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Den USA geht es nicht um das Atomabkommen – sondern um Regime-Change im Iran

Nur wenige Wochen nach dem Ausstieg der USA aus dem Atomabkommen kommt es im Iran zu Protestaktionen der LKW-Fahrer und der Lehrer. Dies entspricht auch der Strategie Washingtons, das einen Regierungswechsel anstrebt, der im Land selbst entsteht.
Den USA geht es nicht um das Atomabkommen – sondern um Regime-Change im IranQuelle: www.globallookpress.com

von Dr. Kamran Gasanow

Weniger als zwei Wochen nach dem Ausstieg der USA aus dem Nuklear-Deal gab es im Iran Demonstrationen. Während der Proteste am 17. Mai in Kazeroon im Südwesten des Landes starben zwei Personen und etwa 50 wurden verletzt. Verschiedene soziale Gruppen, darunter Lehrer und Lastwagenfahrer, nahmen an den Streikaktionen teil, die teilweise auch von Ausschreitungen gegen die Polizei begleitet sind. Die Menschen sind mit der wirtschaftlichen Situation im Land unzufrieden. Bereits im Dezember 2017 hatten massive Demos stattgefunden, als die Welle der Proteste 80 iranische Städte erfasste. Einige der Teilnehmer beschwerten sich über den Rückgang des Lebensstandards und riefen zum Sturz des "Ajatollah-Regimes".

Die iranischen Behörden in ihrem gewöhnlichen Stil machten die USA und Israel für den Unmut verantwortlich. "Ich fordere Familien auf, ihren Kinder nicht zu erlauben, sich durch psychologische Kriegsführung betrügen zu lassen, die durch den Feind, vor allem die Zionisten und die Amerikaner, ins Leben getragen worden ist", berichtete das Nachrichtenportal des iranischen Justizministeriums.

Der Faktor "Amerika" ist in der einen oder anderen Form auch in den gegenwärtigen Unruhen im Iran präsent. Darüber später. Nun zum "Auslöser", der die Menschen auf die Straße bringt. Dies ist sicherlich die wirtschaftliche Lage, über die sich die Demonstranten selbst beschweren. Makroökonomische Statistiken sprechen für sich. In den letzten Wochen hat der Rial gegenüber dem Dollar um 25 Prozent abgewertet, die Inflation stieg auf acht Prozent und die Arbeitslosigkeit auf elf Prozent. Die anhaltende Kreditkrise führte eine Reihe von Banken in die Pleite. Von 2010 bis 2015 fiel das iranische BIP-Wachstum von 6,6 auf 1,5 Prozent. Nach der Unterzeichnung des "6+1"-Vertrags gab es vorübergehend wieder einen Anstieg. Der IWF sagt für 2018 mehr als vier Prozent voraus, aber aufgrund der Wiederherstellung des Sanktionsregimes können sich die Indikatoren dramatisch verschlechtern. 

Trotz Rückendeckung aus Brüssel: Unternehmen stimmen mit dem Geldbeutel ab

Trump drohte, die stärksten Sanktionen gegen den Iran und die Unternehmen, die dort investieren, zu verhängen. Der Abzug der milliardenschweren Investitionen von Daimler, Total, Eni, BASF und Airbus wird die iranische Wirtschaft in Gefahr bringen. Zwei Tage vor Trumps historischer Entscheidung zum Ausstieg aus dem Atomabkommen warnte der IWF davor, dass die Sanktionen das iranische Bankensystem und den internationalen Handel vor ein unkalkulierbares Risiko stellen würden. Obwohl Europa verspricht, den Deal zu erhalten, hat Total bereits einen Investitionsstopp in mit Blick auf "South Pars-11" angekündigt. Der iranische Ölminister Bijan Zanganeh gab Total ein Ultimatum zur Erklärung von 60 Tagen. Ansonsten werde das Gasvorkommen den Chinesen übergegeben. Trotz des "grünen Lichts" der EU-Regierungen werden wahrscheinlich auch andere europäischen Großkonzerne dem Beispiel von Total folgen.

Die größten Risiken finden sich nicht nur darin, dass die Investitionen in den Gassektor eingefroren werden, sondern auch in Sanktionen gegen den Ölhandel. Anders als 2012 ist der Kauf von Öl weder durch EU-Verordnungen noch durch UN-Resolutionen verboten. Aber der Handel vollzieht sich in Dollar und darüber hinaus drohen die USA, alle Unternehmen zu bestrafen, die amerikanische Sanktionen umgehen, um iranisches Öl zu kaufen. Die Volksrepublik China und sogar das mit den Amerikanern verbündete Indien haben deutlich gemacht, dass sie Trumps Drohungen ignorieren werden. Aber die Europäer könnten aus Angst, bestraft zu werden, keine Risiken eingehen. Nach Berechnungen von Bloomberg wird der Iran als der drittgrößte Exporteur der OPEC 500.000 von 2,5 Millionen Barrel pro Tag verlieren, wenn er nicht in andere Länder Öl exportieren darf. Ein zusätzliches Risiko sind die Ölpreise, die durch eine Reihe von Faktoren verstärkt werden. Zanganeh hält einen Preis von 60 Dollar pro Barrel für optimal. Bei hohen Preisen würde hingegen US-LNG den Markt überschwemmen und zu einem Rückgang der Ölpreise führen.

Reza Pahlavi als Sprachrohr der Opposition in der Diaspora?

