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Künstliche Intelligenz ändert NATO-Angriffspläne auf Kaliningrad

Immer öfter machen hochrangige westliche Militärs selbstbewusste Aussagen über die Möglichkeit einer direkten militärischen Aggression gegen Russland. Das erste Ziel ist in der Regel das Gebiet Kaliningrad. Auf welchen militärischen Berechnungen basiert ihre Selbstsicherheit?
Künstliche Intelligenz ändert NATO-Angriffspläne auf KaliningradQuelle: Legion-media.ru © Michele Ursi

Von Alexander Timochin

Der Kommandeur der US-Armee in Europa und Afrika, General Christopher Donahue, hat kürzlich dem Medium Defense News ein kurzes, aber aussagekräftiges Interview gegeben. Aus seinen Aussagen lässt sich ableiten, wie zuversichtlich das US-amerikanische Kommando hinsichtlich einer schnellen Eroberung des Gebiets Kaliningrad ist. Und nicht nur das.

Wer ist Christopher Donahue?

Zunächst einmal ein paar Informationen darüber, mit wem wir es zu tun haben. Donahue ist ein typischer US-General: Er wurde an der Militärakademie der Vereinigten Staaten in West Point ausgebildet, die er 1992 abschloss. Anschließend diente er zunächst in der Infanterie und dann im 75. Ranger-Regiment, das spezielle Aufgaben hat. Tatsächlich entwickelte sich Donahue sofort sowohl als Infanterieoffizier als auch als Spezialeinheitenoffizier (obwohl Ranger in den USA formal gesehen Infanteristen sind, nur eben spezielle).

Im Jahr 1999 kam es zu einer in unseren Augen dramatischen, für einen vielversprechenden Offizier in den USA jedoch normalen Wende: Donahue wurde in den Stab des stellvertretenden Vorsitzenden des Vereinigten Generalstabs, General Richard Myers, versetzt. Dort erlebte er den 11. September 2001. Zufällig befand sich der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs, General Henry Shelton, am Tag des Anschlags im Flugzeug und konnte keine vollständige Kontrolle ausüben. Für einige Zeit am Tag des Anschlags standen Myers und sein Stellvertreter Donahue de facto an der Spitze der US-amerikanischen Militärhierarchie.

Nach Beginn der US-amerikanischen Invasion in Afghanistan verlässt Donahue freiwillig seinen bequemen Posten in Washington und tritt in die Spezialeinheit ein. Dort absolviert er eine Spezialausbildung und tritt der 1. Spezialeinheit Delta bei, in der er seinen Dienst nun im Krieg fortsetzt.

Er nahm an zahlreichen Operationen auf drei Kontinenten teil, darunter auch in "Osteuropa" (was auch immer das bedeuten mag), deren Details bis heute geheim sind. Erst in den 2010er-Jahren trat er wieder in eine relativ öffentliche Position – als Leiter der operativen Planung des Joint Special Operations Command.

Und wieder kehrte er zu den Kommandeuren der öffentlichen Streitkräfte zurück – als Leiter der Infanterie-Ausbildungsschule in Fort Benning und stellvertretender Kommandeur der 4. Infanteriedivision. Dann ging er Washington – als stellvertretender Chef des Vereinigten Stabes der US-Streitkräfte für Spezialeinsätze und Terrorismusbekämpfung. Dann wieder nach Afghanistan, als Kommandeur der gemeinsamen Spezialeinheiten der NATO in Afghanistan. Unmittelbar danach wurde er zum Kommandeur der 82. Luftlandedivision ernannt. In dieser Funktion sorgte er 2021 für die Evakuierung der US-Amerikaner aus Kabul.

Er war der letzte US-Amerikaner, der afghanischen Boden unter den Füßen hatte – alle seine Untergebenen waren entweder bereits abgeflogen oder warteten im Flugzeug auf ihn.

