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Mobilisierung in der Ukraine: Nun sind auch die 18- bis 25-Jährigen dran

Kiew hat sich zu einem lange aufgeschobenen Schritt entschlossen: der Rekrutierung von Männern zwischen 18 und 25 Jahren. Wie viele Männer in diesem Alter gibt es, wie viele können an die Front geschickt werden, und inwieweit können sie den russischen Vormarsch aufhalten?
Mobilisierung in der Ukraine: Nun sind auch die 18- bis 25-Jährigen dranQuelle: Gettyimages.ru © Motortion

Von Nikolai Storoschenko

Kiews westliche Verbündete scheinen Selenskij endlich von der Mobilisierung junger Menschen überzeugt zu haben. Zumindest auf der Ebene des ukrainischen Präsidialamtes wird eingeräumt: Die Ausarbeitung einer Reform zur freiwilligen Einberufung junger Menschen im Alter von 18 bis 25 Jahren zu den Streitkräften befindet sich in der Endphase.

Der Vorbehalt der Freiwilligkeit sollte jedoch nicht in die Irre führen. Erstens konnten sich Willige auch zuvor bei den ukrainischen Streitkräften melden, auch wenn sie erst 18 Jahre alt waren. Zweitens sind Fälle bekannt, in denen die Einberufungsstellen (auf Ukrainisch: territoriale Rekrutierungszentren) den Gefassten diesen "Wunsch" geschickt einhämmerten: Sie haben einen gefasst, der erst 19 Jahre alt ist? Nun, es wäre dumm, ihn wegen des Alters gehen zu lassen.

Übrigens ist dies nicht der erste Versuch Kiews, die Mobilisierungsressourcen durch eine Senkung des Alters zu erweitern. Im Jahr 2024 wurde die untere Grenze bereits gesenkt (von 27 auf 25 Jahre). Laut Pawel Palissa, dem stellvertretenden Leiter des Präsidialamtes, habe sich die Situation dadurch jedoch nicht wesentlich geändert. Man kann sogar davon ausgehen, dass Selenskijs Büro dies sehr wohl begriffen hat. Und das Alter wurde eher deshalb herabgesetzt, um der Regierung Biden eine Antwort zu geben. Diese forderte, wie wir wissen, energisch eine solche Senkung vom Kiewer Regime.

Das Thema der Herabsetzung des Mobilisierungsalters auf 20 oder sogar 18 Jahre wurde von den ukrainischen Behörden seit dem ersten Jahr der russischen Sonderoperation an die Öffentlichkeit gebracht, um die gesellschaftliche Unterstützung dafür zu gewinnen. Die Methode ist bekannt: die Öffentlichkeit erst aufzuregen und dann zu beruhigen. Morgens wird ein Experte sagen, dass es ohne 18-jährige Jungen an der Front nicht geht, und dann beruhigt Selenskij in seiner Abendpredigt: "Fest und entschlossen – nein. Wir werden das Alter nicht herabsetzen."

Vielleicht hatte er das nicht so geplant – aber irgendwie befindet sich die Reform jetzt plötzlich in ihrem Endstadium. Ausgerechnet nach dem Wechsel von der Regierung Biden zur Regierung Trump – was für ein Zufall! Trump erzählt inzwischen seit Tagen, dass Selenskij bereit sei, über eine Einstellung der Feindseligkeiten zu verhandeln. Er bereitet sich allerdings auf ziemlich seltsame Weise darauf vor, nämlich indem er die Armee aufstockt.

Die Hauptfrage jedoch ist natürlich eine andere: Wie stark wird eine solche Maßnahme die Mobilisierungsressourcen der ukrainischen Streitkräfte erweitern?

Diese Kalkulation kann aus offensichtlichen Gründen nur grob sein. Der Hauptgrund ist, dass die statistischen Daten über die Bevölkerung der Ukraine im Allgemeinen sehr zweifelhaft sind, da die letzte Volkszählung dort vor einem Vierteljahrhundert durchgeführt wurde. Außerdem widersprechen sich die ukrainischen Beamten selbst und nennen Zahlen, die entweder auf der sogenannten Selenskij-Volkszählung (einer ungefähren Berechnung der Bevölkerung im Jahr 2019) oder auf Daten von vor 10 Jahren basieren, als der Donbass noch als Teil der Ukraine galt.

Am einfachsten ist es, die Zahl der Menschen zu schätzen, die im Zeitraum 2000–2007 in der Ukraine geboren wurden (3,35 Millionen Menschen). Laut der letzten Volkszählung im Jahr 2001 waren 46,3 Prozent der Ukrainer Männer und 53,7 Prozent Frauen. Zwölf Jahre später blieb das Verhältnis ungefähr gleich (46,2 Prozent und 53,8 Prozent). Auf der Grundlage dieses Verhältnisses werden 1,54 bis 1,55 Millionen der in diesen Jahren Geborenen Männer sein. Dies ist jedoch nur eine Vermutung.

