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Ex-US-Botschafter: Geheimdienstbericht über russische Einmischung ist politisch motiviert

US-Medien fordern, die angebliche russische Beeinflussung der US-Wahlen solle bei dem bevorstehenden Treffen zwischen Putin und Trump zur Sprache kommen. US-Geheimdienste hätten dies bewiesen. Jack Matlock, ehemaliger US-Botschafter in Moskau, widerspricht.
Ex-US-Botschafter: Geheimdienstbericht über russische Einmischung ist politisch motiviertQuelle: Reuters

Angesichts des lang erwarteten Treffens zwischen dem russischen Präsidenten Wladimir Putin und seinem US-Amtskollegen Donald Trump werden in den US-Medien Forderungen laut, die angebliche Einmischung Russlands in die Präsidentschaftswahlen 2016 - auch bekannt als "Russiagate" - bei dem Treffen zur Sprache zu bringen.

Dabei werden jegliche Argumente gegen solche Vorwürfe verworfen, so auch die mehrfache Aussage des russischen Präsidenten Wladimir Putin, dass eine solche Einmischung niemals stattgefunden hat. Kommentatoren klammern sich immer noch an vermeintliche Erkenntnisse der "US-Geheimdienst-Gemeinschaft", welche die russische Einmischung bewiesen haben will.

In ihrem Bericht vom 6. Januar 2017 versuchten die US-Geheimdienste NSA, CIA und FBI darzulegen, dass der russische Präsident eine "Einflusskampagne für die US-Präsidentschaftswahlen angeordnet" habe. Details enthält der Bericht keine, dafür umso brisantere Anschuldigungen, dass der Wahlsieg von Donald Trump darauf zurückzuführen sei, dass die Kandidatin Hillary Clinton vorsätzlich anhand einer scheinbar mächtigen, wenn auch nicht nachweisbaren, russischen Kampagne geschwächt wurde. Statt stichhaltiger Beweise legt der Bericht auf mehreren Seiten dar, dass der russische Präsident eine klare Präferenz für den Kandidaten Trump gehabt habe. Die Berichterstattung des Senders RT, welche die ganze Welt verfolgen kann, sollte angeblich diese Darlegung untermauern. Doch nicht nur inhaltlich lässt dieser Bericht, der immer wieder als Grundlage für den Vorwurf dient, Stichhaltigkeit und Seriosität vermissen.

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Jack Matlock war 35 Jahre lang für die US-Regierung als Diplomat in Moskau und im Nationalen Sicherheitsrat der USA (NSC) tätig. Dabei bewertete er Geheimdienstberichte zu sowjetischen und europäischen Angelegenheiten und gab seine Stellungnahmen dazu ab, bevor diese an den US-Präsidenten gingen. Mit diesen Kenntnissen über Stärken und Schwächen von Geheimdienstberichten sowie mit seiner Erfahrung widmete er sich nun eingehender dem Bericht vom 6. Januar 2017 von den drei Geheimdiensten CIA, FBI und NSA, der seither als Grundlage für viele Spekulationen dient.

Auf consortiumnews schreibt der ehemalige US-Gesandte, der Bericht würde als  "Intelligence Community Assessment" bezeichnet. Das sei er aber allein deshalb schon gar nicht, weil dann üblicherweise einsehbar sei, inwieweit einzelne Nachrichtendienste mit den Schlussfolgerungen einverstanden sind und warum. Der Anspruch gar, eine einvernehmliche Position der "Geheimdienstgemeinschaft" zu zeigen, könne nicht erhoben werden, wenn eine relevante Behörde ausgelassen würde. Der besagte Bericht sei vorgeblich Ergebnis der Arbeit von drei Geheimdiensten CIA, FBI und NSA. Jack Matlock erklärt jedoch dazu:

auch das ist irreführend, da es impliziert, dass es einen Konsens der relevanten Analysten in diesen drei Agenturen gab."

Tatsächlich dagegen habe eine "von ihren Direktoren vorselektierte" Gruppe von Analysten aus den drei Agenturen den Bericht erstellt, wobei die Selektion der Analysten im Allgemeinen von James Clapper, dem damaligen Director of National Intelligence (DNI), überwacht wurde.

