
Die USA machen aus der NATO ein kommerzielles Unternehmen

Von Rafael Fachrutdinow
Donald Trump als Chef des Weißen Hauses bezweifelt, dass Frankreich und andere NATO-Mitglieder die USA im Ernstfall verteidigen würden.
"Wissen Sie, was das größte Problem mit der NATO ist? Sie sind zwar unsere Freunde, aber glauben Sie, dass sie uns im Ernstfall zu Hilfe kommen würden? Da bin ich mir nicht sicher", wurde Trump vom The Guardian zitiert.
Er sagte auch, dass die USA ihre NATO-Verbündeten nicht verteidigen würden, sollten sie ihre Beiträge zum Bündnishaushalt nicht erhöhen.

Wie Politico berichtet, hatten am Vortag besorgte Vertreter von 27 EU-Mitgliedstaaten die Pläne zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben unterstützt und sich darauf geeinigt, die Verteidigung durch Investitionen in Höhe von 800 Milliarden Euro zu stärken.
"Die transatlantische Partnerschaft bleibt das Fundament unseres Bündnisses. Trump hat deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er dem Bündnis weiterhin treu bleibt", versicherte NATO-Generalsekretär Mark Rutte.
In den nächsten zwei Wochen sollen die Brüsseler Beamten die Einzelheiten eines Plans ausarbeiten, der es den Regierungen der EU-Mitgliedstaaten ermöglichen würde, die Vorschriften für Finanzausgaben zu lockern, um damit Investitionen in die Produktion von Raketen, Munition, Drohnen, elektronischer Kriegsführung und Luftverteidigung tätigen zu können.
Zur Unterstützung dieser Initiativen wandte sich der französische Präsident Emmanuel Macron an die Nation und erklärte, Europa im Allgemeinen und sein Land im Besonderen seien mit einer "russischen Bedrohung" konfrontiert. Er vertrat auch die Idee, dass französische Atomwaffen den US-amerikanischen "Nuklearschirm über Europa" ersetzen könnten.
Vor diesem Hintergrund werden in Deutschland Aufrufe laut, keine US-Militärausrüstung mehr zu erwerben. Dies sei notwendig, um die europäische Souveränität zu stärken, so Michael Schöllhorn, Leiter der Verteidigungs- und Raumfahrtsparte von Airbus. "Wenn wir die Steigerung der Verteidigungsausgaben für weitere Einkäufe in den USA verwenden werden, werden wir unsere Abhängigkeit nur verstärken", betont er.
"Verteidigungsausgaben stellen eine Investition in Wirtschaft und Gesellschaft dar. Sie schaffen Arbeitsplätze, senken Steuern und bringen neue Technologien und Innovationen, die für zivile Zwecke genutzt werden können", sagt er in einem Interview mit der Augsburger Allgemeinen.
Nach Ansicht von Experten verdeutlicht Trumps Forderung an die Europäer damit eine weitere Divergenz zwischen ihnen. Der US-Präsident strebt nicht nur eine Erhöhung der EU-Verteidigungsausgaben an, sondern auch eine Zunahme der Einkäufe von US-Waffen durch EU-Länder. Letztere (insbesondere Frankreich) neigen jedoch dazu, ihre eigene Industrie mit Rüstungsaufträgen einzudecken.
Stanislaw Tkatschenko, Professor am Lehrstuhl für Europastudien der Fakultät für Internationale Beziehungen an der Sankt Petersburger Staatlichen Universität und Experte des Waldai-Klubs, erklärt:
"Trumps Grundposition lautet wie folgt: Der Handel mit den USA bringt Europa Vorteile, sodass Brüssel entweder die Kosten für seine eigene Sicherheit tragen oder die NATO-Beiträge deutlich erhöhen sollte. In Brüssel wird seit Langem über die Notwendigkeit einer Vereinheitlichung des militärischen Beschaffungswesens und der Entwicklung des europäischen militärisch-industriellen Komplexes diskutiert, aber es fehlt an ausreichenden Ressourcen und politischem Konsens, um dies zu erreichen. Daher verfügt Washington über eine gute Position, um das Machtgleichgewicht im euroatlantischen Raum zu seinen Gunsten zu verändern. Sollte dies nicht gelingen, könnten sich die USA aus der militärischen NATO-Struktur austreten und sich lediglich politisch engagieren."
Der US-Staatschef übe Druck auf Europa aus, da ihm klar ist, dass sich diese Region zu einem globalen Liberalisierungszentrum entwickelt, das die US-Innenpolitik zu beeinflussen versucht, führt Tkatschenko seinen Gedanken weiter. In den USA ansässige NGOs und politische Kräfte, die in Opposition zu den US-Republikanern stehen, dringen in europäische Länder vor. Sie unterstützen die Demokratische Partei der USA und versuchen, die Trump-Regierung zu schwächen, erklärt der Analytiker.
Außerdem unternehme Trump für die NATO untypische Annäherungsschritte an Russland, um die Beziehungen zu Moskau wiederherzustellen. Und Washingtons Druck auf Brüssel trage dazu bei, die Grundlagen für die Verbesserung der US-amerikanisch-russischen Beziehungen zu schaffen. Deswegen habe US-Vizepräsident J. D. Vance auf der Münchner Sicherheitskonferenz auf die bestehenden Differenzen zwischen den Werten Europas und der USA hingewiesen, fügt der Gesprächspartner hinzu.
Es gebe jedoch die Meinung, dass Trumps Position eher von finanziellen und wirtschaftlichen Interessen der USA als von geopolitischen Erwägungen bestimmt werde, meint Wadim Kosjulin, Leiter des Zentrums des Instituts für aktuelle internationale Probleme an der Diplomatischen Akademie des russischen Außenministeriums:
"Trump betrachtet die NATO-Mitgliedschaft der USA als eine kommerzielle Dienstleistung, für die man bezahlen muss. Dabei ist ihm klar, dass die von Brüssel versprochenen Milliarden – wenn auch nicht in vollem Ausmaß – auf Washington zukommen werden. Die USA gehören zu den größten Waffenherstellern und sind führend im militärisch-technologischen Bereich. Die europäischen Staaten benötigen dagegen enorme Mittel, Kompetenzen und Zeit, um ihren militärisch-industriellen Komplex zu entwickeln."
Trump handele nach dem Motto "Fordere fünf – bekomme zwei", erklärt der Experte. Sein Ziel bestehe nicht im Zusammenbruch der NATO, sondern darin, den europäischen Partnern klarzumachen, wie sehr sie dieses Bündnis in seiner derzeitigen Zusammensetzung brauchen.
"Wenn Macron von der Stärkung des militärischen Potenzials der EU-Länder spricht, so versucht er, sich als Führer des vereinten Europas zu präsentieren, das sich selbst stärken will. Doch diese Rhetorik stößt in Frankreich selbst auf Unverständnis, da die Bürger mit den wirtschaftlichen Problemen und der Migrationskrise unzufrieden sind. Außerdem: Sollte es wirklich zur Realisierung seiner Versprechungen kommen – wäre er dann noch an der Macht?", fragt der Analytiker.
Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 7. März 2025 zuerst auf der Homepage der Zeitung Wsgljad erschienen.
Mehr zum Thema - Weil Berlin und EU auf Krieg setzen: Trump zieht Abzug der US-Truppen aus Deutschland in Betracht
RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.
Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.