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Warum Selenskij keinen Frieden braucht

Warum hat Trump Selenskij beschuldigt, den Konflikt ausgelöst zu haben? Dies ist eine Form des Drucks auf ihn, um ihn zu Verhandlungen mit Russland zu zwingen. Laut Trump hat Selenskij sich zwar zu Verhandlungen bereit erklärt, seine Handlungen lassen jedoch anderes vermuten.
Warum Selenskij keinen Frieden braucht© Andrzej Iwanczuk/NurPhoto via Getty Images

Von Sergei Mirkin

In einem Interview mit Fox News sagte Donald Trump, dass der Chef des Kiewer Regimes, Wladimir Selenskij, kein Engel sei, dass er einen bewaffneten Konflikt mit Russland nicht hätte zulassen dürfen. Und dass Selenskij gegen einen größeren und mächtigeren Gegner kämpft, sodass ein Deal hätte gemacht werden müssen. Die Gelegenheit dazu war also da. Den Worten des US-amerikanischen Präsidenten ist jedoch nicht zu entnehmen, welche gescheiterte Vereinbarung er meint: die Minsker Vereinbarungen oder die Verhandlungen Russlands mit der Ukraine nach dem Beginn der militärischen Sonderoperation, insbesondere in Istanbul.

Einige Tage vor Trumps Anschuldigungen in Davos gab Selenskij mehrere Erklärungen darüber ab, warum er die Gespräche in Istanbul abgebrochen hat. Die öffentlichkeitswirksamste Erklärung war, dass Russland seinen Rücktritt als Präsident der Ukraine forderte, Moskau habe vorgehabt, Selenskij durch Wiktor Medwedtschuk zu ersetzen.

Der Vorsitzende des Ausschusses für internationale Angelegenheiten der russischen Staatsduma, Leonid Sluzki, bezeichnete die Geschichte von Selenskij als falschen Unsinn. Er erinnerte daran, dass das Abkommen in Istanbul vom Leiter der ukrainischen Delegation, Dawid Arachamija, paraphiert wurde. Wenn es bei den Vereinbarungen um die Absetzung Selenskijs gegangen wäre, hätte Arachamija als eine der ihm am nächsten stehenden Personen das Dokument niemals unterzeichnet. Hätte er dies getan, wäre er nach seiner Rückkehr nach Kiew im Gefängnis gelandet. Aber er ist auf freiem Fuß und leitet die Fraktion der Partei "Diener des Volkes" im ukrainischen Parlament.

Als Selenskij in Davos begann, das Istanbuler Abkommen zu dämonisieren, bekam man den Eindruck, dass es sich dabei um eine informelle Vorbereitung des Selenskij-Teams im Hinblick auf mögliche Verhandlungen mit Russland handelte. Im Falle eines Friedensvertrags könnte Selenskij danach nämlich behaupten, dass die Bedingungen viel besser seien als in Istanbul 2022. So habe Moskau es beispielsweise versäumt, Medwedtschuk zum Präsidenten zu machen, und die Ukraine habe ihre Armee nicht so stark verkleinert, wie Russland es gefordert habe.

Doch im Lichte der Anschuldigungen von Trump sieht alles anders aus. Wahrscheinlich gab es bei privaten Treffen der Männer des derzeitigen US-amerikanischen Präsidenten mit dem Team von Selenskij Anschuldigungen, dass Kiew prinzipiell einen bewaffneten Konflikt mit Moskau zulässt. Oder vielleicht hat Trump Selenskij das auch direkt ins Gesicht gesagt. Deshalb hat das Team von Selenskij, als es erkannte, dass die These der Trumpisten öffentlich werden würde, vorbeugende Maßnahmen ergriffen – und Selenskij angeleitet, Lügengeschichten über die Vereinbarungen von Istanbul zu erzählen.

Warum hat Trump Selenskij beschuldigt, den Konflikt ausgelöst zu haben? Offenbar ist dies eine Form des Drucks auf ihn, um ihn zu Verhandlungen mit Russland zu zwingen. Zwar hat er, nachdem er US-Präsident geworden war, etwa zehnmal gesagt, dass Selenskij Verhandlungen zugestimmt habe. Die Handlungen des Chefs des Maidan-Regimes lassen jedoch das Gegenteil vermuten.

