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Selenskij enttäuscht: US-Raketen gehen nach Nahost statt Ukraine

Kiew hatte auf 20.000 US-Raketen zur Abwehr russischer Drohnen gehofft. Nun wurde die Lieferung offenbar umgeleitet – zugunsten amerikanischer Truppen im Nahen Osten. Präsident Selenskij warnt: Ohne diese Waffen könnte Russland gewinnen.
Selenskij enttäuscht: US-Raketen gehen nach Nahost statt UkraineQuelle: Gettyimages.ru © Ukrainische Präsidentschaft/Anadolu

Die US-Regierung unter Donald Trump hat ein ursprünglich für die Ukraine bestimmtes Waffenpaket in den Nahen Osten umgeleitet. Dies erklärte der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij in einem Interview mit dem US-Sender ABC. Die Rede ist von rund 20.000 Raketen, die für die Abwehr russischer Drohnen vorgesehen waren. Laut Selenskij gefährde diese Entscheidung die Verteidigungsfähigkeit der Ukraine massiv.

Die Vereinbarung über die Lieferung sei noch unter der vorherigen US-Regierung unter Präsident Joe Biden getroffen worden – konkret mit dem damaligen Verteidigungsminister Lloyd Austin. "Es war keine teure Lieferung, aber es ging um eine spezielle Technologie", betonte Selenskij. Die Raketen sollten gegen die sogenannten "Shahed"-Drohnen eingesetzt werden, mit denen Russland die Ukraine angreift. Gemeint sind die russischen Drohnen vom Typ Geran-2, die Kiew weiterhin als iranische "Shahed"-Modelle bezeichnet. Moskau und Teheran weisen diesen Vorwurf zurück.

Laut Selenskij habe ihn der ukrainische Verteidigungsminister Rustem Umerow am Tag des Interviews darüber informiert, dass die Waffen nicht geliefert würden. Stattdessen habe Washington sie "in den Nahen Osten verlegt", so Selenskij.

Auch das Wall Street Journal berichtete am 5. Juni über die Umleitung der Waffenlieferung. Dem Blatt zufolge ordnete der neue US-Verteidigungsminister Pete Hegseth, ein Kritiker der bisherigen Ukraine-Politik, die Übergabe spezieller Raketenzünder an die US-Luftstreitkräfte im Nahen Osten an. Diese seien ursprünglich für Kiew bestimmt gewesen. Die Entscheidung sei ohne öffentliche Debatte gefallen. Der Kongress sei lediglich informell in Kenntnis gesetzt worden.

Die umgeleiteten Raketenzünder gehören zum Raketenkomplex "Advanced Precision Kill Weapon System". Die US-Luftstreitkräfte haben dieses System für den Einsatz auf Kampfjets des Typs F-15E angepasst, um Drohnenangriffe etwa aus dem Jemen oder aus Iran abzuwehren. Der Vorteil dieser Technik gegenüber herkömmlichen Luft-Luft-Raketen wie Sidewinder oder AMRAAM ist ihr geringerer Preis. Laut WSJ spiegelt die Entscheidung Engpässe in den US-Arsenalen wider.

Im US-Kongress sorgt das Vorgehen für Unmut. Unterstützer der Ukraine zeigen sich besorgt, dass die Umleitung ein Anzeichen für eine schwindende US-Unterstützung sein könnte. Das Pentagon habe bislang nicht dargelegt, wie stark die Entscheidung die Verteidigung der Ukraine beeinträchtige – oder ob die Bedürfnisse der US-Luftstreitkräfte tatsächlich vorrangig seien.

In dem knapp einstündigen Interview zeigte Selenskij sich deutlich frustriert. Ohne westliche Hilfe, warnte er, werde Russland "mehr Chancen haben, diesen Krieg zu gewinnen", und die Verluste auf ukrainischer Seite würden "viel höher" ausfallen. Ein Sieg Moskaus sei nur dann möglich, wenn "der Krieg sehr lange dauert und keine Sanktionen mehr bestehen".

In Bezug auf Trump äußerte sich Selenskij zurückhaltend. Zwar habe es im April im Vatikan ein persönliches Gespräch gegeben, das "mehr Vertrauen geschaffen" habe als viele offizielle Treffen. Die Aussagen des Republikaners, wonach Russland den Krieg ohnehin gewinnen werde, kritisierte er jedoch scharf:

"Donald Trump glaubt, und das hat er auch öffentlich gesagt, dass Russland den Krieg mit der Ukraine gewinnen wird. Aber es ist kein Sieg, wenn man eine Million Menschenleben verliert, nur um ein paar tausend Quadratkilometer Territorium einzunehmen." 

Auch Trumps außenpolitische Linie insgesamt sorgt in Kiew für Unruhe. Der US-Präsident hatte erklärt, es könne besser sein, Russland und die Ukraine noch "eine Weile kämpfen zu lassen", bevor man sie zu einer Friedenslösung dränge.

Selenskij widersprach dieser Logik deutlich. Russland sei nicht am Frieden interessiert:

"Mit allem Respekt für Präsident Trump – ich glaube, das ist seine persönliche Meinung. Ich bin überzeugt: Putin will diesen Krieg nicht beenden. In seinem Kopf endet der Krieg nur mit einer Niederlage der Ukraine."

Am Ende des Gesprächs äußerte sich Selenskij auch zur verdeckten Operation "Spinnennetz", bei der ukrainische Drohnen russische Militärflugplätze attackiert hatten. Man müsse ständig an solchen Plänen arbeiten, betonte er: "Wir wissen nie, was die Russen morgen tun werden." Er zeigte sich überzeugt:

"Wir sind nah an dem Moment, Russland zum Kriegsende zu zwingen – oder es zumindest zum Einlenken zu bewegen. Das spüren wir. Druck von unseren Partnern kann das möglich machen."

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