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Krieg mit Europa? In dieser Frage steht Russland geschlossen hinter Putin

Russische Warnungen stoßen im Westen gewöhnlich auf taube Ohren. Das ist sehr schade, denn sie sind immer ernst gemeint. Es sollte aber keine Illusionen geben: Die Warnung Putins vom 2. Dezember ist weder Drohung noch Bluff.
Krieg mit Europa? In dieser Frage steht Russland geschlossen hinter PutinQuelle: Sputnik

Von Platon Gontscharow

Die Europäer wurden am Dienstag vom russischen Präsidenten gewarnt: Russland will keinen Krieg, steht aber "zur Verfügung", wenn Europäer (Vertreter der EU-Staaten und Großbritanniens – Anm. des Autors) doch gewillt sind, einen Krieg mit Russland zu entfachen. Auch sagte er unmissverständlich, dass dieser Konflikt in kürzester Zeit zu einem alles vernichtenden atomaren Inferno ausarten könne.

Politiker mit gesundem Selbsterhaltungstrieb müssten spätestens nach diesen fast beiläufig gesagten Worten sofort diplomatische Fühler nach Moskau ausstrecken, um die Möglichkeiten einer Einigung mit Russland in Sicherheitsfragen auszuloten ‒ zumal Russland offiziell ein Abkommen zum gegenseitigen Nichtangriff seit Wochen anbietet.

Es gab bislang aber keine Anzeichen davon, dass Politiker in Europa das tun würden. Es muss an dieser Stelle nicht erklärt werden, dass dieses Verhalten verantwortungslos ist. Vom Handeln dieser Menschen an der Spitze ihrer politischen Systeme hängt das Leben und die Gesundheit von Millionen ab.

Um das zu tun, muss man kein Freund Russlands sein. Die Versuche von Trumps Delegation, eine gewisse Deeskalation in den Beziehungen zu Russland zu erreichen, sollten dafür ein Beispiel sein. Russland hat da auch sein Interesse, denn es will mit dieser Art Diplomatie zumindest den Stellvertreterkrieg der USA gegen Russland in der Ukraine beenden oder eindämmen.

Genauso ist der Krieg in der Ukraine ein Stellvertreterkrieg Deutschlands, Großbritanniens, Frankreichs und Polens gegen Russland, der zudem noch auf Russlands historischem Territorium geführt wird. Russland hat natürlich großes Interesse, ihn schnellstmöglich zu beenden. Denn täglich sterben Hunderte russischer Menschen auf beiden Seiten der Front.

Die Wut über das dreiste Verhalten dieser Staaten und des "Westens" insgesamt sitzt in jedem russischen Menschen tief. Aber diese Wut ist noch kein Grund, das heutige "Europa" anzugreifen. Wie meint Putin das also, wenn er über die russische Bereitschaft zum Krieg mit diesem Europa spricht? Das sollte ins "Europäische" übersetzt werden, denn es gibt Kulturunterschiede zwischen dem russischen Verständnis und dem westlichen.

Die Russen haben aus der Geschichte äußerst schmerzhaft gelernt, dass die Sicherung ihrer westlichen Grenzen eine sehr blutige Angelegenheit ist. Sie ehren 27 Millionen Tote, die im Großen Vaterländischen Krieg gegen die Hitler-Invasoren starben. Sie ehren fast drei Millionen Tote, die im Ersten Weltkrieg ums Leben kamen. Auch fast eine Million Tote, die infolge der Invasion Napoleons ihr Leben ließen, und 125.000 im Krimkrieg, der ebenso fast ausschließlich auf dem Territorium Russlands geführt wurde, sind nicht vergessen.

Und vor allem weiß man in Russland, dass Hitler-Deutschland und seine europäischen Verbündeten die Grenze zur Sowjetunion am 22. Juni überschritten, mit dem festen Entschluss, schon im ersten Kriegsjahr 30 Millionen Sowjetbürger (Russen in den Augen der Deutschen) zu ermorden. Ein regelrechter Genozid, der von Deutschland als solcher bis heute nicht anerkannt ist. Die Erinnerung an diese Zeiten ist Teil des russischen kulturellen Codes.

Also über das jetzige "Europa", in Form der EU oder der NATO, gibt es keine Illusionen. Europa, vertreten durch London, Brüssel, Berlin und Paris, scheint in der Tat zu einem neuen Krieg gegen Russland entschlossen zu sein – nur sei es angeblich noch nicht gut genug vorbereitet. Diese Erkenntnis hat sich in den russischen Expertenkreisen und auch unter der gemeinen Bevölkerung in den letzten Jahren breit gemacht. Der Politphilosoph Alexander Dugin hielt am 3. Dezember nach Putins Anmerkung fest:

"Ein Krieg mit der EU und Großbritannien ist praktisch unvermeidlich. Die Globalisten, die in Europa regieren, bereiten sich eifrig darauf vor, und das liegt nicht in unserer Hand. Sie wollen ihn beginnen, sie werden ihn beginnen. Sobald sie sich stark genug fühlen." 

