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Halten die USA Russland nicht mehr für "Besatzer" der Ukraine?

Nach Angaben ukrainischer Medien sollen die USA nicht mehr auf antirussischen Formulierungen bei der kommenden UNO-Resolution bestehen. Was sind die Gründe dafür und ist dies ein PR-Trick oder das Zeichen eines sich in Washington anbahnenden Kurswechsels?
Halten die USA Russland nicht mehr für "Besatzer" der Ukraine?Quelle: Gettyimages.ru © sb2010

Von Dmitri Jewstafjew

Die ukrainische Zeitung Kyiv Post meldet unter Verweis auf diplomatische Quellen, dass die Administration des US-Präsidenten Donald Trump fordere, aus der geplanten UNO-Resolution jegliche Formulierungen auszuschließen, die "russische Besatzung" der Krim und der wiedervereinigten historischen Regionen verurteilen würden. Man könnte dies für eine Manipulation durch Kiew halten, wenn diese Information nicht perfekt in den aktuellen internationalen Kontext der Situation um die Ukraine passen würde. Zu diesem gehört nicht nur eine sich wandelnde Haltung der Trump-Regierung, sondern des gesamten "politischen Washington" gegenüber dem Regime von Selenskij.

Washington kennt die reale Lage im Gebiet der Sonderoperation, und nicht das, was Selenskijs Propaganda von sich gibt. Selbst die hartnäckigsten Falken verstehen, dass es in den nächsten Monaten nicht nur zu einer militärischen, sondern auch zu einer politischen Krise von Selenskijs Regime kommen könnte. Das Regierungssystem der Ukraine könnte diese Krise nicht überleben. Deswegen bringen sämtliche Versuche von Selenskij, die negativen politischen Tendenzen durch eine neue PR-Welle zu wenden, bisher keine Ergebnisse. In den Augen von Trump und seiner Umgebung wird Selenskij zunehmend nicht bloß als ein ineffektiver Verwalter angesehen, sondern auch als ein Betrüger, der durch Lügen seine "strategischen Partner" in die Irre zu führen versucht.

Darüber hinaus ärgert Selenskij Trump persönlich. Kiew sabotiert Washingtons politisch-diplomatisches Spiel an der "Ostfront". So geschehen etwa durch die Versuche, die Verantwortung für die Absage des Gipfeltreffens zwischen Wladimir Putin und Donald Trump in Budapest der russischen Seite anzulasten. Nach nur wenigen Äußerungen aus Kiew wurde allen klar, wer in Wirklichkeit eine kompromisslose Haltung vertritt und den Friedensdialog sabotiert.

Washington benötigt einen – zumindest symbolischen – Druckhebel gegen die Junta von Selenskij und Jermak, die sich zunehmend mit ihrer politischen Autonomie von Washington offen brüstet. Doch bei all seinen Nachteilen ist Selenskijs Regime für die USA ein wichtiger Aktivposten im Rahmen der euroatlantischen Beziehungen. Daher greift Washington bisher zu sanften Mitteln, um Selenskij, der sich in einer politischen Zeitnot befindet, in die Schranken zu weisen. Zu diesen Mitteln gehört etwa eine unbedeutende Milderung der UNO-Resolution.

Allerdings spielt auch die Imagefrage eine Rolle. Washington fällt es immer schwerer, bei der UNO-Generalversammlung die Unterstützung von antirussischen Sanktionen zu sichern. So erhielt im März 2022 eine solche Resolution 141 Stimmen dafür, nur fünf dagegen und 35 Enthaltungen. Als Mitverfasser traten 96 Länder auf. Doch schon im Februar 2025 reduzierte sich die Anzahl der Länder, die die UNO-Resolution "Weg zum Frieden" (in der im Übrigen zahlreiche antirussische Passagen auf Forderung der USA milder formuliert wurden) unterstützen, auf 93 Länder. Dabei setzten US-Vertreter viele Teilnehmer der Abstimmung schlicht unter Druck. Enthalten haben sich 73 Staaten.

Es ist nicht auszuschließen, dass nach dem Ende der gegenwärtigen Sitzung der UNO-Generalversammlung die Abstimmungsergebnisse für die USA noch ungünstiger ausfallen werden. Die Zahl von Ländern, die Russlands Logik in Bezug auf den Ukraine-Konflikt, wenn auch nicht teilen, so doch zumindest nachvollziehen, nimmt auf der Welt zu. Indessen befindet sich das Weiße Haus heute in einem Zustand, bei dem jedes PR-Scheitern sehr empfindlich wirkt. Daher versuchen US-amerikanische Diplomaten, mit ihrer Resolution ein möglichst breites "Zielpublikum" zu erreichen – zumal diese Resolution inzwischen nicht nur Moskau, sondern auch Kiew unter Druck setzen soll.

