
Russland beschleunigt das Ende des "Projekts Ukraine"
Von Sergej Sawtschuk
Russische Angriffe auf militärische Infrastruktureinrichtungen tief im ukrainischen Staatsgebiet sind bereits zur systemischen Normalität geworden. Täglich werden Dutzende erfolgreicher Treffer verzeichnet, deren Anzahl, geografische Verbreitung und Regelmäßigkeit derart sind, dass die Listen der getroffenen Ziele längst zu einem festen Bestandteil der Berichterstattung geworden sind.
Am Dienstag jedoch veröffentlichten ukrainische Quellen, die normalerweise eher zurückhaltend sind, sehr beunruhigende und recht detaillierte Berichte. Das ukrainische Energieministerium teilte mit, dass in der Nähe der Stadt Lubny in der Region Poltawa mehrere Dutzend Kampfdrohnen einen massiven Angriff auf eine bestimmte "kritische Einrichtung" durchgeführt hätten. Es wird betont, dass das Ziel die Energieinfrastruktur war. Daten aus offenen Quellen deuten darauf hin, dass sich hier die Kompressorstation (KS) "Lubny" des ukrainischen Gastransportsystems befindet.

Die Station erfüllt eine für die ukrainische Energiewirtschaft überaus wichtige Aufgabe. Sie pumpt Erdgas, das in der Region Charkow (auf den Feldern Schebelinskoje, West-Krestischenskoje und Efremowskoje) gefördert wird, und fügt die Mengen hinzu, die bereits vor Ort in der Region Poltawa (auf den Feldern Jablunowskoje, Semirenkowskoje und Matschuchskoje) gewonnen wurden. Nach dem Verlust der Fördergebiete auf dem Schwarzmeerschelf liefern diese beiden Regionen mehr als die Hälfte der gesamten ukrainischen Gasproduktion.
Die Bedeutung der Kompressorstation "Lubny" liegt darin, dass sie die Gasförderung über drei interne Verteilungsleitungen sicherstellt, nämlich über die Strecken Schebelinka – Dikanka – Kiew, Jelets – Dikanka – Kiew und Schebelinka – Perejaslaw – Kiew. Wie leicht zu erraten ist, versorgen die Kompressorstation und die drei genannten Leitungen die Regionen in Richtung Kiew sowie die Hauptstadt selbst und die Region, in der seit Sowjetzeiten eine große Anzahl von Industrieanlagen und Produktionsbetrieben unterschiedlichster Art konzentriert ist, mit Gas. In der aktuellen Situation sind dies in erster Linie Unternehmen des ukrainischen Militär-Industrie-Komplexes.
Kiew ist übrigens der größte Knotenpunkt von Gasleitungen, die früher international und für den Transit genutzt wurden, heute aber ausschließlich für den Inlandstransport dienen, was die Stadt in gewisser Weise noch bedeutender macht. Wenn man die Routen der Gasleitungen von der Kompressorstation "Lubny" verfolgt, sieht man, dass eine davon noch in der Region Poltawa nach unten verläuft, an Tscherkassy vorbeiführt und dann durch die Regionen Winniza, Chmelnizki und Ternopol verläuft. Die Hauptleitung, die mehrere Stränge umfasst, führt nach Kiew und von dort aus weiter über Schitomir, Berditschew und Ternopol, um in der Region Iwano-Frankowsk wieder auf ihre ebenfalls aus Poltawa kommende Schwesterleitung zu treffen. Weiter verzweigen sich die Rohre wieder nach Ungarn (zwei Leitungen) und in die Slowakei (sechs Leitungen), aber in der heutigen Realität ist das unerheblich.
Die Verteilung von Gas innerhalb der Ukraine ist jedoch von großer Bedeutung.
Es ist bekannt, dass die Energie- und Industriebranchen der Ukraine bei einer eigenen Förderung von 19 Milliarden Kubikmetern im vergangenen Jahr etwa 20 Milliarden Kubikmeter Erdgas verbraucht haben. Das heißt, dass Importe kein entscheidender Faktor für die Stabilisierung der ukrainischen Wirtschaft waren und der Faktor für die Aufrechterhaltung ihres Gleichgewichts gerade in der Arbeit der internen Systeme liegt.
