir sind überzeugt, dass die volle Verantwortung für das, was im Land geschieht, an die örtlichen Behörden gemäß ihren Zuständigkeiten übertragen werden muss. Es ist an der Zeit, die Elemente der externen Schutzherrschaft, nämlich das Amt des Hohen Repräsentanten in Bosnien und Herzegowina, einzustellen, da es bereits zu einem Rudiment geworden ist. Die Aufgabe der internationalen Gemeinschaft sollte darin bestehen, die bosnischen Parteien dabei zu unterstützen, das Spektrum der gemeinsamen Interessen zu erweitern, eigene Rezepte für die Kompromisslösung problematischer Themen zu finden, einschließlich der Reform des Justizsystems und der Ausweisung ausländischer Fachleute aus dem Verfassungsgericht des Landes. So viel wir wissen, setzt sich auch Herr Dodik, das vom serbischen Volk gewählte Mitglied des Staatspräsidiums von Bosnien-Herzegowina, aktiv dafür ein.

Westliche Politiker sind über die engen Beziehungen zwischen Serbien und Russland besorgt. Woher kommt diese Angst, und warum versucht der Westen, Serbien von Russland zu distanzieren?

Nach dem Ende des Kalten Krieges weigerten sich die westlichen Staaten, zusammenzuarbeiten, um eine gleichmäßige und unteilbare Sicherheit im euroatlantischen Raum aufzubauen, die Russland eindringlich forderte. Stattdessen entschieden sie sich für eine Sackgasse, indem sie den unter ihrer Kontrolle stehenden geopolitischen Raum erweiterten und neue Trennlinien auf dem europäischen Kontinent bildeten. Sie bombardierten zum Beispiel 1999 Jugoslawien zweieinhalb Monate lang, wodurch sie heftig gegen das Völkerrecht verstießen, und erkannten dann – im Versuch, ihre Aggression zu legitimieren – die einseitige Unabhängigkeitserklärung des Kosovo an. Eines der Ergebnisse des antirussischen Kurses des Westens war der Putsch im Februar 2014, der von Washington und einigen europäischen Ländern inszeniert und unterstützt wurde. Schließlich wurde die Ukraine, die alles hatte, um erfolgreich und wohlhabend zu werden, in blutige Fehden verwickelt.

Es scheint, als ob die Lehren aus der ukrainischen Tragödie im Westen noch immer nicht gezogen sind. Heute werden hartnäckige Versuche unternommen, den Balkan zu einem weiteren Brückenkopf gegen Russland zu machen. Die Länder der Region werden dringend aufgefordert, sich entweder für Moskau oder für Washington und Brüssel zu entscheiden. Wir wissen, dass Belgrad ernsthaft unter Druck steht, weil man möchte, dass Serbien seine erfolgreiche Zusammenarbeit mit unserem Land einstellt. Die serbischen Brüder widersetzen sich erfolgreich. Moskau schätzt Serbiens unabhängige Multi-Vektoren-Außenpolitik sehr, die meiner Meinung nach den grundlegenden Interessen des serbischen Volkes entsprechen.

Serbien und Russland verbinden wichtige Wirtschafts- und Energieprojekte. Wird es neue Investitionen geben, und wird "Turkish Stream" durch Serbien verlegt?

Tatsächlich gehört die Zusammenarbeit im Energiebereich zu den vorrangigen Richtungen unserer bilateralen Zusammenarbeit. Führende russische Unternehmen, einschließlich Gazprom, stehen in engem Kontakt mit den serbischen Partnern. Es gibt große gemeinsame Pläne. Die Koordinierung der konkreten Schritte erfolgt durch den zwischenstaatlichen russisch-serbischen Ausschuss für Handel, wirtschaftliche, wissenschaftliche und technische Zusammenarbeit. Wir sind mit dem Baufortschritt von "Turkish Stream" in der Doppelstrang-Variante zufrieden. Derzeit werden verschiedene Möglichkeiten für eine Fortsetzung der Gaspipeline in ganz Europa geprüft, darunter die Route Bulgarien-Serbien-Ungarn mit Zugang zum Gasverteilungszentrum im österreichischen Baumgarten.

Gleichzeitig berücksichtigen wir die traurigen Lehren von "South Stream" und möchten diese Situation nicht wiederholen. Erst nachdem wir von den einschlägigen EU-Strukturen feste positive Garantien erhalten, werden wir uns an die Arbeit machen.

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