Clapper habe selbst in seiner Zeugenaussage vor dem Senat am 8. Mai 2017 ausgesagt, dass der Bericht von "etwa zwei Dutzend Analysten, handverlesenen, erfahrenen Experten aus jeder der beteiligten Agenturen" erstellt wurde. Doch gerade diese selektive Besetzung kritisiert Matlock:

Wenn Sie die Analysten handverlesen können, können sie die Schlussfolgerungen sorgfältig auswählen.

Die ausgewählten Analysten hätten verstanden, was Direktor Clapper wollte, denn er machte kein Geheimnis aus seinen Ansichten. Warum sollten sie ihre Karriere gefährden, indem sie nicht liefern?

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Und genau da hätte nach Ansicht von Matlock jeder Kongressabgeordneten oder Reporter aufhorchen und Sorgfalt walten lassen müssen, denn das Verfahren, das Clapper verfolgt hat, sei das gleiche gewesen, welches 2003 zur Erstellung des Berichts verwendet wurde, in dem fälschlicherweise behauptet wurde, Saddam Hussein habe Vorräte an Massenvernichtungswaffen aufbewahrt.

Das sollte beunruhigend genug sein, um Fragen zu stellen, aber das ist nicht die einzige Anomalie.

Weiterhin erscheint es dem Ex-Diplomaten und Historiker verwunderlich, dass das DNI unter Clapper nicht Gebrauch von der Möglichkeit gemacht habe, den Nationalen Nachrichtendienst einzuschalten, welcher mit dem Fachwissen aus jedem Nachrichtendienst Gemeinschaftsbewertungen erstellen könne. Umso verwunderlicher, da dieser eigens dazu eingerichtet worden sei, eine Brücke zwischen den Geheimdiensten und der Politik zu bilden.

Zudem würde, so Matlock, ein Urteil bezüglich der nationalen Sicherheit Berichte der CIA, der Defense Intelligence Agency (DIA) und des Bureau of Intelligence and Research (INR) des State Department umfassen. Das FBI wurde nur selten, wenn überhaupt, einbezogen, es sei denn, die Hauptfrage betraf die Strafverfolgung in den Vereinigten Staaten. Die NSA hat vielleicht einen Teil der von den anderen Agenturen verwendeten Informationen zur Verfügung gestellt, aber normalerweise keine Meinung zum Inhalt der Berichte geäußert.

Beim Lesen des Berichts vom 6. Januar sei auffällig gewesen, dass es darin keinerlei Erwähnung des INR oder des DIA gegeben habe.

Während der Ausschluss der DIA nach Ansicht von Matlock damit begründet werden könnte, dass sich ihr Mandat in erster Linie auf den militärischen Bereich bezieht - allerdings bezieht sich der US-Geheimdienstbericht dennoch zum Teil gerade auch auf den russischen militärischen Geheimdienst GRU. Und die Defense Intelligence Agency DIA ist eben das US-Geheimdienstorgan mit der größten Expertise über die GRU. Im Bericht ist jedoch nicht erwähnt, ob oder inwieweit die DIA den Ergebnissen des Berichts zustimmt.

Wie Matlock schreibt ist aber die Auslassung des INR noch eklatanter. Bei einem Bericht über außenpolitische Aktivitäten ohne Beteiligung des INR könne von "der US-Geheimdienstgemeinschaft" nicht die Rede sein, da das INR als Teil des Außenministeriums bei der Beurteilung ausländischer Absichten und außenpolitischer Aktivitäten "mit Abstand am sachkundigsten und kompetentesten" sei.  Es sei das INR gewesen, das zu Matlocks Dienstzeit genau über Gorbatschows Reformen berichtete, als die CIA-Führer noch darauf hinwiesen, dass Gorbatschow die gleichen Ziele habe wie seine Vorgänger.