Im August 2021 wird er von der Division zum 18. Luftlandekorps befördert. Im Februar 2022 beginnt die [russische] militärische Sonderoperation [in der Ukraine], und Donahue wird zu dem US-amerikanischen General, der die Unterstützung der USA für die Aktionen der Ukraine sicherstellt – er organisiert die Übermittlung von Geheimdienstinformationen und koordiniert Waffenlieferungen. Man muss sich bewusst sein, dass wir in der Ukraine nicht nur General Alexander Syrski gegenüberstehen, sondern auch General Donahue. Und es ist unklar, wessen Rolle wichtiger ist. Die Ernennung Donahues zum Befehlshaber der Streitkräfte in Europa und Afrika hat daran nichts geändert – dieser Mann ist weiterhin für die Ukraine auf US-amerikanischer Seite zuständig.

Die Eroberung Kaliningrads und künstliche Intelligenz im Kampfeinsatz

In Donahues Interview gibt es zwei wichtige Punkte. Der erste betrifft die Pläne zur Eroberung Kaliningrads. Die US-Amerikaner stellen es so dar, dass die Eroberung nur als Reaktion auf die Aggression Russlands erfolgen wird, aber das sollte niemanden täuschen, denn auch Hitler behauptete, er sei im Juni 1941 lediglich den "Bolschewisten" zuvorgekommen.

Hier gibt es einen politischen Aspekt: Noch vor drei Jahren hätte kein hochrangiger General der NATO-Staaten es gewagt, so etwas laut zu sagen, aber jetzt ist das kein Problem mehr. Das bedeutet, dass es im Westen nun politisch möglich ist, solch aggressive antirussische Äußerungen zu machen. Bereits im Dezember letzten Jahres hatte der Vorsitzende des NATO-Militärausschusses, der niederländische Admiral Rob Bauer, von der Möglichkeit eines "Präventivschlags gegen Russland" gesprochen.

Wichtig ist auch Donahues öffentlich zur Schau gestellte Zuversicht hinsichtlich des Erfolgs des Plans zur Eroberung Kaliningrads. Er spricht von der Fähigkeit, "diese Enklave mit einer noch nie dagewesenen Geschwindigkeit vom Erdboden zu tilgen". Dieser Mann ist militärisch zu erfahren, um mit Worten zu hausieren. Dies ist besonders bezeichnend angesichts der aktuellen Kriegsvorbereitungen der Europäer, die sogar Hafenanlagen für die Landung von Verstärkungstruppen vom Meer aus reservieren.

Der zweite, wichtigste Punkt ist das, worauf Donahue und das US-amerikanische Militär insgesamt setzen: auf künstliche Intelligenz im Kampfeinsatz.

Donahue erwähnt "Maven Smart System vom Unternehmen Palantir, eine Plattform für künstliche Intelligenz, die riesige Datenmengen aufnimmt und Informationen schnell analysiert, um Militärkommandanten bei ihren Entscheidungen zu unterstützen". Übrigens ist Alex Karp, der Chef von Palantir, mit Wladimir Selenskij bekannt, und das Unternehmen selbst unterstützt offen das Kiewer Regime.

Maven ist ein System, das Menschen bei der Verarbeitung riesiger, oft unstrukturierter Datenmengen ersetzt. Der Prototyp dieses Systems wurde erfolgreich in Afghanistan eingesetzt und ermöglichte es den USA, den Zeitaufwand für die Zielerfassung drastisch zu reduzieren. Wenn man dem Video von Palantir Glauben schenkt, dann sieht man, dass ihre künstliche Intelligenz dem Kommandeur vorschlagen kann, mit welchen Mitteln eine Kampfaufgabe gelöst werden kann, und außerdem einen Geheimdienstbericht über den Feind erstellt, der dem Kommandeur alles mitteilt, was er wissen muss.

Wenn dieses System wirklich gut funktioniert, können die USA in Echtzeit die Versuche des Gegners aufdecken, seine Technik und Truppen zu tarnen und die US-Amerikaner auf operativer Ebene zu "überlisten". Das wird einfach nicht mehr funktionieren, und die US-amerikanischen Truppen werden die Möglichkeit erhalten, genau die Machtzentren zu treffen – Hauptquartiere, alles, was wie Hauptquartiere aussieht, Orte, an denen sich Personal konzentriert, Munitionsdepots und so weiter.

Genau das wollen sie in ihren Truppen einführen, und zwar massiv. Und laut Donahue ist dieser Ansatz die Lösung für die Probleme mit Kaliningrad.

