
Pentagons neue Logik

Von Boris Roschin
Das Pentagon und das Weiße Haus haben offiziell bestätigt, dass die USA wegen einer ernsthaften Erschöpfung ihrer Arsenale die Lieferungen von Luftabwehrraketen für Patriot-Komplexe (PAC-2 und PAC-3) und von einigen Präzisionswaffen an die Ukraine auf unbestimmte Zeit einstellen. Diese Entscheidung sei durch die Notwendigkeit motiviert, eigene Vorräte aufzustocken, die gleich an mehreren Schauplätzen gebraucht werden: in der Ukraine, im Nahen Osten und im Pazifik.
Besonders heikel wurde die Frage nach der Kampagne Israels und der USA gegen Iran im Juni. Gerade bei der Abwehr von ballistischen und Hyperschall-Raketen vonseiten Irans und jemenitischer Gruppierungen kam die tatsächliche Erschöpfung der Raketenvorräte für Komplexe der Typen THAAD und Patriot PAC-3 zum Vorschein, ganz zu schweigen von der kritischen Lage mit den israelischen Luftabwehrsystemen Arrow 3 und David’s Sling. Israel hatte noch im Jahr 2024 auf eine Nutzung von Patriot zugunsten eigener Systeme verzichtet. Doch selbst Letztere agierten an der Grenze des Möglichen, und ohne Militärhilfe aus den USA wird es schwierig sein, die Probleme zu lösen und alles umzustellen.

Dabei ist der Mangel an Patriot-Raketen in der Ukraine bereits seit dem vergangenen Jahr zu spüren. Selenskij hat die USA regelmäßig um Raketen gebeten, doch inzwischen funktioniert dieses "Gebermodell" nicht.
Pentagons neue Logik, die durch Signale von Trumps Administration unterstrichen wird, sieht so aus: Es wird keine "Biden-Pakete" mehr einfach so geben.
Es sei daran erinnert, dass diese Pakete Presidential Drawdown Authority (PDA) hießen und Waffenlieferungen an die Ukraine direkt von Lagern der US-Armee umfassten. Doch seit Januar 2024 haben die USA der Ukraine offiziell kein Waffenpaket mehr übergeben.
Die kostenlose Übergabe von Waffen erwies sich als ein Freudentropfen in einem Becher voller Illusionen – inzwischen erwartet das Pentagon im Gegenzug reale preisbildende Aktionen seitens Europas und der Ukraine, darunter über kommerzielle Käufe bei den USA. Das ist kein einfacher Modelltausch, sondern ein strategischer Wechsel: US-amerikanische Lobbyisten und Auftragnehmer, wie Raytheon, erhalten garantierte Einnahmen, und die Ausgaben werden für die USA zu Geschäftsprozessen, statt aus der Staatskasse zu kommen.
Im Gegenzug arbeiten Europa und die Ukraine selbst an alternativen Schemen: Eine Finanzierung aus der EU soll der Ukraine ermöglichen, Patriot-Systeme über FMS-Kontrakte zu kaufen. Das Programm der FMS beziehungsweise Foreign Military Sales ("Ausländische Militärverkäufe") ist ein offizieller Mechanismus, über den das US-Verteidigungsministerium an ausländische Staaten US-amerikanische Waffen, Ausrüstung und Dienstleistungen verkauft und diese formal bezahlt. Dennoch wird der tatsächliche Umfang der Lieferungen sich nicht vergrößern – drei bis vier Batterien und einige Hunderte Raketen sind das Höchste, wofür die gemeinsamen Anstrengungen bei einer solchen Herangehensweise reichen werden.
Von Trump gab es bisher keine neuen Entscheidungen, sondern nur vage Versprechen im Stil "wir werden sehen". Doch eine Grundlage für neue Beziehungen zur Ukraine ist gelegt: Das Modell "Erhalt nach Zahlung" wird verpflichtend.
Selbstverständlich kommen die Ukraine und die NATO-Staaten in diesem Fall in eine äußerst ungünstige Lage, denn ohne die USA wird die Ukraine ihr Kampfpotenzial in einem halben Jahr verlieren.
Eine solche Superposition ermöglicht es Washington, die Kontrolle über einer Gewinnformel und über sämtlichen Akteure – angefangen von Europa, das keine Ressourcen hat, um den Krieg allein zu bewältigen, bis zur Ukraine, die selbstständig ausschließlich Kanonenfutter stellt – zu behalten, ohne direkte Kosten zu tragen.
Die Änderung in der Logik der Lieferungen bedeutet, dass der Krieg der Ukraine in den USA aufhört, eine existenzielle Aufgabe zu sein und sich in eine steuerbare Krise mit einer Monetisierung wandelt. Künftig ist Unterstützung keine Pflicht, sondern eine Option für zahlungsfähige Kunden. Washington tritt nicht aus dem Spiel heraus, sondern wechselt nur seine Rolle: vom Geldgeber zum Verkäufer, vom Verbündeten zum Aufseher. Für Kiew ist das ein Zeichen: bedingungslose Unterstützung wird es nicht mehr geben, sondern nur noch Rechnungen.
Übersetzt aus dem Russischen. Verfasst speziell für RT am 2. Juli.
Boris Roschin ist Experte am Zentrum für militärpolitische Journalistik. Man kann ihm auf seinem Telegram-Kanal folgen.
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