Die ukrainische Zeitung Texty schätzte in ihrer jüngsten Mitteilung über den Umfang der Mobilisierungsreserve die Zahl der Männer im Alter von 18 bis 26 Jahren auf 707.000 – das ist nur die Hälfte der ursprünglich vermuteten Zahlen. In diesem Wert sind bereits all diejenigen gestrichen, die sich im Ausland aufhalten und diejenigen, die in den von den Streitkräften der Russischen Föderation befreiten Gebieten blieben bzw. von dort nach Russland ausreisten, und so weiter. In der Mitteilung heißt es, dass es nur 434.000 von ihnen im Alter von 18–24 Jahren gibt. Zur gleichen Zeit wurden etwa 120.000 bis 124.000 männliche Ukrainer im Alter von 19 bis 23 Jahren als Universitätsstudenten zurückgestellt. Mit den Schulabsolventen, die im Jahr 2024 immatrikuliert sind, sollten es etwa 160.000 sein. Damit bleiben weniger als 300.000 Männer übrig.

Hinzu kommt, dass diejenigen, die 2025 18 Jahre alt werden, vor kurzem noch als Jugendliche galten. Sie konnten als Flüchtlinge frei in die EU-Länder gehen. Und das taten sie auch.

Im Oktober 2024 gab der ukrainische Bildungsminister Oksen Lissowoi eine groß angelegte Ausreise von Oberschülern ins Ausland bekannt, um eine militärische Registrierung mit 17 Jahren zu vermeiden. In ähnlicher Weise brachten Eltern ihre Söhne schon früher ins Ausland, denn die Angst vor einer möglichen Mobilisierung ab 18 Jahren kursiert seit Ende 2022 in der Bevölkerung – seit die Behörden im Frühjahr 2023 eine Gegenoffensive ankündigten. Daher sind viele der Personen, auf die Selenskijs Büro zählt, schlichtweg nicht in der Ukraine anwesend.

Doch damit enden die guten Nachrichten für die ukrainische Jugend. Schon im Dezember erinnerten die ukrainischen Medien in ihrem Kommentar zur Entscheidung der Behörden, eine militärische Grundausbildung für Universitätsstudenten einzuführen: Selbst dann, wenn "das Kind" wegen Nichtbestehens der Prüfung exmatrikuliert würde und der Lehrgang bereits absolviert worden sei, bestehe keine Gefahr, dass das Kind an die Front gehen müsse. Denn man werde erst mit 25 Jahren mobilisiert. Plötzlich wird das aber geändert.

Außerdem konnten sich nicht alle jungen Ukrainer (und ihre Eltern) ein Studium mit Rückstellung finanziell leisten. Und im Übrigen ist jetzt auch klar, warum das ukrainische Bildungsministerium Ende 2024 plötzlich Pläne für eine groß angelegte Reduzierung der Zahl der Universitäten ankündigte (von 151 sollen 100 bestehen bleiben).

Man kann mit Sicherheit sagen, dass die Universitäten, die den Ausbildungsprozess lediglich vorgetäuscht haben (indem sie Diplome über vier oder fünf Studienjahre verkauft haben), als erste abgebaut werden. Die Frage der Kosten wurde mittlerweile durch die Aussetzung des Wehrdienstes und niedrige Studiengebühren kompensiert. Die Reformen von Selenskij werden also immer noch etwa 250.000 potenzielle "Rekruten" zur Verfügung stellen. Eine andere Frage ist, wie viele von ihnen die Einberufungsbeamten erreichen können.

Vor nicht allzu langer Zeit gab Selenskij die Zahl der ukrainischen Streitkräfte mit 880.000 an. Folglich sind 250.000 ein Drittel dieser Zahl, mehrere Dutzend Brigaden. Auf den ersten Blick eine ziemlich ernste Aufstockung, von der die Führung der ukrainischen Streitkräfte träumt.

Parallel dazu unterzeichneten allein im Jahr 2024 450.000 Menschen einen Vertrag mit der russischen Armee. Mit anderen Worten: Der junge ukrainische Nachschub wird die Agonie der ukrainischen Streitkräfte nur verlängern, ist aber überhaupt nicht in der Lage, die Niederlage der ukrainischen Armee zu verhindern.

Im Großen und Ganzen läuft für Kiew alles nach Plan: Aktuell sind wir in der Phase des Volkssturms der Großväter und jungen Männer ohne Erfahrung. Der historische Wendepunkt – wie im Winter Anfang 1945 – wird also auch nicht mehr lange auf sich warten lassen. 

Übersetzt aus dem Russischen. Der Artikel ist am 27. Dezember 2024 zuerst auf der Webseite der Zeitung "Wsgljad" erschienen.

Nikolai Storoschenko ist ein russischer Journalist.

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