
Vernichtendes US-Abschlussgutachten: 148 Milliarden Wiederaufbau-Dollar in afghanischen Sand gesetzt

Von Rainer Rupp
Knapp viereinhalb Jahre nach dem chaotischen Abzug der USA aus Kabul legt der Sondergeneralinspekteur für den Afghanistan-Wiederaufbau (SIGAR) sein letztes, 125-seitiges Gutachten vor. Die Botschaft ist ernüchternd: Mehr als 148 Milliarden US-Dollar für den Wiederaufbau des Landes zu einem demokratischen Staat nach neoliberalem westlichem Vorbild – mehr als der gesamte Marshallplan für Nachkriegs-Europa – wurden in ein Land gepumpt, das am Ende weder stabil noch demokratisch war.
Die surreale Mission zum Aufbau der afghanischen Nation ist grandios gescheitert. Laut dem Generalinspekteur war Korruption der Hauptgrund. Gene Aloise, kommissarischer Leiter von SIGAR, sagte am 3. September Journalisten:

"Korruption war das größte Problem während der gesamten 20 Jahre. Sie hat die Bevölkerung gegen die Regierung aufgebracht, die wir dort aufbauen wollten. Sie hat die (afghanischen) Streitkräfte geschwächt, sie hat alles geschwächt, was wir versucht haben."
Schon ab 2012 hätten die Quartalsberichte offengelegt, wie immer mehr Distrikte des Landes an die Taliban fielen, aber diese Warnungen seien in Washington und Kabul ignoriert worden. Bemerkenswert, aber nicht benannt ist dabei die Tatsache, dass auch SIGAR erst elf Jahre nach Beginn des brutalen, unprovozierten und mit falscher 11.-September-Flagge rechtfertigten US-Angriffskrieges gegen das Land am Hindukusch gemerkt hat, wohin die Reise ging.
Korruption fraß Milliarden und tötete Menschen
Von den 148 Milliarden Dollar verschwanden laut dem SIGAR-Abschlussbericht zwischen 26 und 29 Milliarden Dollar der Wiederaufbaumittel durch Betrug, Verschwendung und Missbrauch. Das sind bis zu 20 Prozent des gesamten Budgets. Die Liste der Skandale ist lang und bedrückend. Hier einige Beispiele aus dem Bericht:
- Ein 355-Millionen-Dollar-Kraftwerk der US-Entwicklungsagentur USAID lief zeitweise mit weniger als einem Prozent seiner Kapazität.
- Ein Luxushotel- und Apartmentkomplex gegenüber der US-Botschaft in Kabul, mit 85 Millionen Dollar subventioniert, steht bis heute als leere Bauruine da.
- 20 Transportflugzeuge vom Typ G-222 wurden für 486 Millionen Dollar gekauft – und später teilweise für sechs Cent pro Pfund verschrottet.
Allein die Bekämpfung des Opiumanbaus kostete weitere 7,3 Milliarden Dollar; mit dem Ergebnis, dass Afghanistan weiter Weltmeister im Heroinexport blieb. Korruption in der afghanischen Drogenwirtschaft habe jede Stabilisierung des Landes durch die USA unmöglich gemacht.
Durch die Korruption wurden sogar amerikanische Soldaten getötet. 2012 starben zwei GIs, als eine Sprengfalle in einem Abflussrohr explodierte. Ein afghanisches Bauunternehmen hatte bewusst minderwertige Gitter installiert, damit Taliban-Kämpfer leicht darunter Sprengsätze platzieren konnten. SIGAR sprach von "bewusstem Betrug und schlampiger Arbeit" – mit tödlichen Folgen.
60 Prozent für Waffen, alle in Taliban-Hand
Der erstaunlichste Aspekt des SIGAR-Berichts ist, dass rund 60 Prozent der 148 Milliarden für den Wiederaufbau des Landes in eine blühende und stabile Demokratie für Waffenkäufe ausgegeben wurden; im Detail für 427.300 Schusswaffen, fast 100.000 Fahrzeuge, darunter 23.825 Militär-Humvees, 162 Fluggeräte, 17.400 Nachtsichtgeräte usw. Beim überstürzten Abzug der USA aus Afghanistan im August 2021 ließ das US-Militär Ausrüstung im Wert von 7,1 Milliarden Dollar zurück – praktisch die gesamte Ausrüstung der afghanischen Marionetten-Armee fiel den Taliban intakt in die Hände. Heute bildet genau diese US-finanzierte Ausrüstung das Rückgrat des Taliban-Sicherheitsapparats.
