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Wie der deutsche Steuerzahler anti-russische Propaganda von US-Denkfabriken finanziert

Der Marshall Fund of the United States hat das Projekt "Hamilton 68" eingeführt, welches "einen zeitnahen Blick auf russische Propaganda" ermöglichen soll. Fragwürdig erscheinen neben dessen denunziatorischem Charakter die Methodologie sowie die Finanziers.
Wie der deutsche Steuerzahler anti-russische Propaganda von US-Denkfabriken finanziertQuelle: www.globallookpress.com

von Florian Warweg

Was steckt hinter dem Dashboard Hamilton 68?

Laut dem German Marshall Fund soll das "Dashboard Hamilton 68" dazu dienen, "die russischen Propagandabemühungen auf Twitter in Echtzeit zu beleuchten". Die "Hamilton 68"-Webseite bietet ein Dutzend automatisch aktualisierter Spalten, die "Trending Hashtags", "Trendthemen", "Top-Domains" und "Top-URLs" von "russischen Propagandakativitäten" verfolgen. Das Projekt ist eingebunden in die "Alliance for Securing Democracy" (ASD - Allianz zu Sicherung der Demokratie), eine Initiative des German Marshall Fund of the United States.

Unsere Analyse basiert auf 600 Twitter-Accounts, die mit russischen Einflussaktivitäten online verknüpft sind", so Laura Rosenberger, Senior Fellow bei der Allianz, und J.M. Berger, ein so genannter Non-Resident Fellow der ASD.

Die Methodik bei der Erstellung der Hamilton 68 Propagandaliste wird geheim gehalten. Ebenso legt das Projekt die Identität der angeblichen 600 Twitter-Accounts nicht offen. Bekannt ist lediglich, dass sie die Twitter-Accounts nach drei Typen ausgewählt haben:

  1. "Konten, die eindeutig angeben, dass sie pro-russisch sind oder der russischen Regierung angehören";
  2. "Konten (einschließlich Bots und Menschen), die von Trollfabriken in Russland und anderswo betrieben werden";
  3. "Konten, die von Menschen auf der ganzen Welt geführt werden, die pro-russische Themen entweder wissentlich oder unwissentlich verstärken, nachdem sie von den oben beschriebenen Bemühungen beeinflusst wurden".

Der German Marshall Fund argumentiert, dass er die spezifischen Konten in seinem Datensatz nicht offenlegt, weil er es vorzieht, "sich auf das Verhalten des gesamten Netzwerks zu konzentrieren, anstatt sich in Hunderte von Einzeldebatten hineinziehen zu lassen, welcher Trolltyp in welche Rolle passt".

Der Mangel an methodischer Klarheit, zusammen mit der für sich sprechenden Argumentation, dass der GMF damit "Debatten vermeiden" will, hat bereits zu einer irreführenden medialen Berichterstattung geführt.

Angebliche "russische Trolls" schon einmal als US-Alt-Righter enttarnt

Die Tatsache, dass Hamilton 68 die angeblichen "russischen Accounts" zwar überwacht, aber nicht offenlegt, hat aber vermutlich einen ganz anderen Grund. Denn bei den angeblichen russischen Trolls handelt es sich in Wahrheit vor allem um Anhänger der Alt-Right-Bewegung in den USA, wie es sich bereits im Zusammenhang mit der Bundestagswahl herausgestellt hatte.

Um als russischer Einflussagent zu gelten, reicht es in den Augen dieser transatlantischen Initiative bereits aus, einen Tweet von US-Filmregisseur Oliver Stone zu teilen oder das von Mainstreammedien gezeichnete Bild über Bana al-Abed kritisch zu hinterfragen, wie RT vor einigen Monat berichtete.

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Ins Leben gerufen wurde das Projekt von Clint Watts, einem "ehemaligen FBI-Spezialagenten, der sich zu einem Desinformationsexperten wandelte". An seiner Seite steht mit J.M. Berger, ein Fellow des International Center for Counterterrorism, der nach Eigendarstellung Extremismus und Propaganda in den Sozialen Netzwerken untersucht sowie Andrew Weisburd, Fellow des Center for Cyber and Homeland Security und Jonathon Morgan, CEO von "New Knowledge AI" und Leiter von "Data for Democracy". Laura Rosenberger leitet als Direktorin der "‎Alliance for Securing Democracy" des German Marshall Fund die illustre Runde.

