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Die Welt vom Dollar befreien: Der strategische Kampf des Globalen Südens

Bei einer Debatte im Moskauer Waldai-Klub kamen kürzlich Ökonomen und Strategen aus dem Globalen Süden zusammen, um eine der entscheidenden Fragen unserer Zeit zu diskutieren: die dringende Notwendigkeit, ein Finanzsystem aufzubauen, das eine Alternative zum US-dominierten aktuellen Finanzsystem bildet.
Die Welt vom Dollar befreien: Der strategische Kampf des Globalen Südens© mit KI erstellt

Von Misión Verdad

Unter den Referenten war der brasilianische Ökonom Paulo Nogueira Batista Jr., ehemaliger Exekutivdirektor des Internationalen Währungsfonds (IWF) und Gründer der Neuen Entwicklungsbank (NDB) der BRICS-Staaten. Er stellte einen umfassenden Plan für die monetäre Befreiung des Blocks und des Globalen Südens vor.

Sein Vorschlag mit dem Titel "Jenseits des Dollars" geht davon aus, dass die auf der US-Währung basierende Finanzordnung eine irreversible strukturelle Krise durchläuft und gleichzeitig immer mehr zu einem Instrument geopolitischer Zwangsmaßnahmen wird. Angefangen beim Ausschluss Russlands aus dem SWIFT-System bis hin zum Einfrieren internationaler Reserven ist der Dollar zu einer Waffe imperialer Kontrolle geworden.

Nogueiras Arbeit, die im Waldai-Klub diskutiert und in ThinkBRICS erweitert wurde, ist sowohl eine Mahnung als auch ein Leitfaden: Der Globale Süden muss sich auf ein neues Finanzparadigma vorbereiten, bevor das derzeitige System unter seinem eigenen Gewicht zusammenbricht.

Die Krise des Dollarsystems

Nogueira geht von der Diagnose aus, dass das derzeitige Währungssystem nicht funktioniert. Es ist eine dysfunktionale Ordnung, die von zwei morschen Säulen getragen wird: der Instrumentalisierung des Dollars als politische Waffe und der strukturellen Schwäche der US-Wirtschaft. Was einst ein globales Tauschsystem war, hat sich in eine Architektur der Bestrafung und Ausgrenzung verwandelt.

"Der Ausgangspunkt der BRICS ist die weithin festgestellte Dysfunktionalität des auf den Dollar ausgerichteten Systems, die auf zwei unterschiedliche Faktoren zurückzuführen ist: die Instrumentalisierung des US-Dollars und des westlichen grenzüberschreitenden Zahlungsnetzes; und die strukturellen Schwächen der Wirtschaft der USA, dem Ausgabeland der internationalen hegemonialen Währung."

Der Autor legt dar, wie die unter der Führung Washingtons geschaffenen internationalen Finanzinstitutionen (IWF, Weltbank, SWIFT) in Zwangsmechanismen umgewandelt wurden. Länder wie Russland, Iran oder Venezuela wurden und werden mit Sanktionen, Blockaden und Ausschlüssen belegt, die die Grundregeln des internationalen Handels verletzen.

"Wenn ein Land den westlichen Führern missfällt, läuft es Gefahr, aus dem System ausgeschlossen zu werden, wie es Russland passiert ist. Die BRICS-Staaten werden, zu Recht oder zu Unrecht, oft als die wichtigste potenzielle Quelle für Alternativen zum derzeitigen internationalen Währungs- und Finanzsystem angesehen."

Sogar die Neue Entwicklungsbank (NDB) der BRICS, zu deren Architekten Nogueira gehörte, ist von diesem Netz der Abhängigkeit erfasst worden. Aus Angst vor sekundären Sanktionen und dem Verlust ihrer Bonität (die von Moody's, Standard & Poor's und Fitch vergeben wird) hat die NDB die Kreditvergabe an Moskau eingestellt und vermeidet es, weitere Länder aufzunehmen.

"Die NDB stellte ihre Kreditvergabe an Russland, ein Gründungsmitglied, nur aus Angst vor Sanktionen ein. Hätte sie weiterhin Kredite vergeben, hätte sie riskiert, ihre Bonität zu verlieren, die von dem Rating-Triumvirat diktiert wird. Ebenso schreckt die Bank davor zurück, neue Mitglieder wie Iran, Kuba oder Venezuela zu akzeptieren."