"Das ist eine bittere Ironie", heißt es im SIGAR-Bericht. "US-Steuerzahler finanzierten Waffen und Einrichtungen, die wir den afghanischen Streitkräften gaben und die nun das Rückgrat der Taliban bilden."
Das US-Doha-Abkommen mit den Taliban besiegelte das Ende
Mehrere hochrangige US-Offiziere und Regierungsbeamte, die SIGAR interviewt hatte, machen das im Februar 2020 unter Trump geschlossene Doha-Abkommen mit den Taliban für den endgültigen US-Kollaps in Afghanistan verantwortlich. Es habe die afghanische Regierung delegitimiert und die Taliban ermutigt. Laut Insidern wie Carter Malkasian, einem ehemaligen Berater des US-Generalstabsvorsitzenden, hätte schon im Jahr 2012, also fast ein Jahrzehnt vor dem US-Kollaps, kaum noch jemand daran geglaubt, dass die Aufständischen besiegt und die Marionettenregierung in Kabul dauerhaft an der Macht gehalten werden könnten.
Gesamtkosten des US-Kriegsabenteuers in Afghanistan: 2,3 Billionen Dollar
Die 148 Milliarden Dollar Wiederaufbau sind nur ein kleiner Bruchteil der gesamten "Kosten des Krieges". So lautet das Urteil des "Costs of War"-Projekts der renommierten Brown University (USA), das die gesamten direkten und indirekten Kosten des Afghanistan-Kriegs für die USA auf mehr als 2,3 Billionen Dollar zusammengefasst hat. Zu den indirekten Kosten gehören auch Kriegsfolgekosten wie Versehrtenrenten, Veteranenversorgung bis zum Jahr 2050, Zinszahlungen für die aufgenommenen Schulden usw. Selbst ohne diese Langzeiteffekte lagen die reinen Kriegskosten bei etwa 900 Milliarden Dollar – sechsmal so viel wie der Wiederaufbau.
Der Kosten an menschlichen Leben
Der Krieg forderte entsetzliche Menschenopfer. Allerdings variieren auf afghanischer Seite die Zahlen stark, je nach Quelle: Die UN-Mission UNAMA zählte zwischen 2009 und 2021 mindestens 46.000 getötete Zivilisten. Das "Costs of War"-Projekt der Brown University geht von deutlich über 176.000 Toten aus, wenn man indirekte Folgen wie Krankheiten, Hunger und den Zusammenbruch der Gesundheitsversorgung nach dem Abzug einbezieht. Zigtausende afghanische Soldaten und Polizisten der Regierung starben ebenfalls.
Aus US-Seite starben 2.459 Soldaten und Soldatinnen, mehr als 20.700 wurden verwundet – viele davon schwer mit lebenslangen Behinderungen. Dazu kommen über 3.800 getötete US-Söldner.
Eine Warnung, die wohl verhallen wird
"Wenn es eine zentrale Lehre aus dieser 20-jährigen Tragödie gibt", heiß es im SIGAR-Bericht, "dann die: Jede ähnliche Mission in vergleichbarem Kontext, Umfang und Ehrgeiz muss sich der realen Möglichkeit des Totalversagens stellen." SIGAR-Chef Aloise befürchtet jedoch, dass genau das nicht geschehen wird. Man muss nicht Politikwissenschaft studiert haben, um mit Blick auf die Ukraine zu erkennen, dass seine Warnung bisher im US-Kongress ungehört verhallt ist.
Und was die Korruption zwischen den Hauptakteuren in US/EU/NATO und der Ukraine betrifft, so hat uns jüngst Steve Hanke, Professor für Angewandte Ökonomie an der US-Johns-Hopkins-Universität, eine Ahnung über deren gigantische Dimension vermittelt:
"Seit 2022 wurden insgesamt etwa 360 Milliarden Dollar in die Ukraine gepumpt. Nach meinen Berechnungen liegt der Korruptionsanteil bei 15 bis 30 Prozent wahrscheinlich näher an 30 Prozent. Genau so viel US-Hilfe wurde in Afghanistan gestohlen – dort betrug die Korruption exakt 30 Prozent. Ich denke, in der Ukraine ist es ähnlich. Selbst bei nur 15 Prozent haben die Diebe 54 Milliarden Dollar eingestrichen, bei 30 Prozent sind es 108 Milliarden. Das ist kein Pappenstiel!"
Das ist in der Tat sehr viel Geld. Da kann man mit ziemlicher Sicherheit davon ausgehen, dass nicht alles in der Ukraine geblieben ist, sondern ein Großteil über "Kickbacks" (Rücksendungen) in den Taschen europäischer und amerikanischer Profiteure verschwunden ist.
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