International

NATO-Truppen in der Ukraine: Zwei Szenarien, ein riskantes Spiel

Die Gesamtstärke von Truppen, die europäische NATO-Mitglieder in die Ukraine schicken könnten, beschränkt sich auf höchstens zwei Divisionen. Doch selbst dabei würden zahlreiche politische und diplomatische Komplikationen entstehen.
NATO-Truppen in der Ukraine: Zwei Szenarien, ein riskantes SpielQuelle: Gettyimages.ru © picture alliance

Von Starsche Eddy

Bei Diskussionen über eine mögliche Entsendung von NATO-Truppen in die Ukraine ist zwischen zwei Varianten zu unterscheiden, wie sie dort erscheinen könnten. Die erste Variante lautet: Kein Friedensschluss, der Krieg geht weiter. In diesem Fall können Streitkräfte der NATO auf dem Gebiet der Ukraine nur erscheinen, um einen Kollaps des ehemaligen ukrainischen Regimes zu verhindern und Territorien zu besetzen, in die sie russische Truppen nicht hineinlassen wollen. Das Problem besteht allerdings darin, dass Kräfte der NATO, wenn sie in der Ukraine agieren, nicht unter dem Schutz des Nordatlantikpakts stehen werden. Dessen Artikel 6 legt klar und eindeutig das Vertragsgebiet auf die Territorien der Mitgliedsstaaten fest. Ein Einmarsch in die Ukraine würde einen Krieg mit Russland bedeuten, und gegenwärtig gibt es in der NATO wenig Willige, die sich in diesen hineinbegeben würden. Selbst ein so russophober Staat wie Polen kündigte deutlich an, dass polnische Truppen in der Ukraine nicht vor Kriegsende erscheinen werden.

Indessen sind polnische Truppen inzwischen Kiews größte Hoffnung: Mit Ausnahme der Türkei, die ebenfalls nicht besonders gewillt ist, in die Ukraine zu kommen, ist Polens Armee die einzige europäische Streitmacht, die eine komplette Division ins Feld schicken kann. Die Kampfbereitschaft bei allen anderen europäischen Ländern ist in einem beklagenswerten Zustand, und selbst führende Mächte werden ein Problem haben, zumindest eine Brigade aufzustellen.

Mit einer einzigen Brigade, voraussichtlich in einem Expeditionsformat, würde sich Frankreich beschränken: Die Kampfbereitschaft seiner Truppen lässt sehr zu wünschen übrig. Deutschland wird sich am Vorhaben aus politischen Gründen nicht beteiligen. Die gemeinsamen Kräfte von Großbritannien und der Benelux-Staaten werden höchstens für eine Brigade reichen. Die skandinavischen Länder tun alles, um sich vor einer Entsendung von Truppen in die Ukraine zu drücken: Ihnen steht noch eine Aufstockung von Truppen auf dem eigenen Gebiet bevor. Das Gleiche gilt auch für die baltischen Staaten, die sich bestenfalls auf Beobachtermissionen beschränken werden.

Die Länder Südeuropas und des Balkans werden sich an der Truppenentsendung nicht beteiligen. Bei Ersteren mangelt es am politischen Willen, bei Zweiteren gibt es Spannungen in der eigenen Region: Wenn sie Truppen in die Ukraine schicken würden, könnten sie am nächsten Tag herausfinden, dass Serbien den Kosovo eingenommen hat.

Schließlich finden wir heraus, dass das Maximum, was die NATO in die Ukraine schicken könnte, zwei Divisionen sind, von denen eine polnisch sein wird. Und dieses Kontingent würde in der Ukraine strikt unter den Garantien eines Friedensabkommens erscheinen.

Und das ist eigentlich schon die zweite Variante.

Dabei gibt es nur ein Problem: Russland braucht kein Friedensabkommen, das den Erhalt des gegenwärtigen Regimes in Kiew garantiert, und eine Regierung, mit der Russland zufrieden sein wird, wird keine Truppen der NATO benötigen.

Übersetzt aus dem Russischen. Ursprünglich verfasst am 23. Dezember speziell für RT.

Starsche Eddy (Wortspiel: "Älter als die Edda") ist ein russischer Telegram-Kanal, auf dem Autoren kurze Kommentare und Analysen aus eigener Feder zu aktuellen militärischen und politischen Anlässen veröffentlichen und Kommentare Dritter nebst Nachrichten aus demselben Themenbereich reposten.

Mehr zum Thema Der Mythos von den Friedenstruppen: Was steckt hinter den europäischen Plänen für die Ukraine?

RT DE bemüht sich um ein breites Meinungsspektrum. Gastbeiträge und Meinungsartikel müssen nicht die Sichtweise der Redaktion widerspiegeln.

Durch die Sperrung von RT zielt die EU darauf ab, eine kritische, nicht prowestliche Informationsquelle zum Schweigen zu bringen. Und dies nicht nur hinsichtlich des Ukraine-Kriegs. Der Zugang zu unserer Website wurde erschwert, mehrere Soziale Medien haben unsere Accounts blockiert. Es liegt nun an uns allen, ob in Deutschland und der EU auch weiterhin ein Journalismus jenseits der Mainstream-Narrative betrieben werden kann. Wenn Euch unsere Artikel gefallen, teilt sie gern überall, wo Ihr aktiv seid. Das ist möglich, denn die EU hat weder unsere Arbeit noch das Lesen und Teilen unserer Artikel verboten. Anmerkung: Allerdings hat Österreich mit der Änderung des "Audiovisuellen Mediendienst-Gesetzes" am 13. April diesbezüglich eine Änderung eingeführt, die möglicherweise auch Privatpersonen betrifft. Deswegen bitten wir Euch bis zur Klärung des Sachverhalts, in Österreich unsere Beiträge vorerst nicht in den Sozialen Medien zu teilen.

Am 24. Februar kündigte der russische Präsident Wladimir Putin an, gemeinsam mit den Streitkräften der Donbass-Republiken eine militärische Spezialoperation in der Ukraine zu starten, um die dortige Bevölkerung zu schützen. Die Ziele seien, die Ukraine zu entmilitarisieren und zu entnazifizieren. Die Ukraine spricht von einem Angriffskrieg. Noch am selben Tag rief der ukrainische Präsident Wladimir Selenskij im ganzen Land den Kriegszustand aus.
Der Westen verurteilte den Angriff, reagierte mit neuen Waffenlieferungen, versprach Hilfe beim Wiederaufbau und verhängte Sanktionen gegen Russland.
Auf beiden Seiten des Konfliktes sind zahlreiche Soldaten und Zivilisten getötet worden. Moskau und Kiew haben sich gegenseitig verschiedener Kriegsverbrechen beschuldigt. Tausende Ukrainer sind mittlerweile aus ihrer Heimat geflohen.