International

Die entscheidende Schlacht Georgiens mit der Europäischen Union steht noch bevor

Georgien beginnt einen neuen Lebensabschnitt – mit einem anderen Kurs und einem anderen innenpolitischen System. Zu diesem Zweck führt die Regierungspartei eine Art Säuberungsaktion gegen die radikale Opposition und die Einflussagenten Brüssels durch.
Die entscheidende Schlacht Georgiens mit der Europäischen Union steht noch bevor© Urheberrechtlich geschützt

Von Dmitri Bawyrin

Die Entscheidung der georgischen Behörden, die aktivsten Oppositionsparteien zu verbieten und ihre Führer – insgesamt acht Personen – gemäß einer Reihe von Artikeln des Strafgesetzbuches (Versuch der Änderung der Verfassungsordnung, Organisation von Unruhen, Sabotage und so weiter) zu inhaftieren, fiel zeitlich mit einer Überprüfung zusammen, die EU-Beamte unter den EU-Beitrittskandidaten durchgeführt haben. Albanien, Nordmazedonien, die Ukraine und Montenegro erhielten überwiegend die Note 1, Georgien und Serbien hingegen eine 5. Sie gehörten nicht zu den Staaten, die laut der Chefdiplomatin der EU, Kaja Kallas, bis 2028, wenn die Amtszeit der derzeitigen EU-Kommission abläuft, einen Antrag auf Beitritt zur Europäischen Union stellen können.

Das heißt, es sieht so aus, als hätte man sich in Tiflis nach einer weiteren Portion Kritik und Vorwürfen aus Brüssel entschlossen, sich zu rächen und die Agenten der EU-Beamten in Gänze zu neutralisieren. Umso mehr, als diese Agenten viel Energie darauf verwendet haben, die Kritik noch schärfer zu gestalten: Sie haben sich bei Vertretern der EU über die Regierung in Georgien beschwert, mit und ohne Grund. Sie haben sie sozusagen bei der Vorsitzenden der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, schlechtgemacht.

Allerdings handelt es sich hierbei aber wahrscheinlich nur um einen zeitlichen Zufall. Denn die Entscheidung, dass ein Weiterleben wie bisher mit einer solchen Opposition unmöglich ist, wurde von der Regierungspartei "Georgischer Traum" bereits zuvor getroffen, unabhängig von der Härte der Schlussfolgerungen im Bericht der Europäischen Kommission.

Erstens hat sich die georgische Führung im Voraus damit abgefunden, dass sie eine Absage von der EU erhalten würde, und ihre Bemühungen um einen EU-Beitritt bis zum Ende des Jahrzehnts zurückgestellt, wenn weder Kallas noch von der Leyen mehr in Brüssel sein werden.

Zweitens wurde die Säuberung des politischen Raums im Land lange und gründlich vorbereitet, damit es für die Europäer schwieriger wird, etwas zu beanstanden (obwohl sie es trotzdem tun werden).

Zunächst wurde eine parlamentarische Kommission eingerichtet, deren Aufgabe es war, die Verbrechen des Regimes des ehemaligen Präsidenten Micheil Saakaschwili und die Menschenrechtsverletzungen in den Jahren 2004 bis 2012 zu untersuchen. Wenn man in dieser Richtung ermittelte, war der Erfolg unvermeidlich: Saakaschwili und seine Mitstreiter hatten sich auf vielfältige Weise hervorgetan, und Entführungen und Folterungen in Gefängnissen waren an der Tagesordnung. Auf der Grundlage der Untersuchungsergebnisse wurde beim Verfassungsgericht eine Klage auf Verbot der heute oppositionellen, damals aber regierenden Partei "Einheitliche Nationale Bewegung" und der seitdem von ihr abgespaltenen, inhaltlich ebenso radikalen Teile eingereicht.

