
Droht wieder Chaos im westlichen Finanzsystem?

Von Rainer Rupp
Die Entwicklungen auf dem "Repo-Markt" werden von internationalen Finanzexperten genau verfolgt, denn dieser Markt hat eine Frühwarnfunktion für mögliche Krisen oder gar für Zusammenbrüche auf den Finanzmärkten. Wie früher in einem Bergwerk, wo ein Kanarienvogel als primitives, aber effektives Frühwarnsystem für aufsteigendes Gas in seinem Käfig saß. Wenn der Vogel tot von der Stange fiel, war die Explosionsgefahr so groß, dass der Bergewerkstollen sofort evakuiert werden musste.
Der Repo-Markt als "Kanarienvogel" der Finanzwelt
Heute erfüllt der Repo-Markt die Rolle des "Kanarienvogels" auf den westlichen Finanzmärkten. Und dort läuft es nicht mehr, wie es sollte, warnt in letzter Zeit der finnische Experte Professor Tuomas Malinen der aufgrund seiner Beobachtungen auf dem Repo-Markt bereits die Finanzkrisen im Jahr 2008 und dann wieder 2019 akkurat angekündigt hatte.

Um die Bedeutung des Repo-Marktes zu verstehen, sollte man sich das globale Finanzsystem als ein riesiges, unsichtbares Netzwerk vorstellen, das wie ein Kreislauf funktioniert: Geld fließt hin und her, um alles am Laufen zu halten. Im Zentrum dieses Systems steht etwas, das die meisten Menschen nie bemerken – bis es schiefgeht: der sogenannte Repo-Markt. Aber was ist das eigentlich? Und warum machen sich Experten gerade jetzt, Ende 2025, wieder große Sorgen?
Der Repo-Markt ist eine Art Pfandkredit
Repo ist die Abkürzung für "Repurchase Agreement", auf Deutsch etwa "Rückkaufvereinbarung". Stellen Sie sich vor, Sie sind eine große Bank oder ein Investmentfonds und brauchen schnell Geld für einen Tag – vielleicht, um Rechnungen zu bezahlen oder Investitionen zu tätigen. Statt einen normalen Kredit aufzunehmen, leihen Sie sich das Geld einer anderen Bank, über Nacht. Als Sicherheit geben Sie etwas Wertvolles ab, zum Beispiel sichere Staatsanleihen (wie US-Regierungsanleihen oder Bundesschatzbriefe). Am nächsten Tag kaufen Sie diese Anleihen zurück, aber zu einem etwas höheren Preis – das ist der Zins, den Sie zahlen.
Es ist wie beim Pfandhaus: Sie geben Ihre Uhr als Pfand für einen schnellen Kredit und holen sie am nächsten Tag teurer zurück. Der Repo-Markt ist gigantisch – täglich werden hier Billionen umgesetzt. Er sorgt dafür, dass Banken immer flüssig bleiben, also genug Bargeld haben, um ihren Alltag zu meistern. Ohne ihn würde das Finanzsystem stocken wie ein Auto ohne Benzin.
Kein Wunder also, dass der Repo-Markt als Frühwarnsystem dient. Wenn hier etwas nicht mehr rundläuft – zum Beispiel, wenn Banken einander misstrauen und plötzlich höhere Zinsen als sonst verlangen oder gar kein Geld mehr verleihen –, signalisiert das größere Probleme in der Finanzwirtschaft und der Wirtschaft im Allgemeinen.
Gerade jetzt, im Dezember 2025, piepst der Kanarienvogel im US-Finanzsystem wieder lauter, berichtete vor wenigen Tagen Prof. Malinen, Chefökonom von GnS Economics in Finnland, in einem Rundbrief an Kunden. Demnach steigen die Zinssätze für diese Repo-Übernachtkredite wieder. Zum Beispiel liegt der "Triparty General Collateral Rate", ein Maß für sichere Repos, höher als der sichere Zinssatz, den die US-Zentralbank Federal Reserve (Fed) Banken zahlt, um Geld bei ihr zu parken. Das bedeutet: Geldgeber wie Fonds sind vorsichtig und fordern höhere Zinsen, weil sie Risiken wittern. Deshalb umgehen aktuell auch US-Großbanken, die direkten Zugang zur US-Zentralbank haben, den Repo-Markt und greifen immer öfter auf Notfallkredite der Fed zurück – ein klares Zeichen für wachsendes Misstrauen in den Repo-Markt.
Erinnerungen an 2008: Die große Krise und ihre Lehren
Das klingt vertraut? Ja, es erinnert an die Finanzkrise von 2008. Damals explodierte alles im Repo-Markt. Schlechte Immobilienkredite wurden in Pakete geschnürt und als Sicherheiten verwendet. Als klar wurde, dass diese Pakete wertlos sein könnten, gerieten die Banken in Panik. Sie lehnten Kredite ab oder verlangten riesige Extrasicherheiten. Das führte zu einem "Run on Repo" – einem Massenansturm, bei dem sogar Großbanken wie Lehman Brothers pleitegingen. Das System fror ein, Banken fielen um, Millionen verloren Jobs, und Staaten pumpten Hunderte von Milliarden an Steuergeldern rein, um den großen Kollaps abzuwenden.