So forderte er in Davos, dass ein 200.000 Mann starkes NATO-Kontingent in der Ukraine stationiert wird, sobald der Frieden (oder Waffenstillstand) geschlossen ist. Selbst westliche Experten und Journalisten erkannten diesen Wunsch von Selenskij als unrealistisch an. Das heißt, er stellt eine Bedingung, die nicht erfüllt werden kann. Und Präsident Wladimir Putin wies darauf hin, dass Selenskij sein Dekret über das Verbot von Verhandlungen mit Russland noch immer nicht aufgehoben hat.

Es scheint, dass es sich bei Trump lediglich um Wunschdenken handelt, denn Selenskij und seine Handlanger haben nämlich keine Lust auf Friedensverhandlungen. Und die Trumpisten üben daraufhin stillschweigend Druck auf das Maidan-Regime aus. So wurde laut Politico die US-amerikanische Hilfe für die Ukraine, wie auch für andere Staaten, durch ein Dekret von Trump ausgesetzt. Ausnahmen wurden für Israel und Ägypten gemacht, aber nicht für Kiew.

Höchstwahrscheinlich werden Trumps Anschuldigungen den gegenteiligen Effekt haben, da sie für Selenskij gefährlich sind. Sie zerstören sein von den westlichen Medien im Jahr 2022 geschaffenes Bild eines Helden und Freiheitskämpfers. Trumps Anschuldigungen könnten in den westlichen Medien viele Artikel und Berichte über Selenskijs Schuld an der Entfesselung des Konflikts, Korruption und dem Zusammenbruch der ukrainischen Armee hervorrufen. Darüber wurde schon öfter geschrieben, aber nicht in Bezug auf die Person Selenskij selbst. Trumps Äußerungen werden das Tabu brechen, den Chef des Maidan-Regimes in großem Stil zu kritisieren und ihm seinen Heldenstatus zu entziehen.

Trumps These wird auch als Botschaft an die ukrainische Opposition dienen – der US-amerikanische Präsident ist unzufrieden mit Selenskij. Und in der Ukraine kann man heute nur mit der Unterstützung des Weißen Hauses ruhig regieren. Das Wichtigste: Wenn das Friedensabkommen zustande kommt, muss das Selenskij-Team in der Ukraine Präsidentschaftswahlen abhalten. Und dann werden alle Gegner Selenskijs, wie Waleri Saluschny, Petro Poroschenko und Alexander Dubinski, Trumps Worte über Selenskijs Schuld an der Entfesselung des Konflikts in ihre Informationskampagnen einbeziehen.

Im Vergleich zu anderen Vorwürfen ist dies der schlimmste für Selenskij. Militärische Niederlagen, der Zusammenbruch der Wirtschaft, ja sogar die totale Mobilisierung können den Wählern damit erklärt werden, dass es keinen anderen Ausweg gab, dass es zu einem bewaffneten Konflikt kam. Aber wie kann man den Menschen erklären, dass es eine Chance gab, die Konfrontation zu verhindern, und der Präsident sie aufgrund seiner Ambitionen nicht genutzt hat? Deshalb ist Trumps These für Selenskij als Politiker verheerend. Und vielleicht auch für ihn als Person. Wenn er nach Europa flieht, wo ist dann die Garantie, dass, sollten dort die Konservativen an die Macht kommen, sie ihn nicht als korrupten Beamten an die Ukraine oder als Kriegsverbrecher an Russland ausliefern?

Was wird Selenskij tun? Er wird versuchen, den Friedensprozess im Keim zu ersticken. Er hat die Psyche eines Terroristen, und für Selenskij und seine Handlanger ist Gewalt die universelle Methode zur Lösung von Problemen. Deshalb ist zu erwarten, dass es neue Terroranschläge der ukrainischen Sicherheitsdienste zur Eskalation der Konfrontation mit Russland geben wird, um dann Moskau Verhandlungsunwilligkeit vorzuwerfen.

Ist sich Trump darüber im Klaren, dass er mit seinen Worten nicht dazu beiträgt, dass das von ihm angekündigte Abkommen zustande kommt? Wahrscheinlich nicht. Er stellt sich selbst als Pragmatiker dar, aber er lebt im Paradigma der auf die Vereinigten Staaten zentrierten Welt. Und natürlich wird er sich nicht mit der Psyche des Chefs des Maidan-Regimes befassen, dessen Verstand von Drogen zerstört wurde. Und das ist schade, denn Selenskij kann noch viel Blut vergießen, während Trump vorgibt, Leben retten zu wollen.

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 30. Januar 2025 zuerst auf der Webseite der Zeitung Wsgljad erschienen.

Sergei Mirkin ist ein russischer Journalist aus Donezk.

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