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Karaganow: "Es wird kein Deutschland mehr geben!"

Der russische Politikwissenschaftler und Historiker Sergei Karaganow, der seit Jahrzehnten als Berater der politischen Elite Russlands tätig ist, hält einen begrenzten Atomschlag gegen den Westen für eine Ultima Ratio, um Russlands Gegner abzuschrecken und damit einen umfassenden Dritten Weltkrieg zu verhindern.
Karaganow: "Es wird kein Deutschland mehr geben!"Quelle: Sputnik © Sergey Bobylev

Der Politikwissenschaftler und Historiker Sergei Karaganow ist über die Grenzen Russlands hinaus bekannt aufgrund von Aussagen, die nicht nur im Westen als äußerst bedrohlich aufgefasst werden. So spricht sich Karaganow für die Stärkung der atomaren Abschreckung zur Verhinderung eines Dritten Weltkriegs aus – zur Not auch durch einen "begrenzten" atomaren Erstschlag gegen ein NATO-Land, wie er bereits im September 2024 erklärte. Ein solcher Atomschlag als eine Art "letzte Warnung" würde nicht zwangsläufig einen umfassenden Atomkrieg auslösen, sondern diesen verhindern, so seine Einschätzung. 

In einem aktuellen Interview mit dem Multipolar-Magazin hat Karaganow seinen Standpunkt bekräftigt und erläutert. Zudem behauptet er, dass 90 Prozent der Russen hinter diesem Standpunkt stehen, der auch als Kritik an Präsident Wladimir Putin zu begreifen ist, dem Karaganow ein zu zaghaftes Vorgehen im Ukraine-Krieg und dem Konflikt mit dem Westen vorwirft. 

Laut dem Politikwissenschaftler, der in einflussreichen außen- und wirtschaftspolitischen Gremien sitzt, sei die Gefahr eines Atomkriegs so hoch wie Ende der 1950er Jahre und nehme weiter zu. Ein Grund dafür sei, dass die europäische Bevölkerung "die Angst vor dem Krieg, insbesondere vor einem Atomkrieg", verloren habe. "Ironischerweise war gerade diese Angst in den letzten 70 Jahren ein stabilisierender Faktor." Es bedürfe laut Karaganow "nicht unbedingt direkter Gewalt, sondern der Wiederherstellung der Angst vor Krieg, einschließlich der Wiederbelebung der Angst vor einem Atomkrieg". Dies sei "ein Schlüsselelement", um Europa wieder zu seiner "geopolitischen Verantwortung" zu führen.

Karaganow teilt nicht die Ansicht des US-Physikers Theodore Postol, der gestützt auf historische Präzedenzfälle wie das NATO-Manöver "Able Archer 83" davor warnt, dass jeder, selbst ursprünglich begrenzte Einsatz von Atomwaffen unweigerlich zu einer unkontrollierbaren nuklearen Eskalation führen würde.

"Der Mythos der unkontrollierbaren Eskalation, zu dessen Entstehung ich selbst teilweise beigetragen habe, um Kriege zu verhindern, ist jedoch nur eine Legende. Ein Atomkrieg kann gewonnen werden, aber Gott bewahre, dass er jemals begonnen wird!", erläutert Karaganow, der zugleich den Einsatz von Atomwaffen als eine "schwere moralische Sünde" bezeichnet. "Abgesehen vom Risiko einer unkontrollierten Eskalation ist der Einsatz von Atomwaffen an sich ein schwerwiegendes moralisches Vergehen, und ich wünsche mir aufrichtig, dass sie nicht zum Einsatz kommen."

Auf den Einwand, dass seine Thesen "im Westen in erster Linie als direkte nukleare Drohung interpretiert und nicht als strategisches Signal für eine erzwungene Deeskalation oder einen Dialog" betrachtet werden, erwiderte der 73-Jährige, man habe es vor allem in Europa "mit absolut Wahnsinnigen" zu tun. Die europäische Elite sei "degeneriert", so der Historiker. "Soweit ich das verstehe, regieren in einer Reihe von Ländern Menschen mit 'Hyänengehirnen', die sich der Folgen ihres Handelns überhaupt nicht bewusst sind. Deshalb ist ein Dialog mit ihnen sinnlos. Sie müssen nur eines fürchten – körperliche Schmerzen."

Laut Karaganow besteht das Dilemma darin, dass Moskau vor der Wahl stehe, entweder seine wirksame Fähigkeit zur Abschreckung unter Beweis zu stellen, oder zu riskieren, langsam durch Sanktionen ausgelaugt zu werden. "Ich kritisiere unsere Führung für ihre Unentschlossenheit, aber ich denke, dass meine Worte Gehör finden werden. Ich bin der Meinung, dass wir, wenn gegen uns ein Wirtschaftskrieg geführt wird, darauf mit militärischen Mitteln reagieren müssen. Es ist Krieg."

Deshalb müsse auf Sanktionen "mit Militärschlägen reagiert" werden, wobei das Ausmaß und die Art dieser Vergeltungsschläge "in jedem Einzelfall sorgfältig abgewogen" werden müssten.

Im Verlauf des Interviews behauptete Karaganow, dass das, was "vor einigen Jahren noch radikal erschien" – die Notwendigkeit von Präventivschlägen oder sogar nuklearer Vergeltung – heute die "vorherrschende Meinung" in Russland sei. Seine früheren Äußerungen, die Unbehagen hervorgerufen hätten, spiegelten nun "einen breiten Konsens wider: Nach meiner Einschätzung teilen bis zu 90 Prozent der Bevölkerung und 95 Prozent der militärisch-politischen Elite diese Meinung."

Karaganow insistierte, dass der Einsatz von Atomwaffen eine "schwerwiegende moralische Entscheidung und eine große Sünde gegenüber Unschuldigen" bleibe. Wenn jedoch eine "extreme Notlage" eintrete, bestehe das Ziel eines solchen Schrittes darin, "die Wahnsinnigen zur Vernunft zu bringen und den Feind dazu zu zwingen, die Eskalation zu beenden".

Russlands Präsident Wladimir Putin habe alles getan, um den Dialog mit dem Westen aufrechtzuerhalten – jedoch ohne Erfolg. "Jetzt besteht unsere einzige Aufgabe darin, bei unseren westlichen Partnern die animalische, instinktive Angst vor dem unvermeidlichen Untergang wieder zu wecken." Nur dieses Gefühl könne die Grundlage für weitere Gespräche bilden. 

Dass sich Russlands westliche Nachbarn, darunter auch Deutschland, vor der Wahrheit verschließen würden, sei ein schreckliches Zeichen: "Sie bereiten sich auf einen Krieg vor. Ihr Handeln ist nicht nur ein Zeichen von Schwäche, sondern auch eine direkte Vorbereitung auf einen Krieg. Deshalb fordere ich unsere Führung auf, sich vollständig auf einen Krieg und die Zerstörung Europas vorzubereiten, das erneut diesen Weg eingeschlagen hat. Wenn die deutschen Medien und das Establishment erneut Krieg führen wollen, dann garantiere ich Ihnen: Es wird kein Deutschland mehr geben, niemals."

Deutschland habe Europa, der Menschheit und sich selbst bereits ungeheuren Schaden zugefügt. "Wenn es, wie es derzeit aussieht, erneut auf Revanche aus ist, werde ich weiterhin öffentlich behaupten: Deutschland muss vernichtet werden", so die Schlussfolgerung Karaganows aus der gegenwärtigen Konfrontation zwischen Russland und dem Westen. 

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