Fall Chaschukdschi: Türkei erhöht Druck auf Saudi-Arabien - USA fordern gründliche Untersuchung
Im Fall des in Istanbul verschwundenen und möglicherweise ermordeten saudi-arabischen Journalisten Dschamal Chaschukdschi erhöht Ankara den Druck. Zum zweiten Mal innerhalb einer Woche bestellte das türkische Außenministerium den Botschafter des arabischen Königreiches ein. Außerdem beantragten die türkischen Behörden am Montag eine Erlaubnis, um das Konsulat zu durchsuchen, wie der Sender CNN Türk unter Berufung auf diplomatische Quellen berichtete. Der Fall Chaschukdschi könnte zu einer diplomatischen Krise zwischen Ankara und Riad führen.
Der 59 Jahre alte Journalist, der vergangenes Jahr in die USA ins Exil geflohen war, wird nun schon seit fast einer Woche vermisst. Er betrat das saudi-arabische Konsulat in Istanbul am Dienstag, um Papiere für seine Hochzeit abzuholen, war aber nicht wieder herausgekommen. Seine Verlobte wartete nach eigenen Angaben stundenlang vor dem Eingang auf ihn. Medien und Freunde berichteten dann unter Berufung auf türkische Ermittler und Regierungskreise, Chaschukdschi sei ermordet worden.
Die der türkischen Regierung nahe stehende Zeitung Sabah berichtete, Spezialisten der Istanbuler Polizei und des Geheimdienstes MIT gingen davon aus, dass Chaschukdschi ermordet und zwei Stunden nach Betreten des Konsulats in einem schwarzen Kleinbus mit verdunkelten Fensterscheiben herausgebracht worden war.
Experten und Diplomaten zweifeln an der Darstellung der saudischen Seite
Saudi-Arabien wies die Vorwürfe zurück und teilte mit, Chaschukdschi sei erst nach dem Verlassen des Konsulats verschwunden. Der türkische Staatspräsident Recep Tayyip Erdoğan forderte am Montag bei einem Besuch in Ungarn, Saudi-Arabien müsse Beweise vorlegen, sollte der Journalist das Gebäude wirklich verlassen haben.
Dem Botschafter Saudi-Arabiens sei bei seiner Einbestellung mitgeteilt worden, dass die Türkei eine "vollständige Zusammenarbeit bei den Ermittlungen" erwarte, um das Verschwinden Chaschukdschis aufzuklären, berichtete die Nachrichtenagentur Anadolu. Demnach wurde der Botschafter schon am Sonntag ins Außenministerium gerufen.
Die Darstellung der saudischen Seite wird von Experten und Diplomaten angezweifelt. Zumal das filmreife Verschwinden von Dschamal Chaschukdschi in den Augen von Beobachtern keineswegs nur ein Einzelfall ist, sondern dem Muster einer immer aggressiveren Außenpolitik Riads folgt.
Der heute 33-jährige Thronfolger Mohammed bin Salman erschien erst 2015 auf der politischen Bühne. Doch mit dem Wohlwollen seines Vaters, dem greisen König Salman, häufte er so viel Macht an, wie sie vor ihm wohl nur Staatsgründer Ibn Saud hatte. Als Verteidigungsminister ließ er den Jemen-Konflikt eskalieren und ist verantwortlich für den Tod von Tausenden Zivilisten durch Bombardements. Prinz Mohammed gilt auch als Initiator der Blockade des benachbarten Emirats Katar, die seit 2017 die ganze Region unter Hochspannung setzt.
Auch nach innen greift der Thronfolger kompromisslos durch. Zwar verfolgt er einen wirtschaftlichen Reformkurs, mit dem auch eine vorsichtige Öffnung der Gesellschaft kommt. Wer aber politischen Einfluss nehmen will, dem droht Haft. Das haben in den letzten Jahren nicht nur Kleriker, Geschäftsleute oder Frauenrechtler erfahren.
Donald Trump und Mike Pence sind besorgt
Auch Deutschland und die USA haben sich inzwischen besorgt um das Schicksal des Journalisten geäußert. Ein Sprecher des Auswärtigen Amts sagte, man wolle sich nicht an Spekulationen beteiligen, aber alle Beteiligten müssten zu einer schnellen Aufklärung beitragen. US-Präsident Donald Trump sagte am Montag im Weißen Haus: "Ich bin besorgt". Er hoffe auf eine positive Lösung.
Im Moment weiß niemand etwas darüber, aber es kursieren einige böse Geschichten. Das gefällt mir nicht.
Auch US-Vizepräsident Mike Pence zeigte sich "zutiefst besorgt" über die Berichte. Sollten diese Nachrichten über den Tod Chaschukdschis wahr sein, wäre dies "ein tragischer Tag", twitterte Pence. "Gewalt gegen Journalisten weltweit ist eine Bedrohung der Pressefreiheit und der Menschenrechte", schrieb er und forderte Aufklärung. "Die freie Welt hat Antworten verdient."
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Chaschukdschi war ein prominenter Kritiker der gegenwärtigen saudischen Führung. Als er sich in seinem Land nicht mehr sicher fühlte, ging er im September 2017 ins Exil in die USA. Dort schrieb er unter anderem als Kolumnist unter dem englisch transkribierten Namen Jamal Khashoggi für die Washington Post.
(rt deutsch/dpa)
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