Im September 2019 kam es erneut zu einer akuten "Repo-Krise" bzw. einem Liquiditätsengpass im US- und globalen Finanzsystem, die sich über viele Monate hinzog. Anfang 2020 verschärfte sich die Lage katastrophal. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat COVID-19 am 11. März 2020 offiziell zur Pandemie erklärt. Dank der WHO-Erklärung wurde die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit jedoch von der brandgefährlichen Bankenkrise abgelenkt, und die Geldhäuser konnten erneut und ohne öffentliche Proteste mit Billionen (Tausenden von Milliarden) Dollar an Liquiditätszuschüssen gerettet werden. Heute, im Dezember 2025, zeigen sich laut Prof. Malinen wieder Anzeichen von Stress, die an 2019 erinnern, aber vorerst milder und kontrollierter ausfallen.
Die Krise von 2019/20
Im September 2019, vor allem am 16. des Monats, kam es zu einem ernsten Liquiditätsmangel im US-Bankensystem durch Quartalssteuern und große Treasury-Verkäufe (US-Schatzbriefen) der Fed, wodurch die Bankreserven Anfang 2020 auf knapp 1,4 Billionen US-Dollar schrumpften. In den ersten Monaten 2020 kam es dann zu einer globalen Panik und einer Jagd auf Liquidität ("Dash for Cash"), verbunden mit Massenverkäufen von Treasuries und Rezessionsängsten.
Gegen Jahresende 2019 gab es Repo-Zinsspitzen von bis zu zehn Prozent, und die täglichen Repo-Operationen ab dem 17. September lagen bei bis 75 Milliarden Dollar. Zugleich verkauften die Geldhäuser US-Schatzbriefe im Wert von 60 Milliarden Dollar pro Monat, um ihre Liquidität zu verbessern. Die Großbanken mit direktem Zugang zur Fed (Primary Dealer) machten Gebrauch von den Notfall-Repos der Fed von bis zu 100 Mrd./Tag. Der Tagesumsatz des Repo-Marktes belief sich Ende 2019 auf drei bis vier Billionen Dollar. Im ersten Quartal machte die Liquidität im US-Repo-Markt vor dem Hintergrund großer staatlicher Liquiditätsmaßnahmen, die mit der COVID-19-Pandemie gerechtfertigt wurden, einen Sprung auf über fünf Billionen Dollar. Diese Tabelle zeigt, wie die Fed im März 2020 das Finanzsystem Tag für Tag mit 500 Milliarden Dollar Repos geradezu zugeworfen hat.
Beide Perioden (2008 und 2019/2020) zeigen, wie der Repo-Markt als "Frühwarnsystem" wirkt: Höhere Repo-Raten deuten auf wachsende Vorsicht unter Kreditgebern hin, oft durch Liquiditätsdrainagen aus Treasury Settlement oder Steuerzahlungen. Im Jahr 2019 führte der plötzliche Reservenrückgang zu Panik; ähnlich 2025, wo die Fed bis vor Kurzem noch mit ihrer QT-Politik Liquidität aus dem System saugte und die Reserven der Geldhäuser "verdünnte".
Die Fed reagierte in allen Fällen von Stress auf dem Repo-Markt mit Liquiditätszuflüssen – 2019 mit temporären Repos, 2020 mit massivem Quantitave Easing und 2025 mit Treasury-Käufen, um wieder Liquidität ins System zu pumpen. Das ist jedoch noch keine Garantie dafür, einer tieferen Krise in den kommenden Monaten abzuwenden. Experten wie Prof. Malinen warnen heute vor "wachsenden Spannungen", ähnlich den Analysen von 2019, die auf versteckte Bank-Schwächen hinwiesen.
Im Gegensatz zu 2019, als die Fed Interventionen reaktiv kamen, stoppte die Zentralbank seit dem 1. Dezember 2025 die Entziehung von Liquidität mithilfe ihrer QT-Politik proaktiv und startete Käufe von US-Schatzbriefen, um eine Eskalation zu vermeiden. Auch ist der Repo-Markt noch viel größer geworden (zwölf Billionen US-Dollar/Tag im Vergleich zu drei bis vier Billionen im Jahr 2019), wobei mehr Nichtbanken wie Hedgefonds die Volatilität dämpfen. Zudem, so argumentieren die Optimisten, gebe es diesmal keinen externen Schock wie die Pandemie. Daher sei der aktuelle Stress 2025 rein "finanztechnischer" Natur und sage nichts über den fundamentalen ökonomischen Ausblick aus. Diesbezüglich ist Professor Malinen jedoch anderer Meinung, denn er sieht auch jenseits des Repo-Marktes zunehmend Zeichen einer sich rasch nähernden Wirtschaftskrise.
Der Repo-Stress zeige, so Malinen, dass große Banken in Schwierigkeiten stecken, und damit die ganze US-Wirtschaft. "Es ist wie eine rote Flagge, dass etwas im System kurz davor ist, zu brechen", sagt er. Die Ursachen? Möglicherweise versteckte Risiken in der Privatkreditbranche oder allgemeine Liquiditätsknappheit. Malinen fürchtet: Ohne schnelles Handeln droht Chaos, und es gibt keinen einfachen Ausweg.
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