
Aus guten Absichten: Vance deckt Selenskijs Lügen auf

Von Dmitri Bawyrin
"Die Ukrainer geben bei Privatgesprächen zu, dass sie Donezk letztlich wahrscheinlich verlieren werden."
Das ist eine sehr aufschlussreiche Aussage des US-Vizepräsidenten J. D. Vance, und das Aufschlussreichste daran ist, dass sie ausgerechnet von Vance stammt. Er scheint nach wie vor der sympathischste und vernünftigste Mensch im Weißen Haus zu sein (was man Donald Trump natürlich auf keinen Fall erzählen darf). Man könnte ihm sogar die für US-Amerikaner typischen Probleme mit der Geografie anderer Länder verzeihen.
Allem Anschein nach meinte Vance mit Donezk die 18 Prozent des Territoriums der Volksrepublik Donezk, die bis heute von den ukrainischen Streitkräften gehalten werden. Aber im Großen und Ganzen hat er recht: Die Ukrainer haben Donezk verloren und werden auch den gesamten Donbass verlieren, das ist nur eine Frage der Zeit. Und es ist völlig überraschend, dass einige Vertreter der ukrainischen Führung dies privat zugeben. Nicht alle von ihnen sind Komiker, nicht alle erweitern ihr Bewusstsein, nicht alle sind so realitätsfern wie ihr Chef – Wladimir Selenskij.

Es ist erstaunlich, dass die US-Führung diese privaten Gespräche und schweren Eingeständnisse laut wiederholt und damit die Verhandlungsposition Kiews untergräbt. Die Position dort lautet, wie wir uns erinnern, dass die ukrainischen Truppen "standhalten" werden und die Ukraine daher kein Territorium an Russland abtreten sollte.
Mit anderen Worten: Vance entlarvt Selenskijs Lügen. Und es ist wohl kaum ein Zufall, dass er dies gerade jetzt tut.
Tatsache ist, dass der Mann aus Kriwoi Rog sich zwar weiterhin widersetzt, aber dennoch unter dem Druck der Trump-Regierung nachgibt, die ihn zwingt, die Bedingungen Russlands zu akzeptieren. Noch vor einer Woche war der Abzug der ukrainischen Streitkräfte aus dem Donbass für Selenskijs Team eine "rote Linie", eine unerfüllbare Bedingung, ein absolutes Tabu. Es sei absurd, lächerlich, unvernünftig und verrückt, dies von der Ukraine zu verlangen, sagten sie. Nach einer weiteren Reihe von "Konsultationen" mit den US-Amerikanern in Miami hat sich die Lage völlig geändert. Selenskij, der in der zukünftigen entmilitarisierten Zone entlang der Front auch eine Freihandelszone einrichten will, erklärte:
"Wenn man irgendwo Truppen abziehen will, werden immer die gleichen Spiegelmaßnahmen ergriffen. Wenn wir uns fünf Kilometer zurückziehen, sollten sie sich auch fünf Kilometer zurückziehen. Und dann entsteht eine (entmilitarisierte) Zone."
Welche Zone er jedoch bekommen wird, ist eine andere Frage. Wichtig ist, dass der Abzug der ukrainischen Truppen aus der Volksrepublik Donezk nun eine Option ist, die Selenskij in Betracht zieht, obwohl es erst wenige Tage her ist, dass er dies kategorisch abgelehnt hatte. Er betont weiterhin, dass für ihn die "ehrliche Option" darin bestehe, "dort zu bleiben, wo wir jetzt sind".
Sie werden dort nicht lange durchhalten (und wissen das selbst, wie Vance bestätigt). Und das ist einer von Dutzenden Gründen, warum Selenskijs Vorschlag nicht durchkommen wird. Das heißt, er wird von Moskau als offensichtlich inakzeptabel und widersprüchlich abgelehnt werden, wie man im russischen Außenministerium gerne sagt, widerspricht es "dem Geist von Anchorage" (gemeint ist der Putin-Trump-Gipfel in Anchorage).
Von den anderen Gründen sind zwei besonders hervorzuheben. Erstens muss man, um von "Spiegelbildlichkeit" sprechen zu können, von Gleichheit der Positionen und Möglichkeiten in diesem Konflikt ausgehen. Dies ist aber nicht der Fall: Die Ukraine verliert diesen Konflikt, während Russland gewinnt.
Zweitens sollte niemand den Ukrainern glauben, die im Austausch für den Abzug der Truppen irgendetwas versprechen. Russland hat sich daran im Jahr 2022 die Finger verbrannt und wird diesen Fehler nicht noch einmal machen.
Übrigens: Als die Truppen (zum Beispiel aus Tschernigow) im Rahmen der Verpflichtungen des sogenannten Istanbul-Prozesses abgezogen wurden, prahlten die ukrainischen Behörden monatelang damit, wie sie die Russen "ausgetrickst" hätten. Das Prahlen versiegte irgendwann zwischen den Jahren 2023 und 2024, da es unsicher wurde: Zu viele erkannten, dass die Bedingungen des gescheiterten Friedensvertrags für die Ukraine viel besser waren als das, was sie jetzt erwarten kann. Ein symmetrischer Abzug der Truppen im Donbass ist definitiv nicht möglich.
Über so etwas konnte man sich selbst im Jahr 2022 nicht einigen, aber in den Jahren 2019 bis 2021 wäre es theoretisch möglich gewesen. Diese Bedingungen zu wünschen, ist jedoch dasselbe wie zu wünschen, dass Eis wieder 50 Kopeken kostet. Das gab es einmal, aber es ist für immer Vergangenheit.