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Vernachlässigte Sorgfaltspflicht der Journalisten und Politiker 

Und genau hier käme die Sorgfaltspflicht ins Spiel, so Matlock, denn "die erste Frage, die sich verantwortliche Journalisten und Politiker stellen sollten", laute:

Warum ist das INR nicht vertreten? Hat es eine andere Meinung? Wenn ja, was ist das für eine Meinung? Höchstwahrscheinlich wäre die offizielle Antwort gewesen, dass es sich um 'geheime Informationen' handele. Aber warum sollten sie klassifiziert werden? Wenn einige Agenturchefs zu einem Schluss kommen und es öffentlich bekannt geben wollen (oder werden), verdient es dann die Öffentlichkeit nicht zu wissen, dass eine der wichtigsten Agenturen eine andere Meinung hat?

Und die zweite Frage hätte an die CIA, die NSA und das FBI gerichtet werden sollen:

Waren alle ihre Analysten mit diesen Schlussfolgerungen einverstanden oder waren sie in ihren Folgerungen gespalten? Was war der Grund dafür, Analysten (für diese Aufgabe) zu selektieren und von der üblichen Praxis abzuweichen, bereits existierende und für die Verfolgung der Probleme verantwortliche Analysten zu gewinnen?

Geheimdienst mit abweichender Ansicht ausgeschlossen

Matlock habe kürzlich von einem hochrangigen Beamten erfahren, dass das INR, das Bureau of Intelligence Research des Außenministeriums in der Tat eine andere Meinung vertreten habe, sie aber nicht äußern durfte. Und aus dem Grund sei der Bericht vom Januar nicht das Produkt der "Geheimdienstgemeinschaft", sondern von drei Geheimdiensten, von denen zwei gar keine Verantwortlichkeit oder notwendige Kompetenz haben, die Absichten anderer Länder zu beurteilen.

Die Aufgabe des FBI ist es, Bundesgesetze durchzusetzen. Die Aufgabe der NSA ist es, die Kommunikation anderer abzufangen und die unserige zu schützen. Die Beurteilung der Inhalte, die abgefangen werden, übernehmen andere, insbesondere von der CIA oder der DIA - wenn sie militärisch ist - oder vom INR des Außenministeriums - wenn sie politischer Natur ist.

Matlock weist weiter darauf hin, dass die Berichte der Nachrichtendienste die Ansichten der Leiter der Agenturen widerspiegeln und nicht unbedingt ein Konsens der Ansichten ihrer Analysten sind. Die Leiter der Dienste CIA und des FBI seien auf politischer Grundlage ernannt worden. Der NSA-Chef ist ein Offizier des Militärs, und seine Agentur ist eher ein Sammler von Informationen als ein Analytiker für deren Bedeutung, außer in den Bereichen Kryptographie und Kommunikationssicherheit.

Als besonders auffällig an der Berichterstattung wie auch an der Diskussion des Januar-Berichts im Kongress sieht der Ex-Gesandte, dass die Frage nach der Beteiligung der relevanten Agenturen nie gestellt wurde. 

Ganz abgesehen davon, dass die Verurteilung erfolgt, ohne dass diese Fragen gestellt werden, verweist Matlock auf die Passage gleich am Anfang des Berichts vom Januar:

Wir haben keine Bewertung der Auswirkungen der russischen Aktivitäten auf das Ergebnis der Wahlen 2016 vorgenommen. Die US Intelligence Community hat die Aufgabe, die Absichten, Fähigkeiten und Handlungen ausländischer Akteure zu überwachen und zu bewerten; sie analysiert weder die politischen Prozesse in den USA noch die öffentliche Meinung in den USA."

Der Ex-Diplomat mit umfangreicher jahrzehntelanger Erfahrung in der Beurteilung von Geheimdienstberichten fragt sich

Wie kann man nun beurteilen, ob die Aktivität eine Wahl 'gestört' hat, ohne deren Auswirkungen zu beurteilen? Denn wenn die Aktivität keinen Einfluss auf das Wahlergebnis hätte, könnte man sie nicht als Einmischung bezeichnen. Dieser Haftungsausschluss hat Journalisten und Politiker jedoch nicht daran gehindert, den Bericht als Beweis dafür zu zitieren, dass "Russland sich in die US-Präsidentschaftswahlen 2016 eingemischt hat.