Er denkt auch laut über eine universelle Raketenabschussvorrichtung nach, die alle verfügbaren Raketentypen einsetzen kann, aber das ist nur ein Detail. Das ist genau das, was man braucht, um das Potenzial der künstlichen Intelligenz maximal auszuschöpfen.

Man muss zugeben, dass der Einsatz von KI im Kampf die Qualität der Führung wirklich verbessert. Vor nicht allzu langer Zeit berichtete der Direktor der Nationalen Agentur für Geospatial Intelligence der Vereinigten Staaten, Vizeadmiral Frank Whitworth, über die Ergebnisse des Einsatzes von Maven. Ihm zufolge "hat sich während der jüngsten Übungen einer unserer Kampfeinheiten die Zeit für die Durchführung von Aufklärungsoperationen von mehreren Stunden auf wenige Minuten verkürzt – von der Entdeckung bis zum Abschuss des Ziels".

Wie man Kaliningrad verteidigen kann

Der Westen hält Kaliningrad aus militärischer Sicht für verwundbar. Die westlichste Region Russlands ist von NATO-Ländern umgeben, ihr Territorium ist klein und wird vollständig von Langstreckenartillerie abgedeckt. Zwar ist die russische Ostseeflotte in diesem Gebiet stationiert, doch sind sowohl ihre Stützpunkte als auch die Dislozierung der Landstreitkräfte bekannt. Noch vor einigen Jahren übte die NATO Luftangriffe (unter anderem mithilfe von Trägern von Atomwaffen) und Bodenraketenangriffe auf das Gebiet Kaliningrad.

Es besteht kein Zweifel daran, dass eine Operation zur Attacke der NATO-Truppen auf die Region vorbereitet wurde, und es gab auch Indiskretionen über die Existenz eines entsprechenden Geheimplans. Die Worte von General Donahue besagen lediglich, dass dieser Plan ständig entsprechend den neuen Kampfmöglichkeiten der NATO weiterentwickelt wird – nun bereits mithilfe militärischer künstlicher Intelligenz.

Könnte es sein, dass die NATO versuchen wird, diese Operation durchzuführen? Derzeit ist das unwahrscheinlich, aber die Lage ändert sich sehr schnell.

Der Plan ist da, um ihn in die Tat umzusetzen, braucht es eigentlich nur noch eine politische Entscheidung. Im Falle eines solchen Angriffs stünde die Baltische Flotte allein gegen alle NATO-Flotten in der Ostsee. Was den Durchbruch der russischen Landstreitkräfte zur Unterstützung des Kaliningrader Truppenverbands durch Lettland und Litauen angeht, so wappnen sich die baltischen Staaten, legen massiv Minenfelder an, und das Tempo des Vorstoßes durch ihr Territorium könnte sich als unannehmbar langsam erweisen.

Angesichts der faktischen Einkreisung Kaliningrads und der erheblichen Konzentration feindlicher Kräfte in diesem Teil Europas könnte sich herausstellen, dass die Region nur mit dem Einsatz von Atomwaffen gehalten werden kann. Wie in der russischen Nukleardoktrin dargelegt, ist eine der Voraussetzungen für den Einsatz von Atomwaffen "eine Aggression gegen die Russische Föderation und/oder der Republik Weißrussland als Mitglieder der Union unter Einsatz konventioneller Waffen, die eine kritische Bedrohung ihrer Souveränität und (oder) territorialen Integrität darstellt". Bei einem Angriff auf Kaliningrad wäre mit hoher Wahrscheinlichkeit eine kritische Bedrohung der territorialen Integrität des Landes gegeben.

Mit anderen Worten: Die Erklärungen der NATO-Militärs provozieren zumindest die Frage nach der Überprüfung der Funktionsfähigkeit von Atomwaffen, bis hin zur Durchführung von Tests auf Nowaja Semlja. Ganz zu schweigen von der Ausbildung der Truppen in deren Einsatz und den entsprechenden Maßnahmen.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 23. Juli 2025 zuerst auf der Website der Zeitung Wsgljad erschienen.

Alexander Timochin ist ein russischer Journalist, der Artikel zu militärtechnischen Themen schreibt, hauptsächlich über die Marine.

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