Doch am wichtigsten ist natürlich der geopolitische Aspekt. Trumps Administration geht trotz antirussischer Ausfälle einiger ihrer Mitglieder von der Notwendigkeit aus, dass Washington im Hinblick auf die Situation in der Ukraine möglichst viel Handlungsspielraum behalten soll. Dagegen engt die zur Zeit des "kollektiven Biden" Washington aufgedrängte Idee einer territorialen Integrität der Ukraine in den Grenzen von 1991 den Spielraum der US-Diplomatie extrem ein.

Erinnern wir uns daran, dass nach dem Beitritt der Krim zu Russland die Stimmungen in den USA viel flexibler waren: Seriöse US-amerikanische Experten und Politiker waren bereit, über Bedingungen zu verhandeln, unter denen die USA die Krim als russisches Territorium anerkennen könnten.

Heutzutage wirkt die künstliche Formel, die nicht die Interessen der USA, sondern die der Junta von Selenskij und Jermak widerspiegelt, als eine regelrechte Bremse sowohl im Verhandlungsprozess zur Ukraine, als auch allgemein bei der Annäherung zwischen Russland und den USA.

Russland hatte mehrmals auf vielen Ebenen die Beständigkeit seiner Herangehensweisen an die Regulierung des Ukraine-Konflikts betont, darunter auch im Hinblick auf den territorialen Aspekt. Kein Druck und keine politischen Manipulationen konnten Moskau dazu bringen, von diesen Positionen abzurücken. An dieser Stelle sei die Erklärung des russischen Außenministers Sergei Lawrow hervorgehoben, der als Reaktion auf solche Manipulationen den Vorrang der Aufgaben zur Demilitarisierung und Denazifizierung der Ukraine betont hatte. Daher will Trump lediglich den Handlungsspielraum wiedergewinnen, der von Bidens Administration so leichtsinnig aufgegeben wurde.

Heben wir auch einen anderen Aspekt hervor. Die Idee einer Rückkehr zu den Grenzen von 1991 bleibt das wichtigste Argument zugunsten der Fortsetzung von Waffenlieferungen an Kiew im bisherigen Umfang und im bisherigen – kostenlosen – Modus. Doch eine Rückkehr zum alten Hilfsmodell, das in den letzten Regierungsmonaten von Joe Biden ad absurdum getrieben wurde, würde für Trump zur größten innenpolitischen wie geopolitischen Niederlage werden. Daher versucht Trumps Administration, einen neuen politischen Rahmen für die Beilegung des Konflikts festzulegen.

Ein weiterer wichtiger Umstand ist schließlich, dass Russland sich "plötzlich" als ein sehr bedeutender Partner bei der Lösung von den für die heutige US-Administration dringenden Aufgaben – von Lateinamerika bis Gaza – erwiesen hat. Unter diesen Bedingungen ist es notwendig, eine politisch flexiblere Herangehensweise zumindest vorzutäuschen, vor allem wenn dies keine unmittelbaren politischen Folgen hat.

Die Antwort auf die wichtigste Frage bleibt bisher aus: Verdeutlicht das betrachtete politische Manöver tatsächliche Änderungen in der Position der USA, auf die praktische Aktionen folgen werden, oder bleibt es bloß ein Propagandatrick zur Demonstration des angeblich bleibenden Einflusses in der UNO-Generalversammlung? Auch eine dritte Variante ist möglich: Trumps tatsächlicher Wunsch nach einer Normalisierung der Beziehungen zu Moskau könnte in den Dschungeln der euroatlantischen Politik begraben werden, wie es in jüngster Zeit bereits häufiger geschah.

Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen am 12. November.

Dmitri Jewstafjew ist ein russischer Politologe und Amerikanist. Er ist Doktor der Politikwissenschaften und lehrt am Institut für Medien der Wirtschaftshochschule Moskau. Jewstafjews Spezialgebiete sind militärpolitische Fragen der nationalen Sicherheit Russlands, der Außen- und der Militärpolitik der USA sowie der regionalen Probleme der Kernwaffen-Nichtverbreitung. Er ist Mitverfasser wissenschaftlicher Monografien und zahlreicher Artikel.

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