Das Ergebnis ist ein Paradoxon: Der Block, der gegründet wurde, um eine Alternative zum IWF und zur Weltbank zu bieten, unterliegt weiterhin teilweise den Regeln des westlichen Finanzsystems. Aber diese Unterordnung, warnt Nogueira, ist nicht nachhaltig.

Die Verschlechterung der Haushaltslage der USA selbst – eine unkontrollierte Staatsverschuldung und strukturelle Defizite, die durch bloße Geldschöpfung zugedeckt werden – zeigt, dass die Hegemonie des Dollars auf Zwang und Gewohnheit beruht.

Der Plan für die Emanzipation: ein multipolares System

Nach Auffassung von Paulo Nogueira Batista Jr. kann das internationale Finanzsystem nicht von innen heraus "reformiert" werden, da seine Konzeption selbst die Vorherrschaft des Dollars garantiert, und damit die politische Dominanz der USA. Der einzig mögliche Ausweg ist, etwas Neues zu schaffen: eine parallele Struktur, die es den Ländern des Globalen Südens ermöglicht, Handel zu treiben, zu investieren und sich zu finanzieren, ohne von westlichen Institutionen abhängig zu sein.

Sein Vorschlag, inspiriert von der ursprünglichen Idee des Ökonomen John Maynard Keynes nach dem Zweiten Weltkrieg, geht von der Erkenntnis aus, dass Geld nicht nur den Wert der Dinge misst, sondern auch bestimmt, wer Macht über wen hat. Und wenn eine einzige Nation die globale Währung ausgibt, kontrolliert sie auch das System, das alle anderen nutzen.

Der von Nogueira vorgeschlagene Plan zur Emanzipation gliedert sich in drei zentrale Schritte:

1. Eine Internationale Emissionsbank (BII) schaffen. Diese Bank wäre das Herz des neuen Systems. Sie wäre weder vom IWF noch von den Ratingagenturen der Wall Street abhängig, sondern von den Ländern des Blocks selbst. Ihre Funktion wäre es, eine neue gemeinsame Währung und auch durch die nationalen Volkswirtschaften gedeckte Anleihen auszugeben. Vereinfacht ausgedrückt wäre es so, als würden die BRICS-Staaten ihre eigene "globale Zentralbank" schaffen, die in der Lage ist, Projekte zu finanzieren und Geldströme zu regulieren, ohne Washington oder Brüssel um Erlaubnis fragen zu müssen.

2. Die neue Währung durch gemeinsame Anleihen absichern. Anstatt von Gold oder einer einzigen Wirtschaft abhängig zu sein, wie es heute beim Dollar der Fall ist, würde die neue Währung durch einen Korb von Anleihen aller teilnehmenden Länder gestützt. Das bedeutet, dass ihr Wert nicht von der Verschuldung oder den Krisen eines einzelnen Landes abhängt, sondern von der Gesamtheit. Die Idee ist, dass der Wert des Geldes die reale Produktion und die wirtschaftliche Vielfalt des Blocks widerspiegelt und nicht die Launen der US-Finanzmärkte.

3. Ein vom SWIFT-System unabhängiges Zahlungsnetzwerk aufbauen. Dies ist der nächstliegende und praktischste Schritt: ein eigenes digitales System zur Durchführung von Überweisungen und Transaktionen zwischen den Ländern, ohne über Banken in den USA oder Europa zu gehen. Heute macht das SWIFT-Netzwerk es möglich, dass Washington jedes Land blockiert oder sanktioniert, indem es dieses Land einfach vom Zahlungssystem abschneidet. Die BRICS-Initiative für grenzüberschreitende Zahlungen (BCBPI) würde mit dieser Anfälligkeit brechen.

Nogueira spricht von Autonomie, von der Möglichkeit, dass die Länder ihre Wirtschaftsbeziehungen ohne imperiale Vermittler bestimmen und eine gangbare Alternative schaffen, einen parallelen Weg, der in dem Maß an Stärke gewinnt, wie das US-System an Glaubwürdigkeit und Stabilität verliert.

Solange der Dollar der Schiedsrichter der Weltwirtschaft bleibt, können die USA weiterhin Sanktionen, Zinssätze und Finanzratings als Zwangsinstrumente einsetzen. Dieses Monopol zu brechen ist im Kern ein Akt kollektiver Souveränität.

