Den Haag verschont Verantwortliche für Dauerkonflikte
Für Angriffe auf souveräne Staaten können Schuldige vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag bestraft werden. Die Zuständigkeit für das Verbrechen der Aggression übernimmt der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) seit dem 17. Juli, dem zwanzigsten Jahrestag der Gründung des Römischen Statuts des IStGH.
Bereits das Nürnberger Urteil lautete "Einen Angriffskrieg auszulösen, ist das höchste internationale Verbrechen." Erst auf der Konferenz in Kampala im Jahr 2010 hatten sich die Vertragsstaaten auf eine Definition der Straftat geeinigt.
Die überarbeitete Definition definiert ein Aggressionsverbrechen als
die Planung, Vorbereitung, Einleitung oder Vollstreckung eines Angriffs durch eine Person, die in der Lage ist, die politische oder militärische Aktion eines Staates wirksam zu kontrollieren oder zu lenken, eines Angriffs, der aufgrund seines Charakters, seiner Schwere und seines Ausmaßes eine offenkundige Verletzung der Charta der Vereinten Nationen darstellt".
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Im vergangenen Dezember einigten sich die Mitgliedsstaaten darauf, die Zuständigkeit des IStGH für das Aggressionsverbrechen mit Wirkung ab 17. Juli 2018 zu aktivieren. Nachdem zwischenzeitlich mehrere souveräne Staaten angegriffen wurden, zum Beispiel der Irak im Jahr 2003, Libyen im Jahr 2011, Jemen im Jahr 2015 und Syrien im Jahr 2017, macht sich demnach erst ab jetzt derjenige schuldig, der einen "Akt der Aggression", also "die Anwendung von Waffengewalt durch einen Staat gegen die Souveränität, territoriale Integrität oder politische Unabhängigkeit eines anderen Staates" verübt.
Während einige Staaten die Verteidigung ihrer nationalen Sicherheit auf zahlreiche Bereiche ausdehnen, welche ursprünglich als „Innere Angelegenheiten“ galten, kommt also nun hinzu, dass der Angriff der USA auf Syrien im vergangenen Jahr als nicht schwerwiegend genug eingestuft werden könnte. Die Anordnung zum Sturz von Saddam Hussein wäre allerdings eindeutiger als Verstoß gegen das Völkerrecht einzuordnen. Und damit hätten sich - wäre das Vergehen bereits im Jahr 2003 als solches eingestuft worden - u.a. Tony Blair und eine Reihe von Angehörigen seines britischen Kabinetts sowie Militärkommandeure mitschuldig gemacht.
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Nun könnte gegebenenfalls sogar die sogenannte „humanitäre Intervention“ so ausgelegt werden, dass sie im Einklang mit der UN Charta steht. Dies ist der zunehmend gern von westlichen Staaten angewandte Angriff, welcher damit gerechtfertigt wird, dass der Schutz des Lebens von Zivilisten keine andere Wahl lasse, um „Verbrechen gegen die Menschlichkeit zu verhindern“. Auch wenn dieses Kriterium offensichtlich, wie im Fall Jemen und anderen Fällen, selektiv benutzt wird.
Die Befugnis zur Strafverfolgung besteht nur für Angehörige von Staaten, die das neu definierte Verbrechen ratifiziert haben. Das sind bisher 35 Staaten.
Frankreich, Japan und Großbritannien gehören zu den Ländern, die sich für eine Verzögerung der Aktivierung solcher Straftatbestände einsetzten, da vor ihrem Inkrafttreten "mehr Klarheit" erforderlich sei. Großbritannien habe „schändlicherweise alles in seiner Macht Stehende getan, um den Prozess zu blockieren“, schreibt im Guardian Geoffrey Robertson, ehemals als Richter am Kriegsverbrechertribunal in Sierra Leone tätig.
Geoffrey Robertson meinte dazu:
Es ist ironisch, dass Großbritannien, das so mutig gegen Hitler stand, sich weigerte, das internationale Gesetz gegen die Aggression zu ratifizieren."
Er fügt hinzu, er sei überzeugt, dass die Anwendung jedoch aktuell umso notwendiger sei
in einer Zeit, in der wir genau dieses Gesetz nutzen sollten, um die russische Aggression anzuprangern, welche darin besteht, Agenten mit Polonium und Nowitschok zu schicken, um unsere Bürger zu töten."
Das Außenamt unter Boris Johnson hat vergeblich versucht, den Fortschritt des Gesetzes zu sabotieren.
Das Gesetz gilt fortan für Politiker und Generäle, die den Befehl zum Einmarsch geben. Es gilt nicht rückwirkend, also wird Tony Blair sicher sein. Wäre dieses Gesetz 2003 in Kraft gewesen, hätte es ihn wahrscheinlich davon abgehalten, sich der Invasion im Irak anzuschließen, obwohl George W. Bush, mit weniger Respekt vor dem Völkerrecht, zweifellos vorangegangen wäre."
Noch bevor allerhand mögliche „rote Linien“ aufgezeichnet wurden, von denen es heißt, Russland habe sie überschritten oder blockiere den Sicherheitsrat, entschied sich der russische Präsident Wladimir Putin im November 2016 gegen die Mitgliedschaft des Römischen Statuts des IStGH. Das beträfe vermutlich diverse gewagte Hypothesen, vom Giftgasangriff in Syrien bis zum Nowitschok-Vorwurf in Großbritannien, die ebenso gut False-Flag-Aktionen sein können.
Das russische Außenamt begründete seine Entscheidung damit, dass der Gerichtshof leider nicht die Erwartungen erfüllt habe,
ein wirklich unabhängiges, maßgebliches internationales Tribunal zu werden. Die Arbeit des Gerichtshofs wird in verschiedenen Gremien, darunter der Generalversammlung der Vereinten Nationen und dem Sicherheitsrat, grundsätzlich als unwirksam und einseitig bezeichnet. Es sei darauf hingewiesen, dass der Gerichtshof in den 14 Jahren seiner Tätigkeit nur vier Strafen verhängt hat, nachdem er über eine Milliarde Dollar ausgegeben hat.“
Die Russische Föderation könne weiterhin
der Haltung des Gerichtshofs gegenüber der Situation vom August 2008 nicht gleichgültig gegenüberstehen. Der Angriff des Saakaschwili-Regimes auf das friedliche Tshinval, die Ermordung der russischen Friedenstruppen führte zu den Anschuldigungen des Gerichts gegen die süd-ossetischen Milizen und die russischen Soldaten. Die Untersuchung von Handlungen und Anordnungen georgischer Beamter wurde dem Ermessen der georgischen Justiz überlassen und bleibt außerhalb des Fokus der Aufmerksamkeit der Staatsanwaltschaft des IStGH. Diese Entwicklung spricht für sich. Wir können dem IStGH in einer solchen Situation kaum trauen."
Das russische Außenamt fügte hinzu, dass in diesem Zusammenhang
die Demarche der Afrikanischen Union, die beschlossen hat, Maßnahmen für einen koordinierten Rückzug der afrikanischen Staaten aus dem Römischen Statut zu entwickeln“, verständlich sei.
Die Afrikanische Union forderte im vergangenen Jahr einen massiven Rückzug der Mitgliedsstaaten. Südafrika, Gambia und Burundi beschuldigten den IStGH, ihre Souveränität zu untergraben und übermäßig Afrikaner zu beschuldigen.
Während das Römische Statut darauf abzielt, Verantwortliche für die schlimmsten Verbrechen - Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen - zu verfolgen und vor Gericht zu bringen, wurden zwischen 2002 und 2017 nur Afrikaner angeklagt.
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