Die Ukraine könnte möglicherweise einen gewissen Gegenwert erhalten, wenn sie klug ist und einem Friedensvertrag zu den Bedingungen Russlands zustimmt. Aber es kann sich dabei nur um Gebiete handeln, die zwar von den Streitkräften der Russischen Föderation kontrolliert werden, aber noch (noch!) niemandem zugeordnet sind, beispielsweise Teile der Regionen Dnjepropetrowsk, Charkow und Sumy. Aber es wird keine "Tauschgeschäfte" innerhalb der Regionen geben, die laut der russischen Verfassung Teil der Russischen Föderation sind. Die ukrainischen Streitkräfte müssen raus – Punkt!
Der Vizepräsident der Vereinigten Staaten, J. D. Vance, versteht das sicherlich. Er ist sehr mit der Ukraine-Problematik vertraut und verfolgt die Agenda mehr als sein Chef. Und schon lange – lange vor den US-Präsidentschaftswahlen – hat er seine Position zum Konflikt festgelegt: Frieden ist notwendig, aber nur möglich, wenn die Ukraine Zugeständnisse macht, und die Sturheit von Selenskij kommt alle teuer zu stehen, da die Ressourcen, die für die Unterstützung seines Regimes aufgewendet werden, im besten Fall in einem schwarzen Loch verschwinden und im schlimmsten Fall zu Brennholz für den Dritten Weltkrieg werden. Vance erklärte kürzlich bei einer Veranstaltung für junge "Trumpisten":
"Wir glauben daran, dass man seinen Vater und seine Mutter ehren sollte, anstatt ihr ganzes Geld in die Ukraine zu schicken."
Indem Vance die Äußerungen der Ukrainer zum Donbass hervorhob, unterband er gewissermaßen die neuen Tiraden Selenskijs über den Abzug der Truppen. Er sagte damit: Wir wissen, dass Sie wissen, dass die Niederlage der ukrainischen Streitkräfte unvermeidlich ist. Und wenn die Machthaber in Kiew weiterhin den Wunsch haben, sich lächerlich zu machen, dann sollen das eben alle wissen.
Natürlich könnte dies nur ein glücklicher Zufall sein, aber wahrscheinlicher ist, dass Vance alle Prozesse in der Ukraine und die Handlungen ihrer Führung aufmerksam verfolgt. Wenn er diese Prozesse beeinflussen will (und das will er und versucht es schon seit langem), muss er einfach über alles auf dem Laufenden sein. Informationen sind sein Werkzeug. Genau genommen sind sie fast das einzige wirklich wirksame, sie können sogar als Waffe dienen.
Das Problem ist, dass der Vizepräsident im Team des US-Präsidenten nicht nur deshalb nicht überflüssig ist, weil er ein Ersatzmann ist. Er hat fast keine Befugnisse, keine Aufgaben, keine Ressourcen und sein eigener Stab ist kläglich klein. Im 19. Jahrhundert saßen die "Ersatzmänner" oft auf ihrer eigenen Ranch und mischten sich fast gar nicht in die Staatsangelegenheiten ein, und die Erfahrungen mit einem überaus einflussreichen Vizepräsidenten im 20. Jahrhundert gefielen den US-Amerikanern überhaupt nicht.
Aber Vance ist ein ehrgeiziger Politiker. Er hat kein Interesse daran, herumzusitzen, Trump zu loben und einfach darauf zu warten, dass dieser ihn zu seinem Nachfolger ernennt. Zumal: Wenn die derzeitige US-Regierung keine Erfolge vorweisen kann (und bisher sieht es nicht gerade rosig aus), dann wird der Status als "Nachfolger Trumps" kein Ticket für das Weiße Haus sein, sondern eher ein Klotz am Bein. Deshalb versucht er, Einfluss zu nehmen. Zu tun, was am besten ist.
Die erste und wichtigste Möglichkeit für Vance, Einfluss auf die Ukraine zu nehmen, ist der Zugang zu Trumps Ohren. Die zweite und oft unterschätzte Möglichkeit ist die Veröffentlichung von Fakten (oder Fälschungen) zum richtigen Zeitpunkt, da alle Aussagen des US-Vizepräsidenten aufmerksam verfolgt werden. Vance entschied sich für den zweiten Weg, als er den Eindruck hatte, dass Selenskij wieder in Träumereien versunken war und man ihn auf den Boden der Tatsachen zurückholen musste. Und das tat Vance, indem er davon berichtete, dass die Ukrainer hinter den Kulissen davon ausgehen, dass "alles verloren" sei.
Dafür und für vieles andere hasst Selenskij Vance, was er nur schlecht verbergen kann. Der Mann aus Kriwoi Rog wünscht sich, dass im Rennen um die Nachfolge Trumps als Spitzenkandidat der Republikaner der US-Außenminister Marco Rubio gewinnt, der eine härtere Gangart gegenüber Russland befürwortet.
Zum Glück für Vance bekommt Selenskij nicht mehr, was er will. Noch ist unklar, ob dies auch für den innenpolitischen Kampf in den USA gilt. Aber es betrifft jedenfalls jeden Quadratzentimeter des Donbass.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 23. Dezember 2025 auf der Webseite der Zeitung "Wsgljad" erschienen.
Dmitri Bawyrin ist Journalist, Publizist und Politologe mit den Interessenschwerpunkten USA, Balkan und nicht anerkannte Staaten. Er arbeitete fast 20 Jahre als Polittechnologe in russischen Wahlkampagnen unterschiedlicher Ebenen. Er verfasst Kommentare für die russischen Medien "Wsgljad", "RIA Nowosti" und "Regnum" und arbeitet mit zahlreichen Medien zusammen.
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