Die zweifache Einkreisung, externe Bedrohungen und interne Brüche

Wenn das BRICS-Projekt eine wirklich unabhängige Finanzarchitektur aufbauen will, so liegen seine Hindernisse nicht nur außerhalb des Blocks. Sie existieren auch innerhalb. Nogueira erläutert dies, indem er erklärt, dass eine der größten Herausforderungen darin besteht, einem Krieg um die Macht standzuhalten, der an zwei Fronten geführt wird: einer geopolitischen, angeführt von Washington, und einer internen, geführt von den Eliten des Globalen Südens selbst, die vom derzeitigen System profitieren.

Was die Einkreisung von außen angeht, so begreifen die USA jeden Versuch der Entdollarisierung als direkte Bedrohung ihrer Hegemonie und reagieren scharf. Nogueira erinnert daran, dass Donald Trump während seines Wahlkampfs so weit ging, Zölle von 100 Prozent für Länder zu versprechen, die die Dominanz des Dollars angreifen. Versprechen, die er nun umsetzt. Dies fasst den Tenor einer Macht zusammen, die ihre Führungsrolle nicht mehr durch Konsens aufrechterhalten kann und auf Strafmaßnahmen als Kontrollmethode zurückgreift.

Washington hat das globale Finanzsystem in ein Schlachtfeld verwandelt: Es sanktioniert, blockiert und beschlagnahmt Vermögenswerte, ohne Rechenschaft abzulegen. Die Politik der Zwangsmaßnahmen zielt sowohl darauf ab, seine Feinde zu isolieren als auch seine Verbündeten einzuschüchtern, um deutlich zu machen, dass kein Land völlig sicher ist, wenn es sich entscheidet, vom Drehbuch abzuweichen.

Nogueira sagt aber, dass die internen Bedrohungen sogar noch gefährlicher sein können. In vielen Mitgliedsländern des Blocks haben die mächtigsten Wirtschaftssektoren – die sogenannte "fünfte Kolonne" des Dollarsystems – kein Interesse daran, die Spielregeln zu ändern. Es sind die Finanz-, Medien- und Politikeliten, die ihren Reichtum in westlichen Banken konzentrieren und im aktuellen System eine Garantie für Stabilität und Privilegien finden.

Diese Abhängigkeit schafft einen zentralen Widerspruch: Die BRICS-Staaten streben nach kollektiver Souveränität, sind aber teilweise von Akteuren abhängig, die die Unterordnung bevorzugen. Deshalb argumentiert der Autor, dass finanzielle Unabhängigkeit nur dann möglich ist, wenn Kapitalkontrollen, politische Koordination und eine Portion strategischer Mut zum Einsatz kommen. Das ist in Zusammenhängen, in denen Konsens als Vorwand dient, um nicht voranzukommen, schwer zu erreichen.

Zu dieser Schwierigkeit kommt eine institutionelle Falle hinzu. Die Regel der Einstimmigkeit, die für die Entscheidungen des Blocks gilt, gibt jedem Mitglied ein Vetorecht und verwandelt jede Erweiterung der Gruppe in eine mögliche Quelle der Lähmung. Ein einziges Land kann die Vereinbarungen blockieren, wenn es Repressalien befürchtet oder nicht den politischen Willen hat, sich diesen entgegenzustellen.

Angesichts dessen schlägt Nogueira einen pragmatischeren Ansatz vor: Die heikelsten Initiativen, wie das Zahlungsnetzwerk oder die künftige gemeinsame Währung, sollten freiwillig und nicht bindend sein, damit die willigen Länder voranschreiten können, ohne an die zögerlichen gebunden zu sein.

Das Ergebnis werde ein ungleichmäßiger Prozess mit graduellen Fortschritten und Rückschlägen sein, der jedoch unvermeidlich sei, so der Autor. Die BRICS-Staaten agieren bereits in einer Welt, die in zwei Blöcke geteilt ist und in der die westlichen Institutionen in dem Maß weiter an Legitimität verlieren, wie sie zu Instrumenten der Bestrafung werden.

In diesem Kontext ist es keine Option mehr, sondern eine Notwendigkeit für das politische Überleben, ein alternatives Finanzsystem aufzubauen.

Übersetzt aus dem Spanischen von Olga Espín.

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