Der Gebrauch des Begriffs "hohes Vertrauen" in dem Bericht käme dem gleich, was die meisten normalen Leute "unsere beste Vermutung" (best guess) nennen würden. Die Bezeichnung "Mäßiges Vertrauen" bedeutet "einige unserer Analysten denken, dass das wahr sein könnte."

Guccifer 2.0 ist eine Fälschung

Auch die Behauptungen hinsichtlich der Aktivitäten von Guccifer 2.0, der im Auftrag des russischen Geheimdienstes GRU die Server des DNC gehackt haben soll, seien mehr als fragwürdig. Denn, so Matlock, 

Was der Bericht nicht erklärt, ist, dass es für einen Hacker oder einen ausländischen Geheimdienst leicht ist, eine falsche Spur zu legen.

Und tatsächlich seien Erkenntnisse über ein genau dafür bestimmtes Programm, das von der CIA mit Unterstützung durch die NSA eigens dafür entwickelt wurde, durchgesickert und veröffentlicht worden.

Technische Experten der NSA sind nach Untersuchung der "Guccifer 2.0"-Daten zu dem Schluss gekommen, dass die Daten gerade nicht über einen Hack von außen kamen, sondern lokal heruntergeladen wurden und außerdem manipuliert wurden. Damit handele es sich bei Guccifer 2.0 um eine Fälschung.

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Matlock findet zwar die Behauptungen des Berichts bezüglich der Zustellung der DNC-E-Mails an Wikileaks zweifelhaft, betont jedoch, dass die abschließende Aussage dazu aufschlussreich sei, die

Enthüllungen durch WikiLeaks enthielten keine offensichtlichen Fälschungen'. Mit anderen Worten, was offenbart wurde, war die Wahrheit!

Zwar werden die Russen beschuldigt, die Demokratie in den USA zu verunglimpfen, indem sie enthüllen, dass das DNC versucht hat, über die Nominierung eines bestimmten Kandidaten zu richten, anstatt den Vorwahlen für die Präsidentschaft zu erlauben, ihren Lauf zu nehmen.

Ich hatte immer gedacht, dass Transparenz mit demokratischen Werten vereinbar ist," so Matlock.

Doch anscheinend haben diejenigen, die glauben, dass die Wahrheit der Demokratie schaden kann, "ein ziemlich bizarres" Konzept der Demokratie, meint der Ex-Diplomat.

Schäbiger, politisch motivierter Bericht

Die Behauptung, dass Russland die Wahlen manipuliert habe, klingt so, als handele es sich um eine handfeste Wahleinmischung in Form der Veränderung der gezählten Wahlstimmen.

Das wäre in der Tat beängstigend und würde die schmerzhaftesten Sanktionen rechtfertigen," so Matlock.

Jedoch habe der "Geheimdienst"-Bericht vom 6. Januar 2017 genau dies nicht dargelegt, sondern sogar das Gegenteil klar gemacht: 

DHS [das Ministerium für Heimatschutz] bewertet, dass die Art der Systeme, die von russischen Akteuren angegriffen oder kompromittiert wurden, nicht an der Stimmenauszählung beteiligt waren.

Leider sei genau dies nicht weiter diskutiert worden, so Matlock im Hinblick auf die weitreichenden Konsequenzen des Berichts. Dieser Bericht sei immerhin Teil derjenigen Geschichte, in der die amerikanisch-russischen Beziehungen ohne guten Grund in eine gefährliche Konfrontation gelenkt worden sind.

Prominente amerikanische Journalisten und Politiker haben diesen schäbigen, politisch motivierten Bericht als Beweis für die "russische Einmischung" in die US-Wahlen aufgegriffen, ohne auch nur den Anschein der gebotenen Sorgfalt zu wahren. Sie haben objektiv als Mitverschwörer agiert, um eine Verbesserung der Beziehungen zu Russland zu verhindern, auch wenn die Zusammenarbeit mit Russland zur Bewältigung gemeinsamer Gefahren für beide Länder unerlässlich ist.

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