
Washingtons Afghanistan-Pläne – Trojanisches Pferd für Russland und China

Von Andrei Restschikow
US-Präsident Donald Trump hat angekündigt, Washington wolle den Luftwaffenstützpunkt Bagram in Afghanistan wieder unter seine Kontrolle bringen. Aus dem Land hatten sich die USA im Jahr 2021 zurückgezogen. Die Taliban haben bisher erklärt, US-Truppen weiterhin aus dem Land fernhalten zu wollen, seien aber offen für eine politische und wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Washington. Experten zufolge ist Afghanistan zu einem Brennpunkt geworden, wo Interessen Russlands, Indiens, Chinas und weiterer regionaler Akteure gleichermaßen liegen. Daher auch Washingtons Wunsch nach einer Rückkehr nach Bagram. Wird dies gelingen?
In der vergangenen 38. Kalenderwoche verkündete der US-Präsident Donald Trump Pläne zur Rückkehr einer US-Präsenz auf den Luftwaffenstützpunkt Bagram in Afghanistan. Er sagte, die US-Regierung ergreife entsprechende Maßnahmen:
"Wir werden Bagram behalten, den größten Luftwaffenstützpunkt der Welt. Wir haben ihn zuvor umsonst hergegeben. Und übrigens versuchen wir, ihn zurückzubekommen. Okay? Das könnte eine kleine Sensation werden."
Als einen der Gründe für die Rückkehr nach Bagram nannte er die so gesehene Notwendigkeit für die USA, ihrem Hauptrivalen in Afghanistan entgegenzuwirken: China. Als Grund nannte man, dass der Stützpunkt "eine Stunde von Chinas Atomwaffen-Produktionsstandort entfernt" sei. Trump hatte seinen Vorgänger Joe Biden bereits zuvor für den chaotischen Abzug der US-amerikanischen Truppen aus Afghanistan im Jahr 2021 kritisiert, der dazu führte, dass diese Militäreinrichtung unter die Kontrolle der Taliban-Bewegung und später ihrer Regierung fiel.

Trump betonte, dass der 40 Kilometer nördlich von der Landeshauptstadt Kabul gelegene Stützpunkt für die Vereinigten Staaten weiterhin von strategischer Bedeutung sei. Der Flugplatz Bagram, der bis zum Abzug der US-Truppen im Jahr 2021 als zentraler Kommandoposten und größte Militäreinrichtung in Afghanistan diente, wurde noch in den 1950er-Jahren von der Sowjetunion erbaut.
Ein halbes Jahrhundert später, nach dem Einfall der USA in Afghanistan, entwickelte er sich über zwei Jahrzehnte hinweg zu einem wichtigen Zentrum für US-Operationen.
Laut Wall Street Journal (WSJ) erwägt Washington, ein begrenztes Militärkontingent auf den Luftwaffenstützpunkt wiederzuentsenden, um von dort aus Anti-Terror-Operationen durchzuführen. Die Trump-Regierung stehe bereits in Kontakt mit Taliban-Vertretern und habe einen Dialog über die Rückkehr von US-Truppen auf den Stützpunkt aufgenommen.
Wie es heißt, befinden sich die Verhandlungen in einem frühen Stadium. Die US-Seite wird von Adam Boehler geführt, Trumps Sondergesandtem für Geiselsituationen. Die Gespräche über die Bedingungen und das mögliche Format der Militärpräsenz werden voraussichtlich in naher Zukunft fortgesetzt, so das WSJ.
Trump hat bereits angedeutet, dass die Taliban den US-amerikanischen Truppen die Rückkehr erlauben könnten, weil sie, wie er sagte, "etwas von uns brauchen". Sakir Dschelali, der Sprecher des afghanischen Außenministeriums und Berater des Außenministers des Landes, hat jedoch eine US-Militärpräsenz im Land ausgeschlossen. Ausschließlich eine zivile Zusammenarbeit sei erwünscht:
"Afghanistan und die USA müssen zusammenarbeiten und können wirtschaftliche und politische Beziehungen aufbauen, die auf gegenseitigem Respekt und gemeinsamen Interessen gründen."
Der Diplomat erinnerte daran, dass die Afghanen einer US-Militärpräsenz auch in der Vergangenheit nicht zugestimmt hatten. "Und diese Möglichkeit wurde während der Verhandlungen und im Rahmen des Abkommens von Doha vollständig abgelehnt. Aber die Tür für anderweitige Zusammenarbeit ist offen."
Auch der afghanische Generalstabschef Fasihuddin Fitrat lehnte Verhandlungen mit den US-Amerikanern über den Stützpunkt ab. Ihm zufolge sei die Anwesenheit auch nur eines ausländischen Soldaten auf afghanischem Boden "für das Islamische Emirat inakzeptabel". Kabul werde weder mit den USA noch mit anderen Ländern ein Abkommen über den Luftwaffenstützpunkt schließen.