Die Ermittlungen gegen die Führer dieser Parteien liefen parallel. Dabei hat sich Saakaschwili direkt aus seiner Gefängniszelle heraus eine neue Anklage eingehandelt, als er zum Aufstand und zum Sturz der Regierung aufrief. Er lebt in einer Welt der Illusionen und ist sich nicht bewusst, dass er nur noch einen Bruchteil seiner früheren Popularität und seines Einflusses besitzt. Dies und die Tatsache, dass viele einflussreiche Förderer des "unbändigen Mischiko" (wie Saakaschwili von einigen genannt wird) im Westen bereits in den Ruhestand getreten sind, nutzte der "Georgische Traum" als Chance, um sich endgültig vom politischen Erbe Saakaschwilis zu befreien.

Der georgische Premierminister Irakli Kobachidse erklärt die Politik der Regierungspartei wie folgt:

"Das ist eine wichtige Angelegenheit für unser Land. Sie sehen, dass unser Land und sein politisches System sich im Kreis drehen. Es gibt eine kriminelle Vereinigung, eine ausländische Agentur, die dem Land keine Ruhe lässt. Es handelt sich um antidemokratische, verfassungswidrige Kräfte, die stets versuchen, die verfassungsmäßige Ordnung des Landes zu stürzen."

Er fügt hinzu, dass "das demokratische System sich selbst schützen muss".

Mit der Wahl solcher Worte scheint er den Eurobürokraten nachzueifern, die das Verbot von Parteien rechtfertigen (zum Beispiel in Deutschland, wo man gegen die Alternative für Deutschland als "verfassungsfeindliche Kraft" vorgeht), blockierende Maßnahmen gegen einzelne Politiker ergreifen (wie zum Beispiel in Frankreich, wo Marine Le Pen die Teilnahme an den Wahlen verwehrt wurde) und die Annullierung von Volksabstimmungen unter dem Vorwand externer Einmischung erzwingen (wie es in Rumänien der Fall war), wenn es Brüssel gerade passt.

Die georgische Regierung hebt die Wahlergebnisse zwar nicht auf – sie hat auch keinen Grund dazu, da sie die Wahlen bisher souverän gewinnt. Sie weist jedoch darauf hin, dass die "Einheitliche Nationale Bewegung" und so weiter als Agent ausländischer Einflussnahme agiert. Es geht sogar so weit, dass der bekannte Bankier und einer der Anführer der Partei "Lelo für Georgien", Mamuka Chasaradze, dem deutschen Botschafter Peter Fischer eine Wohnung vermietet hat (und dafür keine Steuern gezahlt hat), und Fischer einer der vehementen Kritiker von "Georgischer Traum" ist, dessen Handlungen weit über das hinausgehen, was im Rahmen seines diplomatischen Mandats zulässig ist.

Die Gründe, warum man sich in Tiflis zu dieser Säuberungsaktion entschlossen hat, sind wahrscheinlich ganz menschlicher Natur – Erschöpfung. Der letzte Tropfen war der schwache Versuch einer Revolution im Dezember letzten Jahres. Trotz aller Bemühungen fanden die Radikalen keine Unterstützung in der breiten Bevölkerung.

Nach den verlorenen Kommunalwahlen im Oktober, folgte ein weiterer Versuch, begleitet von einem Sturm auf den Präsidentenpalast, um "die Macht an das Volk zu übergeben". Insgesamt ist dies der zehnte Versuch in den letzten zehn Jahren. Nachdem sie erkannt hatten, dass es ihnen nicht gelingen würde, die Macht durch Wahlen zurückzugewinnen, setzen die "Einheitliche Nationale Bewegung" und ihre Verbündeten seit Langem bewusst auf Gewalt und nutzen jeden Vorwand in der Hoffnung, dass diesmal Blut fließen und aus einem Funken ein Feuer entfacht werden würde.

Sie stellen nicht etwa eine politische Opposition dar, sondern eher ein Komitee für subversive Aktivitäten. In den Ländern der Europäischen Union würde man so etwas niemals tolerieren, aber von Tiflis wurde Toleranz verlangt, da es sich um Agenten westlicher Einflussnahme in Georgien handelte. Die "Einheitliche Nationale Bewegung" und die EU arbeiteten Hand in Hand: Die einen untergruben das Land von innen, die anderen von außen.