Gründe dafür liegen auf der Hand: Dem Westen und allen voran Europa fehlen Ressourcen. Es steckt in der Systemkrise und hofft, mit dem Zugriff auf Russlands enorme Gebiete und Naturvorkommen die Lebensdauer seines auf Expansion und koloniale Ausbeutung gepolten Systems zu verlängern. Das sagte kein Geringerer als Pjotr Fjodorow, langjähriger Chef der ersten russischen Redaktion von Euronews, in einer Presserunde. Er hat in Westeuropa gelebt, hat dort Freunde und Bekannte, er kennt Europäer auch von der guten Seite. Aber auch er hat keine Illusionen über den geistigen Zustand der europäischen "Eliten" und deren Absichten.

Auch ein anderer Russe, der viele Jahrzehnte als Politberater in den USA verbracht hat und Teil des US-Polit-Establishments geworden ist, Dimitri Simes, hat keine Illusionen. Nach Beginn der russischen Militäroperation in der Ukraine musste er aufgrund politischer Verfolgung die USA verlassen und kehrte nach Moskau zurück. 

In seinem Kommentar zu Putins Presseauftritt am 2. Dezember erinnerte er daran, dass Russland über viele Jahre hinweg, seit dem Ende der 1980er Jahre unter Gorbatschow, dann in den 1990er Jahren unter Jelzin und in der ersten Hälfte der 2000er Jahre, selbst als es mit den Handlungen des Westens nicht einverstanden war, von jeglicher feindseligen Reaktion Abstand nahm. "Und das trotz der Tatsache, dass die russischen Interessen kaum berücksichtigt wurden." 

Der Geduldsfaden der Russen könne aber reißen. Seinen Beitrag schließt er so:

"Obwohl Russland nach Frieden strebt, werden unsere Feinde sehen, dass 'wir keinen Preis scheuen', wenn man uns diese Möglichkeit tatsächlich nimmt. Die gesamte Geschichte des russischen Staates zeugt davon."

Das sagt der Politikwissenschaftler und ehemalige Sowjet-Dissident, der in der schweren Stunde in seine Heimat zurückgekehrt ist. Und was meinen die russischen Bürger – Zivilisten, Fronthelfer und Soldaten? Sie wissen ganz genau, dass der Kampf gegen die ukrainische Armee der Kampf gegen die Expansion des Westens ist. RT hält mit vielen von ihnen Kontakt.

"Europäer sollten sich mit uns lieber nicht anlegen. Tun sie es, bin ich gern bereit, mit den Deutschen einen Kampf auszufechten." Diese Worte sagte ein Soldat einer Sturmabteilung, nachdem er das Video mit der Fackelzeremonie des Generals Freudings in Litauen angeschaut hatte. Ein Fronthelfer, der den Kontakt zu dem Soldaten hergestellt hatte, fügte hinzu, dass die Europäer keine Chance im konventionellen Krieg gegen Russlands kampferprobte Armee hätten. 

Aber nach Ansicht des russischen Präsidenten wird ein Krieg mit Europa, sollte er tatsächlich stattfinden, anders als in der Ukraine ausgefochten werden ‒ mit allem, was den russischen Streitkräften an den schlagkräftigsten Waffen zur Verfügung steht – notfalls bis hin zu nuklearen Waffen. So sehen es auch russische hochrangige Militärs. Angriffe mit taktischen Nuklearwaffen sind kein Tabuthema mehr.

Im Gespräch mit der Zeitung MK über die Verteidigung Kaliningrads infolge eines "Präventivschlags" der NATO erklärte der verdiente Militärpilot und Generalmajor der Luftwaffe Wladimir Popow, welche Folgen ein "Präventivschlag" für Europa haben könnte:

"Es ist nicht auszuschließen, dass wir taktische Atomwaffen einsetzen würden. Und warum auch nicht? Das wäre notwendig, um den geplanten Gruppenangriff zu verhindern. Es würde eine vollständige 'Vergeltung' geben. Man sollte uns also nicht auf die Probe stellen. Auf Angriffe seitens der NATO-Staaten werden wir anders reagieren als auf Angriffe seitens der Ukraine."

Dabei äußerte General Popow die Hoffnung, dass sowohl Politiker als auch Militärs Polens, Deutschlands und Frankreichs noch genügend Selbsterhaltungstrieb haben, um keinen direkten Krieg mit Russland zu wagen. Spätestens nach dem leider schnell vergessenen Taurus-Leak scheint allerdings diese Ansicht zu optimistisch zu sein.

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