Derzeit bestehen keine offiziellen diplomatischen Beziehungen zwischen den USA und den Taliban, doch beide Seiten haben bereits Verhandlungen über Geiseln geführt. Im März ließen die Taliban einen US-Bürger frei, der vor über zwei Jahren während einer Tour durch Afghanistan entführt worden war. Letzte Woche wurde bekanntgegeben, dass die USA und die Taliban im Rahmen ihrer Bemühungen um eine Normalisierung der Beziehungen zwischen Kabul und Washington eine Einigung über einen Gefangenenaustausch erzielt hätten.
Im April dieses Jahres tauchten inoffizielle Berichte über ein US-amerikanisches Militärflugzeug auf, das in Funkstille und mit blockiertem Transponder operiert haben und sich angeblich auf dem Weg aus dem katarischen Doha nach Afghanistan befunden haben soll. Es sei gerade in der Nähe des Luftwaffenstützpunkts Bagram geortet worden. Das sorgte für Spekulationen über einen hohen US-amerikanischen Besuch oder gar eine vorübergehende Präsenz auf dem Stützpunkt.
Seitens der Taliban-Regierung bestritt man, den Stützpunkt übergeben oder US-Truppen dort landen gelassen zu haben. Laut der indischen Nachrichtenagentur Indo-Asian News Service (IANS) wäre Bagram ein ideales Zentrum für Geheimdienst-, Überwachungs- und Aufklärungsdienste für die Vereinigten Staaten, die von dort Süd-, Zentral- und Westasien überwachen könnten.
Die Einrichtung "würde regionale Antiterroroperationen ermöglichen, sowie als Flugzeugtransit- und Betankungszentrum für schnelle regionale Eingriffsaktionen dienen und eine Plattform für die Überwachung der Entwicklungen in der Region bieten", heißt es bei IANS. In dem Artikel wird jedoch darauf hingewiesen, dass die massive Militärpräsenz und die damit einhergehenden Verpflichtungen sowie die erheblichen Verteidigungs- und Unterstützungsmaßnahmen für den Stützpunkt, dessen Reparaturen, Modernisierung und den fortlaufenden Nachschub für die USA Milliardenausgaben nach sich ziehen würde.
Peking hat Trumps Äußerungen zu seinem Wunsch, den Stützpunkt wieder unter US-Kontrolle zu bringen, nicht offiziell kommentiert. Doch englischsprachige Medien in China und Hongkong stellten die Äußerungen des US-Präsidenten als geopolitisch heikel dar. Chinesischen Experten zufolge wird Peking jede Wiederherstellung der US-Militärpräsenz in Afghanistan als destabilisierenden Faktor für die regionale Sicherheit und als potenzielle Eskalation im Rahmen der Rivalität zwischen den USA und China betrachten.
Peking betrachtet Afghanistan derzeit als potenziell wichtiges Element seiner globalen Belt and Road-Initiative.
Afghanistan diente auch früher in seiner Geschichte als wichtiges Glied der Großen Seidenstraße, und mehrere kritisch wichtige Transportwege könnten auch heute durch sein Territorium verlaufen.
Neben dem Wakhan-Korridor in der Provinz Badachschan, welcher oft als "strategisches Rückgrat" Eurasiens bezeichnet wird, gibt es auch den Zentralasien-Südasien-Korridor, der Russland, Kasachstan und Usbekistan mit Pakistan und Indien verbindet, sowie den Transafghanischen Korridor, der potenziell die Europäische Union, Russland, Usbekistan, Afghanistan, Pakistan, Indien und eine Gruppe südostasiatischer Staaten verbinden soll.
Wladimir Wassiljew, leitender Forscher am Institut für die USA und Kanada der Russischen Akademie der Wissenschaften, merkt in dem IANS-Artikel an:
"Ankündigungen zur Rückkehr zum Luftwaffenstützpunkt Bagram sind zunächst einmal eine Absichtserklärung. Trump hatte zuvor die Idee, Grönland einzusacken und den Panamakanal zurückzuholen, aber all dies hängt in der Luft. Solange er es nicht schafft, den Friedensnobelpreis zu bekommen, kehrt er zum bewährten Modell zurück, überall auf der Welt US-Militärstützpunkte einzurichten."
Der Ansicht des Experten nach operieren die USA heute statt mit einer kohärenten außenpolitischen Strategie mit einem "System von Impulsen oder Drängen, die von Trump ausgehen":
"Trumps gesamte Bemühungen zielen darauf ab, das außenpolitische Erbe der Demokraten auszulöschen. Grönland wurde im Jahr 1945 von der Truman-Regierung an Dänemark zurückgegeben, und der Panamakanal wurde 1979 von der Carter-Regierung an Panama übergeben. Ebenfalls unter den Demokraten zogen sich die USA aus Afghanistan zurück – und das, obwohl während Trumps erster Amtszeit eine grundlegende Vereinbarung mit den Taliban getroffen worden war. Es ist gar nicht selbstverständlich, dass die US-Amerikaner das Land tatsächlich auch dann verlassen hätten, wenn er an der Macht geblieben wäre."