Dabei muss natürlich präzisiert werden, dass Gas eine Primärressource ist und im Energiebereich die Stromerzeugung die Hauptaufgabe ist. In dieser Beziehung sieht es in der Ukraine nicht besonders gut aus, was sich nach dem erneuten Angriff der ukrainischen Streitkräfte auf die Kompressorstation der Ölpipeline "Druschba" bestätigte, wodurch die Förderung nach Ungarn und in die Slowakei für einen Tag unterbrochen wurde. Budapest erinnerte sofort daran, dass es fast vierzig Prozent der gesamten von der Ukraine importierten Elektrizität liefert und damit etwa 300 Millionen US-Dollar verdient.
Aber man sollte sich keine falschen Hoffnungen machen, dass die Ungarn den Exportstopp verhängen werden. Die Stromlieferungen in die Ukraine werden von privaten Unternehmen durchgeführt, und gerade jetzt, in Zeiten von Spitzenverbrauch und Höchstpreisen, werden sie kaum auf zusätzliche Gewinne verzichten wollen. Und dass diese außerplanmäßigen Einnahmen von der unfreundlichen Ukraine stammen, ist ein angenehmer Bonus und eine moralische Entschädigung.
Unser Übergang vom Gas zum Stromsektor ist kein Zufall. Selbst ein Kind versteht, dass die Ereignisse an der Front eng mit den Ereignissen auf der geopolitischen Bühne verbunden sind. Nach dem Treffen in Anchorage, bei dem Wladimir Putin und Donald Trump eine für das letzte Jahrzehnt unvorstellbare Annäherung ihrer diplomatischen Positionen demonstrierten, rückte die Frage eines Friedensabkommens in den Vordergrund. Es ist klar, dass Selenskij und sein Unterstützerteam aus Europäern versuchen, die Vereinbarung konkreter Bedingungen so weit wie möglich hinauszuzögern, aber Trump drängt sie weiterhin aktiv dazu. Wenn man davon ausgeht, dass Moskau und Washington zu einer eindeutigen Entscheidung gekommen sind, den bewaffneten Konflikt in der Ukraine zu beenden, ist es logisch, dass die Parteien sozusagen ihre Verhandlungspositionen verbessern wollen.
Kiew versucht, die Öllogistik nach Westen, nach Weißrussland und zu den russischen Exporthäfen an der Ostsee zu stören. Moskau hat unterdessen begonnen, die Raffinerie in Krementschug und die grenzüberschreitenden Verbindungsleitungen in Orlowka in der Region Odessa aktiv "aus dem Verkehr zu ziehen", nun ist auch die interne Gasverteilung an der Reihe. Das heißt, die ukrainische Energiewirtschaft wurde von externen Quellen abgeschnitten und dann in die Knie gezwungen. Wenn man noch Krasnoarmeisk (Pokrowsk) hinzufügt, an das die russischen Truppen herangerückt sind und in dessen Umgebung sich die beiden größten Stromleitungen der gesamten Ostukraine kreuzen, die Mariupol mit Charkow und Saporoschschje und Dnjepropetrowsk mit Donezk verbinden, dann wird das Bild noch viel deutlicher.
Die Festigkeit der Verteidigung bestimmt die Standhaftigkeit der Armee, aber ohne Unterstützung durch den Nachschub, ohne Treibstoff, Lebensmittel, Strom und Medikamente wird sie keinen Monat überstehen. Die Chronik und die Logik der Aktionen unserer Streitkräfte gegen ukrainische Energieanlagen lassen vermuten, dass in Moskau die Geduld langsam endet. Und wenn Selenskij nicht auf die eindringlichen Vorschläge aus Alaska eingeht, könnte er seine letzten Verhandlungsvorteile verlieren – und damit auch die Armee und das Land insgesamt.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 21. August 2025 auf ria.ru erschienen.
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