Unter Berücksichtigung der aufgezählten Gefahren für den Iran bleibt der Sanktionsdruck die beste Option für die Regierung im Weißen Haus, um das iranische Regime zu stürzen. Teheran wird nicht freiwillig die Entwicklung ballistischer Raketen und den Einfluss im Jemen, im Libanon, in Syrien, in Bahrain usw. aufgeben, was Trump jedoch als Bedingung für eine Nichteinführung der neuen Sanktionen stellt. Teheran betrachtet diese beiden Punkte als Grundlage seiner Verteidigungsstrategie. Um vollständig "sicherzustellen", dass der Iran keine Atomwaffen entwickelt, wäre eine Bodenoperation mit einer millionenstarken Armee notwendig, die die USA nicht haben. Angriffe auf Objekte im Iran würden die iranische Gesellschaft, die von antiamerikanischer Ideologie durchtränkt ist, hingegen noch enger zusammenrücken lassen.

Der Iranexperte und stellvertretende Chefredakteur der Nachrichtenagentur Realist, Kirill Dschawlakh, bestätigt, dass Trumps Priorität ein Regime-Change ist, und zwar einer, der von innen kommt.

Zusammen mit der Ausarbeitung einer Militäroperation gegen den Iran bereiten die Amerikaner bereiten jetzt den Boden für die Destabilisierung des Regimes in Teheran. Hier liegt der Schwerpunkt auf der Spaltung der iranischen Elite und dem Aufbau von Protestaktivitäten. Durch die Worte des ältesten Sohns des letzten Schahs von Iran, Reza Pahlavi, der in den Vereinigten Staaten lebt, äußerte Washington seine Vision eines neuen Regimes in Teheran. Nach Meinung des Thronfolgers des Schah-in-schah-Staates im Iran, der nicht mehr existiert, ist eine parlamentarische Republik die ideale Regierungsform für den Iran. Bei einem Treffen mit Vertretern der Organization of Iranian American Communities sagte Trumps Berater im Bereich der Cyber-Sicherheit, ​​Rudolph Giuliani, dass Trump ein Befürworter des Regimewechsels in Teheran ist, und dies der einzige Weg zum Frieden im Nahen Osten ist", sagte Dschawlakh im Gespräch mit dem Autor.

Er wies darauf hin, dass es reale sozioökonomischen Gründe für die aktuellen Proteste wie Arbeitslosigkeit, Inflation, Lebensmittelpreise und Benzin sowie die Erhöhung der Steuer für die Bürger und Unternehmen gibt.

Staatliche Propaganda im Iran sehr effektiv

In einem Nahost-Land hat der Preisverfall infolge von Entscheidungen Trumps bereits zu einem Regierungswechsel geführt. Im Gefolge der massivsten Proteste seit dem Arabischen Frühling nahm der König von Jordanien den angebotenen Rücktritt von Premierminister Hani al-Mulki an.

Wird das Weiße Haus sein Ziel erreichen? Farhad Ibrahimow, Experte des Zentrums für postsowjetische Studien im Moskauer Institut für Weltwirtschaft und internationale Beziehungen (IMEMO), bezweifelt dies.

In den USA hat man beim Ausstieg aus dem Abkommens einige wichtige Faktoren nicht berücksichtigt, die die arabischen Länder während des 'Arabischen Frühlings' betrafen, aber im Fall des Iran nicht funktionieren. Erstens hat sich die absolute Mehrheit der Iraner mit den Ideen und dem Kurs angefreundet, welche die gegenwärtige Regierung in Teheran bestimmen. Die Bürger im Iran sind davon absolut überzeugt, dass das Land einen wirklich richtigen Kurs in Richtung Unabhängigkeit und der Unterstützung ihrer Glaubensgenossen in der Region verfolgt", sagte der Experte in einem Interview mit dem Autor.

Ibrahimow wies darauf hin, dass mit dem Ziel des Regimewechsels der persische Sender Radio Farda und Voice of America aktiv gefördert. Es werden auch im Ausland NGOs gegründet, die mit den iranischen Migranten arbeiten, um ihre Verwandten im Iran beeinflussen zu können. Dennoch wird ein solcher Kurs "ein Fehlschlag" sein, da "die pro-staatliche Propagandamaschinerie ziemlich effektiv ist", fasste der Iran-Experte zusammen.

Obwohl der Iran Erfahrung darin hat, unter Sanktionen zu leben und diese in der gegenwärtigen Situation einseitig ohne die Zustimmung der Vereinten Nationen eingeführt wurden, sollten deren Auswirkungen jedoch nicht unterschätzt werden. Seit der Aufhebung der Sanktionen haben sich die Iraner an ein gutes Leben gewöhnt. Ohne einen wirklichen Krieg wird es sehr kompliziert, die iranische Gesellschaft zu konsolidieren. Mangels Bereitschaft der EU-Unternehmen, in den Iran zu investieren, und struktureller Wirtschaftsreformen, die die Verringerung der Ölabhängigkeit ermöglichen, wird die Unzufriedenheit der Bevölkerung spiralförmig wachsen. Sie können natürlich versuchen, auf ein Impeachment gegen Trump zu warten, aber das ist nicht die weitsichtigste Idee. Das Schicksal des iranischen Regimes wird jetzt gleichzeitig in Washington, in Brüssel und in Teheran entschieden.

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