Wassiljew erinnert daran, dass unter Trump auch die US-Unterstützung für Taiwan und die Ukraine nachgelassen habe. Diese würden heute als Projekte der Demokratischen Partei angesehen.
Und wenn sie es sehr wünschten, könnten die USA mit den Taliban tatsächlich ein Übereinkommen über ihre Rückkehr nach Bagram aushandeln. So sieht es der Militärexperte Andrei Koschkin, Leiter der Abteilung für politische Analyse und soziopsychologische Prozesse an der Russischen Plechanow-Universität für Wirtschaft. IANS zitiert:
"Die USA könnten die Taliban-Regierung bezahlen, und diese würde ihnen das Territorium überlassen. Die Frage des Schutzes ihrer Militärstützpunkte haben die US-Amerikaner bis ins kleinste Detail ausgearbeitet. Die zuverlässigste Option ist, den Umkreis mit Stahlbetonschilden zu umfrieden. Dies bietet ausreichenden Schutz gegen Terroranschläge."
Eine mögliche Rückkehr zum Luftwaffenstützpunkt sollte jedoch nicht als erneute US-Invasion in Afghanistan betrachtet werden. Wie der Experte betont, kamen die USA im Jahr 2021 der Forderung der Taliban nach, das Land innerhalb einer gesetzten Frist zu verlassen:
"Denn es waren ja gerade die Taliban, die die Amerikaner aus Afghanistan vertrieben haben. Eine Rückkehr auf diesen Stützpunkt kann daher nur gewaltfrei erfolgen – die Seiten werden schon zu einer Übereinkunft gelangen.
Der Grund für die Rückkehr kann jedoch nur geopolitischer Natur sein – die Kontrolle über ein bestimmtes Gebiet in der Region. Bagram könnte sich zu einem Zentrum für Geheimdienstarbeit und Überwachung der Lage in Süd-, Zentral- und Westasien entwickeln. Es ist ein sehr vorteilhafter geopolitischer Standort."
Der Orientalist Kirill Semjonow, Experte beim Russischen Rat für Internationale Angelegenheiten, erinnert an die Ausgangsbedingungen, unter denen etwaige Verhandlungen Washingtons und Kabuls über eine Wiederherstellung der US-Militärpräsenz in Bagram gegebenenfalls stattfinden würden:
"Glaubt man Trump, so sah das US-Abkommen über den Truppenabzug aus Afghanistan vor, dass die US-Amerikaner den Luftwaffenstützpunkt Bagram weiterhin nutzen würden. Doch unter Biden flohen sie einfach und gaben den Flugplatz auf. Es geht also darum, zu einem ursprünglich vorgesehenen Rahmen zurückzukehren."
Semjonows Ansicht nach könnten die Taliban den US-Amerikanern nachgeben, würden aber die vollständige Aufhebung der internationalen Sanktionen gegen sie und die Freigabe ihrer westlichen Bankkonten fordern:
"Ich glaube nicht, dass die USA dafür eine Militäroperation starten müssen, wie viele schreiben. Überdies würden die Amerikaner diesen Krieg sehr schnell verlieren."
Laut Koschkin wird die Rückkehr nach Bagram es den USA nicht ermöglichen, die Pläne Russlands, Chinas und Indiens zum Aufbau von Logistikrouten zu behindern, aber Washington wird in der Lage sein, "am Puls der Zeit zu bleiben" und sich damit zufriedengeben:
"Aufklärung ist für sie mehr als genug. Eine vollwertige Invasion Afghanistans wird es sicherlich nicht geben."
Wassiljew weist darauf hin, dass Gespräche über eine Rückkehr der USA nach Afghanistan nach der Bombardierung des Iran und vor dem Hintergrund der Bildung einer strategischen Allianz zwischen Russland, Indien und China aufkamen.
Unbedingt zu beachten seien in diesem Kontext auch die holprig verlaufenden Beziehungen der USA zur Atommacht Pakistan und der militärische Aufstieg Chinas:
"All dies zwingt die US-Amerikaner, ihre Außenpolitik zu überdenken. Heute zeigt sich, dass die Vorstellungen aus dem frühen 21. Jahrhundert, Afghanistan sei Russlands Schwachstelle und eine Enklave für Einfluss oder Interventionen der USA in Zentralasien, wiederaufleben. Heute bedeutet ein Stützpunkt in Afghanistan eine Rückkehr zur alten Expansionspolitik in Zentralasien."
Dem Amerikanisten zufolge könnte die Rückkehr der USA nach Bagram als eine mögliche Rückkehr nach Afghanistan insgesamt gesehen werden, und der Flugplatz würde schließlich zu einem Trojanischen Pferd werden, das Washington jetzt in die Region schleust.
Übersetzt aus dem Russischen. Zuerst erschienen bei Wsgljad am 20. September 2025.
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