Deshalb wird Brüssel eine solche Säuberungsaktion nicht akzeptieren und Entführungen, Folter und andere "Nebenwirkungen der Demokratie" unter Saakaschwili ignorieren, aber es wird kaum etwas anderes dagegen unternehmen können als die Aufhebung der Visafreiheit. Das ist der letzte Trumpf und einzige Einflusshebel der EU auf die georgischen Behörden, denn die Europäische Kommission hat sich selbst zuvor der übrigen Mittel beraubt, indem sie diese im Rahmen ihres Drucks auf den "Georgischen Traum" abschaffte. Man rechnete damit, dass die Georgier (die laut Umfragen mehrheitlich den EU-Beitritt befürworten, wenn auch nicht mehr so massiv wie früher) in ausreichender Zahl gegen den Verlust der Euro-Perspektiven rebellieren würden – und ein weiterer Versuch der Agenten, einen "Maidan" zu inszenieren, erfolgreich sein würde.

Unter anderen Umständen hätten sie vielleicht sogar rebelliert, aber der Preis ist zu hoch – ein prowestlicher Umsturz hätte das Land zur Beteiligung am Konflikt gegen die Russische Föderation geführt, wodurch eine "zweite Front" in Abchasien und Südossetien eröffnet worden wäre.

Da Brüssel sich dessen bewusst ist, dass es in der Ukraine verliert, wird es jede Gelegenheit nutzen, um, wie man dort sagt, "Russland wehzutun", weshalb der Druck auf Georgien nur noch zunehmen wird. Die EU-Kommissare werden aber von vorn beginnen müssen, wenn das georgische Verfassungsgericht der Klage der Regierungspartei stattgibt, das Strafgericht die EU-Agenten zur Verantwortung zieht und die Bevölkerung diese Wendung der Ereignisse akzeptiert. Und wenn sie es nicht in dem Sinne akzeptiert, dass die Menge zu einem Umsturz inspiriert und ein neuer "Maidan" aus dem einen oder anderen Grund erfolgreich sein wird, wird der Sturz von "Georgischer Traum" Georgien mit ziemlicher Sicherheit in einen Krieg und damit in eine Katastrophe führen.

Brüssel hat sich auf einen langen Konflikt mit Moskau eingestellt.

Wenn man die Zukunft anhand der Geldbewegungen vorhersagt, dann fließt das Geld Europas in die Vorbereitung eines Krieges gegen Russland. Das ist eine langfristige Investition. Daher ist es zweifelhaft, dass sich Brüssel bis 2028 oder 2030 "abkühlen" und, wie man in Tiflis hofft, zu Gesprächen über die europäische Integration zurückkehren wird, ohne dass von den Georgiern gefordert wird, sich das Genick zu brechen.

Wahrscheinlicher ist, dass die Entscheidung für Neutralität und Multivektorialität (wenn man eine gemeinsame Sprache mit Moskau sucht und etwa die Zusammenarbeit mit Peking vertieft) für die Georgier vernünftigerweise als dauerhaft oder zumindest langfristig zu betrachten ist. Eine Rückkehr zum Westen könnte für die Republik den Untergang bedeuten. Aber es handelt sich nicht um eine Wahl zwischen Europa und Asien, wie Brüssel und seine Partner in Tiflis es darstellen wollen, sondern um eine Wahl zwischen Krieg und Frieden.

Die Entscheidung zur EU-Integration war schon immer weit davon entfernt, wie der georgische Politikveteran Dschaba Iosseliani sagte, eine bloße Frage des Essens von Lobio. Und heute erst recht.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist zuerst am 9. November 2025 auf der Website der Zeitung "Wsgljad" erschienen.

Dmitri Bawyrin ist Journalist, Publizist und Politologe mit den Interessenschwerpunkten USA, Balkan und nicht anerkannte Staaten. Er arbeitete fast 20 Jahre als Polittechnologe in russischen Wahlkampagnen unterschiedlicher Ebenen. Er verfasst Kommentare für die russischen Medien "Wsgljad", "RIA Nowosti" und "Regnum" und arbeitet mit zahlreichen Medien zusammen.

Mehr zum ThemaDer Westen unternimmt einen weiteren Versuch, Georgien zu einem Krieg gegen Russland zu zwingen

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.