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Von der Unterstützung der syrischen Kurden zur Unterstützung der Türkei gegen diese – in nur 9 Tagen

Der US-Außenminister Rex Tillerson hat sich in den letzten Tagen in Washington verzweifelt darum bemüht, nicht von seinen eigenen Verbündeten aus Syrien ausgeschlossen zu werden. Nach einer Krise, die erst vor wenigen Tagen ausgelöst wurde.
Von der Unterstützung der syrischen Kurden zur Unterstützung der Türkei gegen diese – in nur 9 TagenQuelle: Reuters

Trotz all der Rückzieher und Neuausrichtungen, die US-Beamten derzeit machen, ist die Chronologie der Kehrtwende beziehungsweise des Frontwechsels von Afrin nach Ankara verblüffend einfach nachzuvollziehen.

13. Januar

Die USA kündigen eine 30.000-Mann-starke kurdische YPG-geführte Grenzschutztruppe (GST) an, um ein Wiederaufleben des „Islamischen Staates“ abzuwehren, die aus dem Viertel des syrischen Territoriums operiert, das die kurdische Minderheit jetzt kontrolliert.

15. Januar

Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdoğan bezeichnet die GST als "Armee des Terrors" und verspricht, sie "zu erwürgen, bevor sie geboren wird", und sagt, dass sie unmittelbar in die nordwestliche Enklave Afrikas eindringen wird. Ankara erklärt, dass es von den USA nicht über die GST konsultiert wurde, und beharrt darauf, dass Washington sein Versprechen gebrochen hat, die YPG nicht mehr zu bewaffnen, welche die Türkei als separatistische Terroristen betrachtet.

17. Januar

Tillerson an die Medien:

Diese ganze Situation wurde falsch dargestellt, falsch beschrieben, manche Leute haben sich falsch ausgedrückt. Wir schaffen überhaupt keine Grenzschutztruppe.

Unterdessen erklärt der Sprecher des Pentagons, Adrian Rankine-Galloway, bezüglich der 8.000-10.000 YPG-Milizionäre in Afrin:

Wir betrachten sie nicht als Teil unserer Defeat-ISIS-Operationen, die wir dort durchführen und wir unterstützen sie nicht. Wir stehen in überhaupt keinem Verhältnis zu ihnen.

20. Januar

Die Türkei greift Afrin an. Und für den Fall, dass das bisher Geschehene nicht schon unaufrichtig genug war, heißt die von einem Luftangriff unterstützte Bodenoffensive Operation „Olive Branch“, zu Deutsch „Friedensangebot“. Die Türkei gibt bekannt, dass sie eine 30 km tiefe "Sicherheitszone" innerhalb der syrischen Grenze schaffen wird, und kündigt Pläne an, die Offensive weiter nach Osten zu verlagern.

Mehr zum Thema: Analyse: Wieso Russland die Türkei bei ihrer Offensive in Afrin gewähren lässt

21. Januar

"Die Türkei ist ein NATO-Verbündeter. Es ist das einzige NATO-Land mit einem aktiven Aufstand innerhalb seiner Grenzen. Und die Türkei hat legitime Sicherheitsbedenken", sagt US-Verteidigungsminister Jim Mattis und verspricht: "Wir werden das klären."

22. Januar

Tillerson an die Türkei: "Lassen Sie uns sehen, ob wir mit Ihnen zusammenarbeiten können, um die Sicherheitszone zu schaffen, die Sie brauchen." Die Art der Sicherheitszone, die auf dem gleichen Territorium wie die GST operieren wird? Jene Kraft, die angeblich für die Operationen "Defeating ISIS" unentbehrlich war? Machen Sie sich nichts aus alldem.

Tillerson verdient etwas Mitgefühl. Wenn Al-Qaida sich in den IS verwandelte, nachdem die US-Streitkräfte das letzte Mal die Region verließen, was wird dann aus dem IS werden? Die türkischen und kurdischen Spannungen gehen ebenfalls auf den Konflikt zurück und es ist nicht die Schuld Washingtons, dass Ankara ein NATO-Verbündeter ist, während die YPG die motivierteste Kraft Amerikas gegen den IS zur Verfügung stellte. Alles in allem versucht Washington nun, das Beste aus einer schlechten Hand zu machen.

Aber die ganze Episode ist symbolisch für die inkohärente und zum Scheitern verurteilte Strategie, die die USA in Syrien in den letzten sieben Jahren verfolgt haben. Was dachten die USA, was nach der Ankündigung der GST geschehen würde? Wie der Teenager, der unerwartet mit einer Tätowierung nach Hause kommt, hat die USA Ankara nicht im Voraus informiert, weil sie die Reaktion geahnt haben muss oder vielleicht Erdoğans Wut unterschätzt hat, wieder einmal, bevor eine Serie unglaubwürdiger Leugnungen begann.

Das größere Problem ist, dass Washington Akteure unterstützt, die über die Zerstörung des IS hinaus nur wenige gemeinsame Ziele mit den USA haben – welches im Übrigen für die meisten von ihnen keine Priorität mehr hat und für einige nie hatte.  Und abgesehen von einer inzwischen fast mythischen Pro-Demokratie-Bewegung im Jahr 2011 teilt ohnehin keiner von ihnen amerikanische Ziele.

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Tatsächlich fragen sich die meisten wahrscheinlich, warum die USA überhaupt dort sind.  Für die Syrer ist dies ihr eigener Konflikt, die Türkei grenzt an sie, die Kurden haben seit langem einen eigenen Staat begehrt, selbst Russland ist auf offiziellen Wunsch Assads hier.  Der Wunsch Amerikas, den Kurden oder der Türkei oder irgendjemand anderem in Syrien die eigene Farbe anzuheften, zeigt, dass sich die Vereinigten Staaten in den Startlöchern befinden, ein Teil der Post-Konflikt-Phase zu bleiben, aber jede andere Partei hat entweder eine größere Motivation, mehr Legitimität oder beides. Also ist Washington bei seinem derzeitigen Engagement– mit dem sie noch nicht einmal die eigenen Pferde eine Woche lang unterstützen können – wahrscheinlich am besten damit beraten, leise zu helfen, und nicht Streichhölzer anzuzünden und dann in Verlegenheit zu geraten, während andere echte Kriege führen.

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