Für das Publikum in Deutschland hat die Allianz neben Hamilton 68 zudem noch das Dashboard "Artikel 38" eingerichtet, welches "russische Einflussoperationen im sozialen Netzwerk Twitter, die an deutschsprachige Zielgruppen gerichtet sind", beobachtet. Die Namenswahl ist eine Anspielung auf den entsprechenden Artikel des Grundgesetzes, der bestimmt, dass die Abgeordneten des Bundestages in "allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl" gewählt werden.

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Erklärte Kriegstreiber und neokonservative Elite geben Ton an

Unter dem Deckmantel der Aufklärung verbreitet die angeblich um die Demokratie besorgte Allianz anti-russische Propaganda. Was keine Überraschung darstellt, wenn man einen Blick auf den Leitspruch und die im Beraterstab der Allianz vertretenen Personen wirft.

Der Leitspruch der Allianz kann in seiner aggressiv anti-russischen Ausrichtung kaum übertroffen werden:

2016 kam die amerikanische Demokratie unter einen beispiellosen Angriff", heißt es dort, bevor das Pamphlet das Engagement der Organisation umreißt, "Wladimir Putins fortwährende Bemühungen, die Demokratie in den Vereinigten Staaten und Europa zu untergraben, zu dokumentieren und zu entlarven".

Abgeschlossen wird das Leitbild mit den Sätzen:

Das Bündnis wird führende transatlantische Experten für Cybersicherheit, Desinformation, illegale Finanzierung, russische Einflussnahme und andere relevante Bereiche gewinnen und Strategien entwickeln, um Demokratien widerstandsfähiger gegen künftige Einmischung zu machen und den russischen Bemühungen, die Subversion der Demokratie als Waffe einzusetzen, besser entgegenzuwirken.

Putins Name erscheint insgesamt sechsmal im Text. Ebenso anti-russisch ausgerichtet wie der Leitspruch zeigt sich der Beraterstab.

Dazu zählt beispielweise Michael Chertoff, der unter US-Präsident George W. Bush das Heimatschutzministerium geleitet hatte. Er hat den nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 eingeführten Patriot Act mitverfasst, der die Bürgerrechte in den USA erheblich einschränkt.

Mit William Kristol sitzt ein weiterer prominenter Neokonservativer im Beraterrat. Kristol plädiert öffentlich für die militärisch gestützte Hegemonie der USA weltweit sowie für die umfassende Revision des Völkerrechts.

Auch Ex-CIA-Direktor Michael Morell und der ehemalige estnische Präsident Toomas Hendrik finden sich im Beraterstab. Vor seiner Politikerkarriere hatte Hendrik über zehn Jahre lang für den Radiosender Radio Free Europe gearbeitet, der "Propaganda im Auftrag der CIA" verbreitete, wie der Deutschlandfunk feststellte. Gekrönt wird der Stab mit dem ehemaligen Oberkommandierenden des strategischen NATO-Kommandos Europa, James Stavridis.

Es überrascht nicht, dass mit diesem personellen Überbau Hamilton 68 entsprechend prominente Unterstützung und mediale Aufmerksamkeit aus dem US-Establishment erhält:  

Finanziert werden die US-Denkfabrik German Marshall Fund of the United States und die unter ihrer Ägide stehende Allianz zur Sicherung der Demokratie mit ihrer explizit anti-russischen Agenda ebenso wie dessen neokonservatives Vorzeigeprojekt Hamilton 68 vornehmlich von deutschen Geldgebern.  

Das deutsche Auswärtige Amt (AA) und die Robert Bosch Stiftung überweisen jährlich einen siebenstelligen Betrag an den GMF. Eine weitere bedeutende Finanzierungsquelle des GMF stellt mit jährlich über 500.000 US-Dollar die vollständig mit deutschen Steuergeldern finanzierte Deutschen Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (GIZ) dar.

Dies wirft eine zentrale Frage auf: Wieso finanziert der deutsche Steuerzahler via Auswärtigem Amt und GIZ die anti-russische Propaganda von US-amerikanischen Neocons und unverbesserlichen Kriegstreibern?

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